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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Verfasser gibt zunächst eine allgemeine Charakteristik der Kometen, setzt dann
die geringe Wahrscheinlichkeit sür den Zusammenstoß eines derselben mit -der
Erde auseinander, betrachtet hierauf ausführlich die muthmaßlichen Folgen
eines solchen Ereignisses und bespricht zum Schlüsse mehre der zuletzt erschie¬
nenen Kometen, so wie den, welcher in diesem Jahre erwartet wird. In
Folgendem theilen wir mit, was er über den letzteren sagt:

"Dieser grundlos gefürchtete Komet wurde zum ersten Male um die Mitte
des Jahres 126i vor Sonnenaufgang bemerkt, und soll damals 1i Wochen
lang beobachtet worden sein; im Monat August entfaltete er seinen größten
Glanz; er zeichnete sich besonders durch die ungeheure Länge seines Schweifes
aus, welcher sich über dem südlichen Himmel (durch die Sternbilder des Löwen,
des Krebses und der Zwillinge bis in den Orion) von Ost nach West, 4 00
Grad weit erstreckte und eine säbelförmig gekrümmte Gestalt zeigte. Fast alle
Geschichtschreiber, die seiner erwähnen, sprechen von ihm mit Ausdrücken der
höchsten Bewunderung und des bangsten Erstaunens. In der Nacht des
2. October ward der Komet zuletzt gesehen; in derselben Nacht starb auch Papst
Urban IV.; der Aberglaube brachte sofort beide Ereignisse in innige Beziehung.

Der Komet von 4 556, dessen Identität mit dem von 1264 erst in dem
vorigen Jahrhundert durch Dunthorne und Pingrv erwiesen worden ist,
war zwar von geringerem Glänze, aber immer noch so hell, daß er die Auf¬
merksamkeit von ganz Europa auf sich zog. Melanchthon gibt in seinen
Annalen d. I. -1536 eine Beschreibung seines Laufes am Himmel, an dem
er 36 Tage lang sichtbar blieb und bemerkt, daß "gleichzeitig eine Zusammen¬
kunft des Saturn und des Mars sich ereignete." In den leipziger Annalen
von Vogt lesen wir über diese denkwürdige Kometenerschcinung Folgendes:

"1556 den 1. Martii bis zum Ende des Aprils hat man Abends gegen
Aufgang einen Kometen von weißer und bleicher Farbe im Zeichen des Wid¬
ders gesehen, welcher einen sehr schnellen Lauf hatte, und von der Spica
Virginis je mehr und mehr nach dem Boote und nach dem großen und kleinen
Bären gestiegen (also von Süden nach Norden), von bannen aus dem Cepheo
der Andromedae und Saturns zu gestrichen ist."

Gegen das Ende der dritten Aprilwoche verschwand der Komet nach euro¬
päischen Berichten; die Chinesen, welche ihn aufmerksamer beobachtet haben
müssen, erblickten ihn bis zum 10. Mai. Der Komet kam der Erde bei seiner
größten Annäherung an dieselbe nur etwas über 1 Mill. Meilen nahe; über¬
haupt ist seine Bahn so beschaffen, daß er in seiner größtmöglichen Erdnähe
immer noch 20mal weiter von uns entfernt bleibt, als unser Mond. Der
Aberglaube der damaligen Zeit brachte die Abdankung Kaiser Karl V. mit
diesem Kometen in Verbindung; indessen ist es wol mehr als wahrscheinlich,
daß Karl V. sich schon vor dem Erscheinen dieses Kometen zu diesem wich-


Verfasser gibt zunächst eine allgemeine Charakteristik der Kometen, setzt dann
die geringe Wahrscheinlichkeit sür den Zusammenstoß eines derselben mit -der
Erde auseinander, betrachtet hierauf ausführlich die muthmaßlichen Folgen
eines solchen Ereignisses und bespricht zum Schlüsse mehre der zuletzt erschie¬
nenen Kometen, so wie den, welcher in diesem Jahre erwartet wird. In
Folgendem theilen wir mit, was er über den letzteren sagt:

„Dieser grundlos gefürchtete Komet wurde zum ersten Male um die Mitte
des Jahres 126i vor Sonnenaufgang bemerkt, und soll damals 1i Wochen
lang beobachtet worden sein; im Monat August entfaltete er seinen größten
Glanz; er zeichnete sich besonders durch die ungeheure Länge seines Schweifes
aus, welcher sich über dem südlichen Himmel (durch die Sternbilder des Löwen,
des Krebses und der Zwillinge bis in den Orion) von Ost nach West, 4 00
Grad weit erstreckte und eine säbelförmig gekrümmte Gestalt zeigte. Fast alle
Geschichtschreiber, die seiner erwähnen, sprechen von ihm mit Ausdrücken der
höchsten Bewunderung und des bangsten Erstaunens. In der Nacht des
2. October ward der Komet zuletzt gesehen; in derselben Nacht starb auch Papst
Urban IV.; der Aberglaube brachte sofort beide Ereignisse in innige Beziehung.

