Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gelegenheit fand, schlechtes Geld theuer zu verkaufen und gutes Geld aus
dem Lande zu ziehen.

Aber die größten Münzlciden brachte Deutschland sich selbst. Zunächst
durch das Bestreben der Münzhcrrn, einen möglichst großen Nutzen aus der
Münze zu ziehen, dann durch die deutschen Territorialverhältnisfe. Wenn der
Landesherr von jeder Mark Silber, welche er zu Gelde umschlug, außer den
Prägungskostcn noch einen Theil für sich zurückbehielt, "den Schlagschatz" --
so mußte er das Geld um ein Beträchtliches schlechter machen, als es nach
dem Münzfuß, zu dem er sich bekannt hatte, sein durfte. Wer vollends keine
Silberbergwerke hatte, der war bei der Unsicherheit der Verkehrswege und den
Preisschwankungen des Handels oft kaum im Stande, das edle Metall von
fernher zu beziehen, er unterlag sehr bald der Versuchung, das geprägte Silber¬
geld seiner Nachbarn aus dem Verkehr zu ziehen, und mit einem größern Zu¬
satz von Kupfer wieder auszumünzen. Und da große Gewissenhaftigkeit in
Eigenthumsfragen überhaupt nicht mit dem ritterlichen Ehrgefühl und der
Religiosität des Mittelalters verbunden war, so hatten die Landesherr" selten
Bedenken ihr Geld schlecht auszuprägen, wenn sie grade in Geldverlegenheit
waren, und dies schlechte Geld später selbst zu verrufen, um sich aus einer
neuen Geldverlegenheit zu befreien. Seit die Söldncrbandcn aufkamen, war
es eine gewöhnliche Praxis, ausgezeichnet schlechtes Geld zu prägen, so oft
die Banden bei ihrer Entlassung den Sold erhielten. Diese Unredlichkeit
wurde überall in Europa geübt, sie wurde aber für Deutschland durch seine
politische Verfassung doppelt nachtheilig. ' Denn die zahlreichen Territorien
lagen stückweis durcheinander, die großen Verkehrsstraßen zogen sich über viele
solchen Souveränetäten hinweg. Auf ihnen floß das Geld in die benachbarten
Landschaften, in jeder Stadt, auf jedem Gebiet lief außer dem Landesgeld
noch daS Gepräge anderer Souveräne in herkömmlichen Course um. Es hatten
aber Hunderte von Grundherrn das Münzrecht. Außer dem Kaiser und den
großen Fürsten, anch viele Grafen und Edelleute, Bischöfe, Aebte, Nonnen
und nächst diesen die Reichsstädte. In diesem bunten Chaos von großen
und kleinen Existenzen, welche ihr Interesse mit rücksichtsloser Selbstsucht gel¬
tend machten, war Ordnung im Ausmünze" natürlich nicht zu erreichen. Denn
verschieden , wie die Gepräge "ud die Namen der Münzen, war auch die Drei¬
stigkeit, mit welcher daS Kupfer dem Silber zugesetzt wurde. Von Zeit zu Zeit
trieb die Noth oder größere Gewissenhaftigkeit einzelne Souveräne oder Ge¬
nossenschaften zu einer Regulirung und zu besserer Prägung, aber da immer
nur einige guten Anfang machten und den meisten der gute Wille und die
Ausdauer fehlten, so vermochten dergleichen Versuche im Ganzen nichts zu
bessern.

Ein solcher Zustand wäre unerträglich gewesen, hätte der Handelsverkehr


Gelegenheit fand, schlechtes Geld theuer zu verkaufen und gutes Geld aus
dem Lande zu ziehen.

