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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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fährlichen Fürnehmen abzulassen, weil wir keine Stunde des Lebens sicher
sind. So hat mich seine kindliche, treue Sorge um Euch, seinen Vater, be¬
wegt, diese Schrift an Euch zu richten und ist meine christliche, brüderliche
Vermahnung (wie wir in Christo einander schuldig sind), Ihr wollet von
solchem Fürnehmen abstehen und bedenken, daß Gottes Sohn viel mehr ge-
gelitten und seinen Kreuzigern vergeben hat. Und zuletzt, wo die Stunde
kommt, müsset Ihr do'es vergeben, wie ein Dieb am Galgen vergeben muß.
Wenn aber die Sache vor Gericht hängt, so lasset sie fortgehen und wartet
auf das Recht. Solches hindert gar nicht zum Sacrament zu gehen, sonst
müßten wir und auch unsere Fürsten nicht zum Sacrament gehen, weil die
Sache zwischen den Papisten kund uns) noch hanget. Befehlt Ihr die Sache
dem Recht, aber dieweil macht Euer Gewissen frei und sprecht: wem das
Recht zufüllet, der habe Recht , unterdeß will ich vergeben dem, der Unrecht
gethan hat und zum Sacrament gehen. So geht Ihr nicht unwürdig hinzu,
weil Ihr Recht begehret und Unrecht leiden wollt, wo es der Richter für
Recht oder Unrecht erkennet. Solche Vermahnung nehmet für gut, die mir
Euer Sohn mit großem Fleiß abgeflehet hat. Hiermit Gott befohlen. Amen.
Mittwoch nach Miser. Dill. 1540.

Martinus Luther.

DaS Original dieses abgeschriebenen Briefes werden meine Kinder neben
andern wichtigen Schriften an seinem Orte finden, denselben als Autographum
des hocherleuchteten, heiligen, an der ganzen Welt wohlverdienten, theuern
Mannes nicht weniger als ich gethan, mit Fleiß aufheben, lieb und werth
halten und ihren Kindern und Kindeskindern zu angenehmem Gefallen ver¬
wahren. --

Diesen Brief hat mein Bruder meinem Vater zu Haus und zu Handen
gebracht. Und damit die Seinen sehen möchten, daß er seiner Eltern Gut
nicht vergeblich angewendet, hat er etliche seiner gemachten (lateinischen) Poemata
gedruckt mitgebracht. Und er hat zu Hause in den nächsten Jahren seinem
Privatstudium mit Fleiß obgelegen. Denn neben anderem zu Rostock, hat er
zu Lübeck auch ein Klagegedicht auf den Märtyrer Christi Doctor RubertuS
Barus drucken lassen,*) wodurch ihm und auch dem Drucker nicht geringe
Tragödie entstanden ist. Denn daS Gedicht ist dem König von England zu¬
gekommen; dieser hat eine Legation an die von Lübeck geschickt, weil das Ge*
dicht von ihrem Buchdrucker Johann Balhorn, gedruckt worden war, und sich
hart darüber beschwert und gedroht. Die Ehrbaren von Lübeck haben den



Hnvl'vo an uvelozia. ILxieoäio" NiU'tM-j OKristi, v. RolzWti Sarns, ^.Ilgli. "utlwrs
^oanns 8s,LtrovW"o. I^ubsoas loi,I. 8. Gegen Heinrich VIII. von England gerichtet, welcher
in erträglichen Distichen und zierlichem Latein ein entmenschtes Scheusal genannt und mit
Busiris und ähnlichen antiken Charaktern verglichen wird.
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fährlichen Fürnehmen abzulassen, weil wir keine Stunde des Lebens sicher
sind. So hat mich seine kindliche, treue Sorge um Euch, seinen Vater, be¬
wegt, diese Schrift an Euch zu richten und ist meine christliche, brüderliche
Vermahnung (wie wir in Christo einander schuldig sind), Ihr wollet von
solchem Fürnehmen abstehen und bedenken, daß Gottes Sohn viel mehr ge-
gelitten und seinen Kreuzigern vergeben hat. Und zuletzt, wo die Stunde
kommt, müsset Ihr do'es vergeben, wie ein Dieb am Galgen vergeben muß.
Wenn aber die Sache vor Gericht hängt, so lasset sie fortgehen und wartet
auf das Recht. Solches hindert gar nicht zum Sacrament zu gehen, sonst
müßten wir und auch unsere Fürsten nicht zum Sacrament gehen, weil die
Sache zwischen den Papisten kund uns) noch hanget. Befehlt Ihr die Sache
dem Recht, aber dieweil macht Euer Gewissen frei und sprecht: wem das
Recht zufüllet, der habe Recht , unterdeß will ich vergeben dem, der Unrecht
gethan hat und zum Sacrament gehen. So geht Ihr nicht unwürdig hinzu,
weil Ihr Recht begehret und Unrecht leiden wollt, wo es der Richter für
Recht oder Unrecht erkennet. Solche Vermahnung nehmet für gut, die mir
Euer Sohn mit großem Fleiß abgeflehet hat. Hiermit Gott befohlen. Amen.
Mittwoch nach Miser. Dill. 1540.

Martinus Luther.

