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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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lich von den Palästen des Vicekönigs und seiner Beis und Paschas gilt.
Symmetrische Anlage der Straßen, Ordnung und Reinlichkeit sind in der Levante
überhaupt wenig geachtete Dinge, und so werden sie auch hier häufig vermißt.
DaS Klima ferner verlangt vor allem Kühle, und darum enge, dunkelgehallene
Gassen. Oeffentliche Plätze von einiger Ausdehnung trifft man fast nur am
äußersten Rande der Stadt. Das eigentliche Innere ist ein Labyrinth, in dessen
krummen, oben durch Erkergeniste fast höhlenartig geschloßnen Straßen, in
dessen finstern Durchgängen und Höfen, Winkeln und Suckgäßchen der Fremde,
dessen Neugier sich zu tief hineinwagt, halbe Tage lang vergeblich den Heimweg
suchen kann. Die flachen und deshalb von unten unsichtbaren Dächer endlich,
die ungetünchten, mit Unregelmäßig zusammengeklebten Ziegelschichten endigen¬
den Mauern der obersten Stockwerke erwecken die Meinung, man habe Brand-
ruinen oder noch nicht aufgebaute Häuser vor sich.

Es bedarf indeß keiner langen Gewöhnung, um solche Störungen deS
Eindrucks, welchen die Stadt Saladins im Allgemeinen macht, nicht mehr zu
empfinden; die tausend und abertausend Schönheiten altarabischer Architektur,
welche Kairo mit seinen dreihundert Moscheen bietet, entschädigen hinreichend
für den Anblick des Staubes, des Schuttes und der Spinneweben, welche an¬
dere Schönheiten verunstalten und verbergen; der blaue Himmel und Vas helle
Sonnenlicht Afrikas thut ein Uebriges, und so wurden unsere Ausflüge durch
die verschiedenen Quartiere schon in den ersten Tagen im hohen Grade lohnend.

Kairo zerfällt in eine Anzahl von Viertel", welche durch Thore, die man
deS Nachts zu schließen pflegt, voneinander abgesperrt werden können. So
gibt eS ein Q-uartier der Wasserträger, ein Franken-, ein Kopten-, ein Juden-
viertel u. a. Die Stadt wird von fünf bis sechs großen, vielfach gekrümmten
Durchfahrten durchschnitten, die, meist zugleich als Märkte dienend, die einzigen
Straßen sind, in denen Wagen sich bewegen können, und von denen aus sich
rechts und links jene höhlenarligen, oft sehr langen Seitengäßchen im Zickzack
nach allen Himmelsgegenden verzweigen. Die Durchfahrten sind an vielen
Stellen durch Matten, die man über lange, von Dach zu Dach reichende
Balken gebreitet hat, gegen den Brand der Sonne geschützt. Des Pflasterns
der Straßen bedürfte eS bei dem trocknen Klima nicht. Vor dem Staube
sichert fleißig wiederholtes Besprenge" mit Wasser, welches durch sein Verdunsten
zugleich die Kühlung befördert. Einige, vielleicht alle Gassen tragen an den
Ecken in arabischer Schrift den Namen, den sie führen. Die Moscheen stehen
in der Regel nur an einer Seite frei, an den übrigen sind sie gewöhnlich in
die Häusermassen eingeklemmt, die sich, meist drei, zuweilen vier Stock hoch,
neben ihnen erheben.

Die vorherrschende Farbe der Stadt ist ein gelbliches Grau. Die Mauern
der Häuser bestehen bis zur Höhe des ersten Geschosses aus viereckig behauenen


lich von den Palästen des Vicekönigs und seiner Beis und Paschas gilt.
Symmetrische Anlage der Straßen, Ordnung und Reinlichkeit sind in der Levante
überhaupt wenig geachtete Dinge, und so werden sie auch hier häufig vermißt.
DaS Klima ferner verlangt vor allem Kühle, und darum enge, dunkelgehallene
Gassen. Oeffentliche Plätze von einiger Ausdehnung trifft man fast nur am
äußersten Rande der Stadt. Das eigentliche Innere ist ein Labyrinth, in dessen
krummen, oben durch Erkergeniste fast höhlenartig geschloßnen Straßen, in
dessen finstern Durchgängen und Höfen, Winkeln und Suckgäßchen der Fremde,
dessen Neugier sich zu tief hineinwagt, halbe Tage lang vergeblich den Heimweg
suchen kann. Die flachen und deshalb von unten unsichtbaren Dächer endlich,
die ungetünchten, mit Unregelmäßig zusammengeklebten Ziegelschichten endigen¬
den Mauern der obersten Stockwerke erwecken die Meinung, man habe Brand-
ruinen oder noch nicht aufgebaute Häuser vor sich.

Es bedarf indeß keiner langen Gewöhnung, um solche Störungen deS
Eindrucks, welchen die Stadt Saladins im Allgemeinen macht, nicht mehr zu
empfinden; die tausend und abertausend Schönheiten altarabischer Architektur,
welche Kairo mit seinen dreihundert Moscheen bietet, entschädigen hinreichend
für den Anblick des Staubes, des Schuttes und der Spinneweben, welche an¬
dere Schönheiten verunstalten und verbergen; der blaue Himmel und Vas helle
Sonnenlicht Afrikas thut ein Uebriges, und so wurden unsere Ausflüge durch
die verschiedenen Quartiere schon in den ersten Tagen im hohen Grade lohnend.

Kairo zerfällt in eine Anzahl von Viertel», welche durch Thore, die man
deS Nachts zu schließen pflegt, voneinander abgesperrt werden können. So
gibt eS ein Q-uartier der Wasserträger, ein Franken-, ein Kopten-, ein Juden-
viertel u. a. Die Stadt wird von fünf bis sechs großen, vielfach gekrümmten
Durchfahrten durchschnitten, die, meist zugleich als Märkte dienend, die einzigen
Straßen sind, in denen Wagen sich bewegen können, und von denen aus sich
rechts und links jene höhlenarligen, oft sehr langen Seitengäßchen im Zickzack
nach allen Himmelsgegenden verzweigen. Die Durchfahrten sind an vielen
Stellen durch Matten, die man über lange, von Dach zu Dach reichende
Balken gebreitet hat, gegen den Brand der Sonne geschützt. Des Pflasterns
der Straßen bedürfte eS bei dem trocknen Klima nicht. Vor dem Staube
sichert fleißig wiederholtes Besprenge» mit Wasser, welches durch sein Verdunsten
zugleich die Kühlung befördert. Einige, vielleicht alle Gassen tragen an den
Ecken in arabischer Schrift den Namen, den sie führen. Die Moscheen stehen
in der Regel nur an einer Seite frei, an den übrigen sind sie gewöhnlich in
die Häusermassen eingeklemmt, die sich, meist drei, zuweilen vier Stock hoch,
neben ihnen erheben.

Die vorherrschende Farbe der Stadt ist ein gelbliches Grau. Die Mauern
der Häuser bestehen bis zur Höhe des ersten Geschosses aus viereckig behauenen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/423>, abgerufen am 01.07.2024.