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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Reichsfürsten an -- die Braunschweiger waren leider unter den ersten -- die
Arbeiten der verrufensten Heckenmünzer zu übertreffen. Sie ließen statt von
Silber in einer schlechten Mischung von Silber und Kupfer, schwere und leichte
LandeSmünze schlagen. Bald wurde versilbertes Kupfer daraus. Zuletzt schlug
man z. B. in Leipzig das kleine Geld gar nicht mehr von Kupfer, das man
höher verwerthen konnte, sondern die Stadt gab statt dessen eckiges Blech mit einem
Stempel aus. Wie eine Pest griff diese Entdeckung Geld ohne große Kosten
zu machen um sich. Aus den beiden sächsischen Kreisen verbreitete sie sich nach
den rheinischen und süddeutschen. Hundert neue Münzen wurden errichtet, wo
ein verfallner Thurm für Schmiede und Blasebalg sest genug schien, wo Holz
zum Brennen vollauf und eine Straße war, das gute Geld zur Münze und
schlechtes herauszufahren, da nistete sich eine Bande Münzer ein. Kurfürsten
und Herrn, geistliche Stifter und Städte wetteiferten miteinander, aus Kupfer
Geld zu machen. Auch das Volk wurde angesteckt. Seit Jahrhunderten hatten
Goldmacherkunst und Schatzgräbern die Phantasie des Volks beschäftigt, jetzt
schien die glückliche Zeit gekommen, wo jeder Fischtigel sich auf des Münzers
Wage in Silber verwandeln konnte. Es begann ein tolles Geldmacher.
Daß reines Silber und altes Silbergeld im kaufmännischen Verkehr auffallend
und unaufhörlich theurer wurden, so daß endlich für einen alten Silbergulden
4, 5 und mehr neue Gulden gezahlt werden mußten, und daß die Preise der
Waaren und LebenSmitttel langsam höher stiegen, das kümmerte die Menge
nicht, so lange das neue Geld, dessen Production sich ja ins Unendliche
vermehren ließ, immer noch willig genommen wurde. Die Nation ohnedies
aufgeregt, geriet!) zuletzt in einen wilden Taumel. Ueberall schien Gelegenheit, ohne
Arbeit reich zu werden. Alle Welt legte sich auf Geldhandel. Der Kaufmann
machte Geldgeschäfte mit dem Handwerker, der Handwerker mit dem Bauern.
Ein allgemeines Umherlungern, Schächern, Uebervorlheilen riß ein. Der mo¬
derne Schwindel mit Actien und Börsenpapieren gibt nur eine schwache Vor¬
stellung von dem Treiben damaliger Zeit. Wer Schulden halte, jetzt eilte er
sie zu bezahlen. Wem der gefällige Münzer einen alten Braukessel in Geld
umschlug, der konnte dasür Haus und Acker kaufen. Wer Gehalte, Sold und
Löhne auszuzahlen hatte, der fand es sehr bequem, die Summen in weißgesottenem
Kupfer hinzuzählen. In den Städten wurde nur noch wenig gearbeitet und
nur um sehr hohes Geld. Denn wer einige alte Thaler, Goldgulden oder ande¬
res gutes Neichsgeld als Nothpfennig in der Truhe liegen hatte, -- wie damals
fast jedermann -- der holte seinen Vorrath heraus und setzte ihn vergnügt
w das neue Geld um, da der alte Thaler merkwürdigerweise vier, ja sechs
und zehn Mal so viel zu gelten schien als früher. DaS war eine lustige
Zeit. Wenn Wein und Bier auch theurer waren als sonst, sie waren es doch
nicht in demselben Verhältniß wie das alte Silbergeld. Ein Theil deö Ge-


Reichsfürsten an — die Braunschweiger waren leider unter den ersten — die
Arbeiten der verrufensten Heckenmünzer zu übertreffen. Sie ließen statt von
Silber in einer schlechten Mischung von Silber und Kupfer, schwere und leichte
LandeSmünze schlagen. Bald wurde versilbertes Kupfer daraus. Zuletzt schlug
man z. B. in Leipzig das kleine Geld gar nicht mehr von Kupfer, das man
höher verwerthen konnte, sondern die Stadt gab statt dessen eckiges Blech mit einem
Stempel aus. Wie eine Pest griff diese Entdeckung Geld ohne große Kosten
zu machen um sich. Aus den beiden sächsischen Kreisen verbreitete sie sich nach
den rheinischen und süddeutschen. Hundert neue Münzen wurden errichtet, wo
ein verfallner Thurm für Schmiede und Blasebalg sest genug schien, wo Holz
zum Brennen vollauf und eine Straße war, das gute Geld zur Münze und
schlechtes herauszufahren, da nistete sich eine Bande Münzer ein. Kurfürsten
und Herrn, geistliche Stifter und Städte wetteiferten miteinander, aus Kupfer
Geld zu machen. Auch das Volk wurde angesteckt. Seit Jahrhunderten hatten
Goldmacherkunst und Schatzgräbern die Phantasie des Volks beschäftigt, jetzt
schien die glückliche Zeit gekommen, wo jeder Fischtigel sich auf des Münzers
Wage in Silber verwandeln konnte. Es begann ein tolles Geldmacher.
Daß reines Silber und altes Silbergeld im kaufmännischen Verkehr auffallend
und unaufhörlich theurer wurden, so daß endlich für einen alten Silbergulden
4, 5 und mehr neue Gulden gezahlt werden mußten, und daß die Preise der
Waaren und LebenSmitttel langsam höher stiegen, das kümmerte die Menge
nicht, so lange das neue Geld, dessen Production sich ja ins Unendliche
vermehren ließ, immer noch willig genommen wurde. Die Nation ohnedies
aufgeregt, geriet!) zuletzt in einen wilden Taumel. Ueberall schien Gelegenheit, ohne
Arbeit reich zu werden. Alle Welt legte sich auf Geldhandel. Der Kaufmann
machte Geldgeschäfte mit dem Handwerker, der Handwerker mit dem Bauern.
Ein allgemeines Umherlungern, Schächern, Uebervorlheilen riß ein. Der mo¬
derne Schwindel mit Actien und Börsenpapieren gibt nur eine schwache Vor¬
stellung von dem Treiben damaliger Zeit. Wer Schulden halte, jetzt eilte er
sie zu bezahlen. Wem der gefällige Münzer einen alten Braukessel in Geld
umschlug, der konnte dasür Haus und Acker kaufen. Wer Gehalte, Sold und
Löhne auszuzahlen hatte, der fand es sehr bequem, die Summen in weißgesottenem
Kupfer hinzuzählen. In den Städten wurde nur noch wenig gearbeitet und
nur um sehr hohes Geld. Denn wer einige alte Thaler, Goldgulden oder ande¬
res gutes Neichsgeld als Nothpfennig in der Truhe liegen hatte, — wie damals
fast jedermann — der holte seinen Vorrath heraus und setzte ihn vergnügt
w das neue Geld um, da der alte Thaler merkwürdigerweise vier, ja sechs
und zehn Mal so viel zu gelten schien als früher. DaS war eine lustige
Zeit. Wenn Wein und Bier auch theurer waren als sonst, sie waren es doch
nicht in demselben Verhältniß wie das alte Silbergeld. Ein Theil deö Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/295>, abgerufen am 22.07.2024.