DaS Original dieses abgeschriebenen Briefes werden meine Kinder neben
andern wichtigen Schriften an seinem Orte finden, denselben als Autographum
des hocherleuchteten, heiligen, an der ganzen Welt wohlverdienten, theuern
Mannes nicht weniger als ich gethan, mit Fleiß aufheben, lieb und werth
halten und ihren Kindern und Kindeskindern zu angenehmem Gefallen ver¬
wahren. —

Diesen Brief hat mein Bruder meinem Vater zu Haus und zu Handen
gebracht. Und damit die Seinen sehen möchten, daß er seiner Eltern Gut
nicht vergeblich angewendet, hat er etliche seiner gemachten (lateinischen) Poemata
gedruckt mitgebracht. Und er hat zu Hause in den nächsten Jahren seinem
Privatstudium mit Fleiß obgelegen. Denn neben anderem zu Rostock, hat er
zu Lübeck auch ein Klagegedicht auf den Märtyrer Christi Doctor RubertuS
Barus drucken lassen,*) wodurch ihm und auch dem Drucker nicht geringe
Tragödie entstanden ist. Denn daS Gedicht ist dem König von England zu¬
gekommen; dieser hat eine Legation an die von Lübeck geschickt, weil das Ge*
dicht von ihrem Buchdrucker Johann Balhorn, gedruckt worden war, und sich
hart darüber beschwert und gedroht. Die Ehrbaren von Lübeck haben den



Hnvl'vo an uvelozia. ILxieoäio» NiU'tM-j OKristi, v. RolzWti Sarns, ^.Ilgli. »utlwrs
^oanns 8s,LtrovW»o. I^ubsoas loi,I. 8. Gegen Heinrich VIII. von England gerichtet, welcher
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Busiris und ähnlichen antiken Charaktern verglichen wird.
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[0027] fährlichen Fürnehmen abzulassen, weil wir keine Stunde des Lebens sicher sind. So hat mich seine kindliche, treue Sorge um Euch, seinen Vater, be¬ wegt, diese Schrift an Euch zu richten und ist meine christliche, brüderliche Vermahnung (wie wir in Christo einander schuldig sind), Ihr wollet von solchem Fürnehmen abstehen und bedenken, daß Gottes Sohn viel mehr ge- gelitten und seinen Kreuzigern vergeben hat. Und zuletzt, wo die Stunde kommt, müsset Ihr do'es vergeben, wie ein Dieb am Galgen vergeben muß. Wenn aber die Sache vor Gericht hängt, so lasset sie fortgehen und wartet auf das Recht. Solches hindert gar nicht zum Sacrament zu gehen, sonst müßten wir und auch unsere Fürsten nicht zum Sacrament gehen, weil die Sache zwischen den Papisten kund uns) noch hanget. Befehlt Ihr die Sache dem Recht, aber dieweil macht Euer Gewissen frei und sprecht: wem das Recht zufüllet, der habe Recht , unterdeß will ich vergeben dem, der Unrecht gethan hat und zum Sacrament gehen. So geht Ihr nicht unwürdig hinzu, weil Ihr Recht begehret und Unrecht leiden wollt, wo es der Richter für Recht oder Unrecht erkennet. Solche Vermahnung nehmet für gut, die mir Euer Sohn mit großem Fleiß abgeflehet hat. Hiermit Gott befohlen. Amen. Mittwoch nach Miser. Dill. 1540. Martinus Luther. DaS Original dieses abgeschriebenen Briefes werden meine Kinder neben andern wichtigen Schriften an seinem Orte finden, denselben als Autographum des hocherleuchteten, heiligen, an der ganzen Welt wohlverdienten, theuern Mannes nicht weniger als ich gethan, mit Fleiß aufheben, lieb und werth halten und ihren Kindern und Kindeskindern zu angenehmem Gefallen ver¬ wahren. — Diesen Brief hat mein Bruder meinem Vater zu Haus und zu Handen gebracht. Und damit die Seinen sehen möchten, daß er seiner Eltern Gut nicht vergeblich angewendet, hat er etliche seiner gemachten (lateinischen) Poemata gedruckt mitgebracht. Und er hat zu Hause in den nächsten Jahren seinem Privatstudium mit Fleiß obgelegen. Denn neben anderem zu Rostock, hat er zu Lübeck auch ein Klagegedicht auf den Märtyrer Christi Doctor RubertuS Barus drucken lassen,*) wodurch ihm und auch dem Drucker nicht geringe Tragödie entstanden ist. Denn daS Gedicht ist dem König von England zu¬ gekommen; dieser hat eine Legation an die von Lübeck geschickt, weil das Ge* dicht von ihrem Buchdrucker Johann Balhorn, gedruckt worden war, und sich hart darüber beschwert und gedroht. Die Ehrbaren von Lübeck haben den Hnvl'vo an uvelozia. ILxieoäio» NiU'tM-j OKristi, v. RolzWti Sarns, ^.Ilgli. »utlwrs ^oanns 8s,LtrovW»o. I^ubsoas loi,I. 8. Gegen Heinrich VIII. von England gerichtet, welcher in erträglichen Distichen und zierlichem Latein ein entmenschtes Scheusal genannt und mit Busiris und ähnlichen antiken Charaktern verglichen wird. 3*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/27>, abgerufen am 26.08.2024.