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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Gottesdienst mehr gehalten. Von den beiden Säulen am Eingänge hieß es
früher, kein Ungläubiger könne zwischen ihnen hindurchgehen. War damit ge¬
meint, kein Christ oder Jude, so verstand sich daS von selbst, da Christen und
Juden früher überhaupt nicht in Moschee" gelassen wurden. Vielleicht aber
war die Behauptung ein Pendant zu dem Worte, nach welchen kein Reicher
ins Himmelreich kommt. Die Säulen stehen so dicht nebeneinander, daß
nur magere Körper zwischen ihnen durchgehen können. Der Glaube fordert
fleißiges Fasten, der Reichthum aber befördert die Neigung dazu nicht,
wie die vielen fetten Türken in den Straßen Kairos zeigen; wir und unser
Dragoman Hassan brachten unser Sterbliches ohne Schwierigkeit hindurch,
Said Pascha dagegen mit seiner Leibesfülle dürfte die Probe keinenfalls
bestehen.

Noch hübscher ist die Legende, welche sich an eine andere Säule der
Moschee knüpft. Aar. der Feldherr des Chalifen Omar, welcher Aegypten
eroberte, bat sich, als er dieses Heiligthum baute, von seinem Herrn eine
Säule aus der Kaabah in Mekka aus. Der Chalif wendete sich an eine der
dortigen Säulen und befahl ihr, sofort nach dem Nil auszuwandern. Die
Säule rührte sich nicht. Er wiederholte seinen Befehl dringender. Sie zog
es vor stehen zu bleiben. Er hieß sie zum dritten Male sich aufmachen und
fügte zornig einen Schlag mit der Kurbalsche hinzu. Die eigensinnige, un¬
gehorsame Säule blieb so eigensinnig und ungehorsam wie alle Säulen, wenn
Menschen sie gehen heißen. Da rief der Chalif: Ich gebiete dir im Namen
Gottes, Säule, hebe dich weg und begib dich gen Kairo! Da ging sie, und
sie steht noch jetzt, und die Spur des Peitschenhiebes ist auch noch zu sehen.
Und sie wird ewig stehen bleiben, sagen die Frommen, indem sie die Bedeu¬
tung des Umsturzes der ganzen Moschee auf diese einzige Säule beschränken
und so sich über heil herannahenden Untergang ihrer Religion trösten.

Endlich ist hier noch eine Quelle, die ebenfalls aus Mekka kommen soll "ut
infolge dessen ebenfalls als el" Heiligthum gilt. Wenn Dürre droht, erzählte
Hassan, und der Nil nicht steigen will, so gehl der Pascha mit den moham¬
medanischen, christlichen und jüdischen Geistlichen hierher und hält -- die
Türken und Araber innen, die andern außen -- Umzüge um die heilige Quelle,
und das Mittel hat bis jetzt immer sich bewährt, Aehnliche Gebräuche kamen
bekanntlich bis in die neueste Zeit auch in katholischen Gegenden Deutschlands
vor. Mau unterlasse darin das Lächeln über diesen türkischen Aberglauben
"och auf einige Menschenalter.

Von Alikairo fährt ma", wenn die Zeit ausreicht, hinüber nach der Insel
Roda, um sich die dort von Ibrahim Pascha angelegten Gärten und Paläste
und den alten Nilmesser anzusehen, und um den Nil zu bewundern, den der
mit der Eisenbahn Gekommene hier zum ersten Male in seiner ganzen vollen


Gottesdienst mehr gehalten. Von den beiden Säulen am Eingänge hieß es
früher, kein Ungläubiger könne zwischen ihnen hindurchgehen. War damit ge¬
meint, kein Christ oder Jude, so verstand sich daS von selbst, da Christen und
Juden früher überhaupt nicht in Moschee» gelassen wurden. Vielleicht aber
war die Behauptung ein Pendant zu dem Worte, nach welchen kein Reicher
ins Himmelreich kommt. Die Säulen stehen so dicht nebeneinander, daß
nur magere Körper zwischen ihnen durchgehen können. Der Glaube fordert
fleißiges Fasten, der Reichthum aber befördert die Neigung dazu nicht,
wie die vielen fetten Türken in den Straßen Kairos zeigen; wir und unser
Dragoman Hassan brachten unser Sterbliches ohne Schwierigkeit hindurch,
Said Pascha dagegen mit seiner Leibesfülle dürfte die Probe keinenfalls
bestehen.

Noch hübscher ist die Legende, welche sich an eine andere Säule der
Moschee knüpft. Aar. der Feldherr des Chalifen Omar, welcher Aegypten
eroberte, bat sich, als er dieses Heiligthum baute, von seinem Herrn eine
Säule aus der Kaabah in Mekka aus. Der Chalif wendete sich an eine der
dortigen Säulen und befahl ihr, sofort nach dem Nil auszuwandern. Die
Säule rührte sich nicht. Er wiederholte seinen Befehl dringender. Sie zog
es vor stehen zu bleiben. Er hieß sie zum dritten Male sich aufmachen und
fügte zornig einen Schlag mit der Kurbalsche hinzu. Die eigensinnige, un¬
gehorsame Säule blieb so eigensinnig und ungehorsam wie alle Säulen, wenn
Menschen sie gehen heißen. Da rief der Chalif: Ich gebiete dir im Namen
Gottes, Säule, hebe dich weg und begib dich gen Kairo! Da ging sie, und
sie steht noch jetzt, und die Spur des Peitschenhiebes ist auch noch zu sehen.
Und sie wird ewig stehen bleiben, sagen die Frommen, indem sie die Bedeu¬
tung des Umsturzes der ganzen Moschee auf diese einzige Säule beschränken
und so sich über heil herannahenden Untergang ihrer Religion trösten.