Der Komet von 4 556, dessen Identität mit dem von 1264 erst in dem
vorigen Jahrhundert durch Dunthorne und Pingrv erwiesen worden ist,
war zwar von geringerem Glänze, aber immer noch so hell, daß er die Auf¬
merksamkeit von ganz Europa auf sich zog. Melanchthon gibt in seinen
Annalen d. I. -1536 eine Beschreibung seines Laufes am Himmel, an dem
er 36 Tage lang sichtbar blieb und bemerkt, daß „gleichzeitig eine Zusammen¬
kunft des Saturn und des Mars sich ereignete." In den leipziger Annalen
von Vogt lesen wir über diese denkwürdige Kometenerschcinung Folgendes:

„1556 den 1. Martii bis zum Ende des Aprils hat man Abends gegen
Aufgang einen Kometen von weißer und bleicher Farbe im Zeichen des Wid¬
ders gesehen, welcher einen sehr schnellen Lauf hatte, und von der Spica
Virginis je mehr und mehr nach dem Boote und nach dem großen und kleinen
Bären gestiegen (also von Süden nach Norden), von bannen aus dem Cepheo
der Andromedae und Saturns zu gestrichen ist."

Gegen das Ende der dritten Aprilwoche verschwand der Komet nach euro¬
päischen Berichten; die Chinesen, welche ihn aufmerksamer beobachtet haben
müssen, erblickten ihn bis zum 10. Mai. Der Komet kam der Erde bei seiner
größten Annäherung an dieselbe nur etwas über 1 Mill. Meilen nahe; über¬
haupt ist seine Bahn so beschaffen, daß er in seiner größtmöglichen Erdnähe
immer noch 20mal weiter von uns entfernt bleibt, als unser Mond. Der
Aberglaube der damaligen Zeit brachte die Abdankung Kaiser Karl V. mit
diesem Kometen in Verbindung; indessen ist es wol mehr als wahrscheinlich,
daß Karl V. sich schon vor dem Erscheinen dieses Kometen zu diesem wich-


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[0278] Verfasser gibt zunächst eine allgemeine Charakteristik der Kometen, setzt dann die geringe Wahrscheinlichkeit sür den Zusammenstoß eines derselben mit -der Erde auseinander, betrachtet hierauf ausführlich die muthmaßlichen Folgen eines solchen Ereignisses und bespricht zum Schlüsse mehre der zuletzt erschie¬ nenen Kometen, so wie den, welcher in diesem Jahre erwartet wird. In Folgendem theilen wir mit, was er über den letzteren sagt: „Dieser grundlos gefürchtete Komet wurde zum ersten Male um die Mitte des Jahres 126i vor Sonnenaufgang bemerkt, und soll damals 1i Wochen lang beobachtet worden sein; im Monat August entfaltete er seinen größten Glanz; er zeichnete sich besonders durch die ungeheure Länge seines Schweifes aus, welcher sich über dem südlichen Himmel (durch die Sternbilder des Löwen, des Krebses und der Zwillinge bis in den Orion) von Ost nach West, 4 00 Grad weit erstreckte und eine säbelförmig gekrümmte Gestalt zeigte. Fast alle Geschichtschreiber, die seiner erwähnen, sprechen von ihm mit Ausdrücken der höchsten Bewunderung und des bangsten Erstaunens. In der Nacht des 2. October ward der Komet zuletzt gesehen; in derselben Nacht starb auch Papst Urban IV.; der Aberglaube brachte sofort beide Ereignisse in innige Beziehung. Der Komet von 4 556, dessen Identität mit dem von 1264 erst in dem vorigen Jahrhundert durch Dunthorne und Pingrv erwiesen worden ist, war zwar von geringerem Glänze, aber immer noch so hell, daß er die Auf¬ merksamkeit von ganz Europa auf sich zog. Melanchthon gibt in seinen Annalen d. I. -1536 eine Beschreibung seines Laufes am Himmel, an dem er 36 Tage lang sichtbar blieb und bemerkt, daß „gleichzeitig eine Zusammen¬ kunft des Saturn und des Mars sich ereignete." In den leipziger Annalen von Vogt lesen wir über diese denkwürdige Kometenerschcinung Folgendes: „1556 den 1. Martii bis zum Ende des Aprils hat man Abends gegen Aufgang einen Kometen von weißer und bleicher Farbe im Zeichen des Wid¬ ders gesehen, welcher einen sehr schnellen Lauf hatte, und von der Spica Virginis je mehr und mehr nach dem Boote und nach dem großen und kleinen Bären gestiegen (also von Süden nach Norden), von bannen aus dem Cepheo der Andromedae und Saturns zu gestrichen ist." Gegen das Ende der dritten Aprilwoche verschwand der Komet nach euro¬ päischen Berichten; die Chinesen, welche ihn aufmerksamer beobachtet haben müssen, erblickten ihn bis zum 10. Mai. Der Komet kam der Erde bei seiner größten Annäherung an dieselbe nur etwas über 1 Mill. Meilen nahe; über¬ haupt ist seine Bahn so beschaffen, daß er in seiner größtmöglichen Erdnähe immer noch 20mal weiter von uns entfernt bleibt, als unser Mond. Der Aberglaube der damaligen Zeit brachte die Abdankung Kaiser Karl V. mit diesem Kometen in Verbindung; indessen ist es wol mehr als wahrscheinlich, daß Karl V. sich schon vor dem Erscheinen dieses Kometen zu diesem wich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/278>, abgerufen am 25.08.2024.