Aber die größten Münzlciden brachte Deutschland sich selbst. Zunächst
durch das Bestreben der Münzhcrrn, einen möglichst großen Nutzen aus der
Münze zu ziehen, dann durch die deutschen Territorialverhältnisfe. Wenn der
Landesherr von jeder Mark Silber, welche er zu Gelde umschlug, außer den
Prägungskostcn noch einen Theil für sich zurückbehielt, „den Schlagschatz" —
so mußte er das Geld um ein Beträchtliches schlechter machen, als es nach
dem Münzfuß, zu dem er sich bekannt hatte, sein durfte. Wer vollends keine
Silberbergwerke hatte, der war bei der Unsicherheit der Verkehrswege und den
Preisschwankungen des Handels oft kaum im Stande, das edle Metall von
fernher zu beziehen, er unterlag sehr bald der Versuchung, das geprägte Silber¬
geld seiner Nachbarn aus dem Verkehr zu ziehen, und mit einem größern Zu¬
satz von Kupfer wieder auszumünzen. Und da große Gewissenhaftigkeit in
Eigenthumsfragen überhaupt nicht mit dem ritterlichen Ehrgefühl und der
Religiosität des Mittelalters verbunden war, so hatten die Landesherr« selten
Bedenken ihr Geld schlecht auszuprägen, wenn sie grade in Geldverlegenheit
waren, und dies schlechte Geld später selbst zu verrufen, um sich aus einer
neuen Geldverlegenheit zu befreien. Seit die Söldncrbandcn aufkamen, war
es eine gewöhnliche Praxis, ausgezeichnet schlechtes Geld zu prägen, so oft
die Banden bei ihrer Entlassung den Sold erhielten. Diese Unredlichkeit
wurde überall in Europa geübt, sie wurde aber für Deutschland durch seine
politische Verfassung doppelt nachtheilig. ' Denn die zahlreichen Territorien
lagen stückweis durcheinander, die großen Verkehrsstraßen zogen sich über viele
solchen Souveränetäten hinweg. Auf ihnen floß das Geld in die benachbarten
Landschaften, in jeder Stadt, auf jedem Gebiet lief außer dem Landesgeld
noch daS Gepräge anderer Souveräne in herkömmlichen Course um. Es hatten
aber Hunderte von Grundherrn das Münzrecht. Außer dem Kaiser und den
großen Fürsten, anch viele Grafen und Edelleute, Bischöfe, Aebte, Nonnen
und nächst diesen die Reichsstädte. In diesem bunten Chaos von großen
und kleinen Existenzen, welche ihr Interesse mit rücksichtsloser Selbstsucht gel¬
tend machten, war Ordnung im Ausmünze» natürlich nicht zu erreichen. Denn
verschieden , wie die Gepräge »ud die Namen der Münzen, war auch die Drei¬
stigkeit, mit welcher daS Kupfer dem Silber zugesetzt wurde. Von Zeit zu Zeit
trieb die Noth oder größere Gewissenhaftigkeit einzelne Souveräne oder Ge¬
nossenschaften zu einer Regulirung und zu besserer Prägung, aber da immer
nur einige guten Anfang machten und den meisten der gute Wille und die
Ausdauer fehlten, so vermochten dergleichen Versuche im Ganzen nichts zu
bessern.