Endlich ist hier noch eine Quelle, die ebenfalls aus Mekka kommen soll »ut
infolge dessen ebenfalls als el» Heiligthum gilt. Wenn Dürre droht, erzählte
Hassan, und der Nil nicht steigen will, so gehl der Pascha mit den moham¬
medanischen, christlichen und jüdischen Geistlichen hierher und hält — die
Türken und Araber innen, die andern außen — Umzüge um die heilige Quelle,
und das Mittel hat bis jetzt immer sich bewährt, Aehnliche Gebräuche kamen
bekanntlich bis in die neueste Zeit auch in katholischen Gegenden Deutschlands
vor. Mau unterlasse darin das Lächeln über diesen türkischen Aberglauben
»och auf einige Menschenalter.

Von Alikairo fährt ma», wenn die Zeit ausreicht, hinüber nach der Insel
Roda, um sich die dort von Ibrahim Pascha angelegten Gärten und Paläste
und den alten Nilmesser anzusehen, und um den Nil zu bewundern, den der
mit der Eisenbahn Gekommene hier zum ersten Male in seiner ganzen vollen


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[0437] Gottesdienst mehr gehalten. Von den beiden Säulen am Eingänge hieß es früher, kein Ungläubiger könne zwischen ihnen hindurchgehen. War damit ge¬ meint, kein Christ oder Jude, so verstand sich daS von selbst, da Christen und Juden früher überhaupt nicht in Moschee» gelassen wurden. Vielleicht aber war die Behauptung ein Pendant zu dem Worte, nach welchen kein Reicher ins Himmelreich kommt. Die Säulen stehen so dicht nebeneinander, daß nur magere Körper zwischen ihnen durchgehen können. Der Glaube fordert fleißiges Fasten, der Reichthum aber befördert die Neigung dazu nicht, wie die vielen fetten Türken in den Straßen Kairos zeigen; wir und unser Dragoman Hassan brachten unser Sterbliches ohne Schwierigkeit hindurch, Said Pascha dagegen mit seiner Leibesfülle dürfte die Probe keinenfalls bestehen. Noch hübscher ist die Legende, welche sich an eine andere Säule der Moschee knüpft. Aar. der Feldherr des Chalifen Omar, welcher Aegypten eroberte, bat sich, als er dieses Heiligthum baute, von seinem Herrn eine Säule aus der Kaabah in Mekka aus. Der Chalif wendete sich an eine der dortigen Säulen und befahl ihr, sofort nach dem Nil auszuwandern. Die Säule rührte sich nicht. Er wiederholte seinen Befehl dringender. Sie zog es vor stehen zu bleiben. Er hieß sie zum dritten Male sich aufmachen und fügte zornig einen Schlag mit der Kurbalsche hinzu. Die eigensinnige, un¬ gehorsame Säule blieb so eigensinnig und ungehorsam wie alle Säulen, wenn Menschen sie gehen heißen. Da rief der Chalif: Ich gebiete dir im Namen Gottes, Säule, hebe dich weg und begib dich gen Kairo! Da ging sie, und sie steht noch jetzt, und die Spur des Peitschenhiebes ist auch noch zu sehen. Und sie wird ewig stehen bleiben, sagen die Frommen, indem sie die Bedeu¬ tung des Umsturzes der ganzen Moschee auf diese einzige Säule beschränken und so sich über heil herannahenden Untergang ihrer Religion trösten. Endlich ist hier noch eine Quelle, die ebenfalls aus Mekka kommen soll »ut infolge dessen ebenfalls als el» Heiligthum gilt. Wenn Dürre droht, erzählte Hassan, und der Nil nicht steigen will, so gehl der Pascha mit den moham¬ medanischen, christlichen und jüdischen Geistlichen hierher und hält — die Türken und Araber innen, die andern außen — Umzüge um die heilige Quelle, und das Mittel hat bis jetzt immer sich bewährt, Aehnliche Gebräuche kamen bekanntlich bis in die neueste Zeit auch in katholischen Gegenden Deutschlands vor. Mau unterlasse darin das Lächeln über diesen türkischen Aberglauben »och auf einige Menschenalter. Von Alikairo fährt ma», wenn die Zeit ausreicht, hinüber nach der Insel Roda, um sich die dort von Ibrahim Pascha angelegten Gärten und Paläste und den alten Nilmesser anzusehen, und um den Nil zu bewundern, den der mit der Eisenbahn Gekommene hier zum ersten Male in seiner ganzen vollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/437>, abgerufen am 12.12.2024.