Ein solcher Zustand wäre unerträglich gewesen, hätte der Handelsverkehr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104415"/>
          <p xml:id="ID_576" prev="#ID_575"> Gelegenheit fand, schlechtes Geld theuer zu verkaufen und gutes Geld aus<lb/>
dem Lande zu ziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_577"> Aber die größten Münzlciden brachte Deutschland sich selbst. Zunächst<lb/>
durch das Bestreben der Münzhcrrn, einen möglichst großen Nutzen aus der<lb/>
Münze zu ziehen, dann durch die deutschen Territorialverhältnisfe. Wenn der<lb/>
Landesherr von jeder Mark Silber, welche er zu Gelde umschlug, außer den<lb/>
Prägungskostcn noch einen Theil für sich zurückbehielt, &#x201E;den Schlagschatz" &#x2014;<lb/>
so mußte er das Geld um ein Beträchtliches schlechter machen, als es nach<lb/>
dem Münzfuß, zu dem er sich bekannt hatte, sein durfte. Wer vollends keine<lb/>
Silberbergwerke hatte, der war bei der Unsicherheit der Verkehrswege und den<lb/>
Preisschwankungen des Handels oft kaum im Stande, das edle Metall von<lb/>
fernher zu beziehen, er unterlag sehr bald der Versuchung, das geprägte Silber¬<lb/>
geld seiner Nachbarn aus dem Verkehr zu ziehen, und mit einem größern Zu¬<lb/>
satz von Kupfer wieder auszumünzen. Und da große Gewissenhaftigkeit in<lb/>
Eigenthumsfragen überhaupt nicht mit dem ritterlichen Ehrgefühl und der<lb/>
Religiosität des Mittelalters verbunden war, so hatten die Landesherr« selten<lb/>
Bedenken ihr Geld schlecht auszuprägen, wenn sie grade in Geldverlegenheit<lb/>
waren, und dies schlechte Geld später selbst zu verrufen, um sich aus einer<lb/>
neuen Geldverlegenheit zu befreien. Seit die Söldncrbandcn aufkamen, war<lb/>
es eine gewöhnliche Praxis, ausgezeichnet schlechtes Geld zu prägen, so oft<lb/>
die Banden bei ihrer Entlassung den Sold erhielten. Diese Unredlichkeit<lb/>
wurde überall in Europa geübt, sie wurde aber für Deutschland durch seine<lb/>
politische Verfassung doppelt nachtheilig. ' Denn die zahlreichen Territorien<lb/>
lagen stückweis durcheinander, die großen Verkehrsstraßen zogen sich über viele<lb/>
solchen Souveränetäten hinweg. Auf ihnen floß das Geld in die benachbarten<lb/>
Landschaften, in jeder Stadt, auf jedem Gebiet lief außer dem Landesgeld<lb/>
noch daS Gepräge anderer Souveräne in herkömmlichen Course um. Es hatten<lb/>
aber Hunderte von Grundherrn das Münzrecht. Außer dem Kaiser und den<lb/>
großen Fürsten, anch viele Grafen und Edelleute, Bischöfe, Aebte, Nonnen<lb/>
und nächst diesen die Reichsstädte. In diesem bunten Chaos von großen<lb/>
und kleinen Existenzen, welche ihr Interesse mit rücksichtsloser Selbstsucht gel¬<lb/>
tend machten, war Ordnung im Ausmünze» natürlich nicht zu erreichen. Denn<lb/>
verschieden , wie die Gepräge »ud die Namen der Münzen, war auch die Drei¬<lb/>
stigkeit, mit welcher daS Kupfer dem Silber zugesetzt wurde. Von Zeit zu Zeit<lb/>
trieb die Noth oder größere Gewissenhaftigkeit einzelne Souveräne oder Ge¬<lb/>
nossenschaften zu einer Regulirung und zu besserer Prägung, aber da immer<lb/>
nur einige guten Anfang machten und den meisten der gute Wille und die<lb/>
Ausdauer fehlten, so vermochten dergleichen Versuche im Ganzen nichts zu<lb/>
bessern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_578" next="#ID_579"> Ein solcher Zustand wäre unerträglich gewesen, hätte der Handelsverkehr</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0214] Gelegenheit fand, schlechtes Geld theuer zu verkaufen und gutes Geld aus dem Lande zu ziehen. Aber die größten Münzlciden brachte Deutschland sich selbst. Zunächst durch das Bestreben der Münzhcrrn, einen möglichst großen Nutzen aus der Münze zu ziehen, dann durch die deutschen Territorialverhältnisfe. Wenn der Landesherr von jeder Mark Silber, welche er zu Gelde umschlug, außer den Prägungskostcn noch einen Theil für sich zurückbehielt, „den Schlagschatz" — so mußte er das Geld um ein Beträchtliches schlechter machen, als es nach dem Münzfuß, zu dem er sich bekannt hatte, sein durfte. Wer vollends keine Silberbergwerke hatte, der war bei der Unsicherheit der Verkehrswege und den Preisschwankungen des Handels oft kaum im Stande, das edle Metall von fernher zu beziehen, er unterlag sehr bald der Versuchung, das geprägte Silber¬ geld seiner Nachbarn aus dem Verkehr zu ziehen, und mit einem größern Zu¬ satz von Kupfer wieder auszumünzen. Und da große Gewissenhaftigkeit in Eigenthumsfragen überhaupt nicht mit dem ritterlichen Ehrgefühl und der Religiosität des Mittelalters verbunden war, so hatten die Landesherr« selten Bedenken ihr Geld schlecht auszuprägen, wenn sie grade in Geldverlegenheit waren, und dies schlechte Geld später selbst zu verrufen, um sich aus einer neuen Geldverlegenheit zu befreien. Seit die Söldncrbandcn aufkamen, war es eine gewöhnliche Praxis, ausgezeichnet schlechtes Geld zu prägen, so oft die Banden bei ihrer Entlassung den Sold erhielten. Diese Unredlichkeit wurde überall in Europa geübt, sie wurde aber für Deutschland durch seine politische Verfassung doppelt nachtheilig. ' Denn die zahlreichen Territorien lagen stückweis durcheinander, die großen Verkehrsstraßen zogen sich über viele solchen Souveränetäten hinweg. Auf ihnen floß das Geld in die benachbarten Landschaften, in jeder Stadt, auf jedem Gebiet lief außer dem Landesgeld noch daS Gepräge anderer Souveräne in herkömmlichen Course um. Es hatten aber Hunderte von Grundherrn das Münzrecht. Außer dem Kaiser und den großen Fürsten, anch viele Grafen und Edelleute, Bischöfe, Aebte, Nonnen und nächst diesen die Reichsstädte. In diesem bunten Chaos von großen und kleinen Existenzen, welche ihr Interesse mit rücksichtsloser Selbstsucht gel¬ tend machten, war Ordnung im Ausmünze» natürlich nicht zu erreichen. Denn verschieden , wie die Gepräge »ud die Namen der Münzen, war auch die Drei¬ stigkeit, mit welcher daS Kupfer dem Silber zugesetzt wurde. Von Zeit zu Zeit trieb die Noth oder größere Gewissenhaftigkeit einzelne Souveräne oder Ge¬ nossenschaften zu einer Regulirung und zu besserer Prägung, aber da immer nur einige guten Anfang machten und den meisten der gute Wille und die Ausdauer fehlten, so vermochten dergleichen Versuche im Ganzen nichts zu bessern. Ein solcher Zustand wäre unerträglich gewesen, hätte der Handelsverkehr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/214
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/214>, abgerufen am 12.12.2024.