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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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ob die Leute früher Eisenbahnsahrten für unmöglich gehalten haben, (denn
solcher Art sind seine ar^umönw s.6 nominsin); es kommt nur daraus an, ob
etwas nach den Prämissen, welche die Naturwissenschaften geliefert haben,
logisch denkbar ist oder nicht. Hierüber brauchen wir uns mit Wagner nicht
weiter zu streiten, denn er weiß keine Kraft zu nennen, welche daS Wasser
so hoch hätte heben können-(S. 632). Die Emportreibung deS Wassers durch
unterirdische Kräfte will er selbst nicht gelten lassen, das Hinaufziehen durch
andere Weltkörper ist undenkbar, und da bleibt ihm denn nichts Anderes übrig,
als unmittelbar auf Gottes Willen zu recurriren. Das heißt aber wenigstens
nicht die Möglichkeit der Sündflut physikalisch erklären.

Daß die Sündflut 15 Ellen über die höchsten Berge gegangen, sagt er
ferner, das habe Noah wol von demselben erfahren können, der ihn die Arche
hätte bauen heißen. Man sieht zwar nicht ein, warum Noah, der die Höhe
der höchsten Berge nicht kannte, dies grade erfahren mußte, aber hierin müssen
wir uns bescheiden. Befremdender sind die folgenden Sätze: "Noch ist zu
bemerken, daß die Höhe der Sündflut nur dann so übertrieben erscheint,
wenn wir sie nach dem Maßstabe unseres eignen Leibes messen, während sie
im Verhältnisse zur ganzen Erdmasse -- eine unbedeutende Zugabe ausmacht.
So steht die Flut zur Erdmasse in keinem größeren Verhältnisse als allgemein
profuse Schweiße zur Körpermasse des Menschen. Wenn der Lebensproceß
diese in solchem Maße aus dem Innern hervortreiben kann, warum nicht der
chemische oder physikalische Proceß einer Wasserproduction über die ganze Erd¬
oberfläche? Das eine ist am Ende ebenso leicht oder so schwer als das andere
thunlich und erklärlich" (S. 324). Man muß wirklich mit allen Gründen zu
Ende sein, wenn man zu solchen unverantwortlichen Analogien greift!

Bei den geologischen Bemerkungen erfahren wir ferner, daß die Sündflut
keine deutlichen Spuren auf der Erde zurückgelassen habe und der Verfasser
läßt sich an der Erstrebung des negativen Beweises genügen, daß die Geologie
daS Dagewesensein der Sündflut nicht gradezu negirt.

Wie Noah die verschiedenen Thiere habe sammeln und in die Arche bringen
können, ist eine weitere erhebliche Schwierigkeit, der Verfasser beseitigt sie aber
leicht durch die Behauptung, daß sich die Thiere bis dahin noch gar nicht
über die Erde zerstreut hätten, die Arche meint er ferner, wäre auch gar nicht
zu klein für alle Thiere gewesen, denn man werde (!) zu der Ueberzeugung kom¬
men, daß viele vermeintliche Thierarten nur Spielarten seien (ursprünglich
von einem Paare abstammten); eS seien auch nicht lauter erwachsene Thiere
nöthig gewesen, sondern zum Theil hätten Junge, ja selbst Eier mitgenommen
werden können.

"Man hat auch die Besorgniß gehegt, fährt er fort, daß die Fleischfresser
einen großen Theil der Arten vernichtet haben möchten; nimmt man die er-


ob die Leute früher Eisenbahnsahrten für unmöglich gehalten haben, (denn
solcher Art sind seine ar^umönw s.6 nominsin); es kommt nur daraus an, ob
etwas nach den Prämissen, welche die Naturwissenschaften geliefert haben,
logisch denkbar ist oder nicht. Hierüber brauchen wir uns mit Wagner nicht
weiter zu streiten, denn er weiß keine Kraft zu nennen, welche daS Wasser
so hoch hätte heben können-(S. 632). Die Emportreibung deS Wassers durch
unterirdische Kräfte will er selbst nicht gelten lassen, das Hinaufziehen durch
andere Weltkörper ist undenkbar, und da bleibt ihm denn nichts Anderes übrig,
als unmittelbar auf Gottes Willen zu recurriren. Das heißt aber wenigstens
nicht die Möglichkeit der Sündflut physikalisch erklären.

Daß die Sündflut 15 Ellen über die höchsten Berge gegangen, sagt er
ferner, das habe Noah wol von demselben erfahren können, der ihn die Arche
hätte bauen heißen. Man sieht zwar nicht ein, warum Noah, der die Höhe
der höchsten Berge nicht kannte, dies grade erfahren mußte, aber hierin müssen
wir uns bescheiden. Befremdender sind die folgenden Sätze: „Noch ist zu
bemerken, daß die Höhe der Sündflut nur dann so übertrieben erscheint,
wenn wir sie nach dem Maßstabe unseres eignen Leibes messen, während sie
im Verhältnisse zur ganzen Erdmasse — eine unbedeutende Zugabe ausmacht.
So steht die Flut zur Erdmasse in keinem größeren Verhältnisse als allgemein
profuse Schweiße zur Körpermasse des Menschen. Wenn der Lebensproceß
diese in solchem Maße aus dem Innern hervortreiben kann, warum nicht der
chemische oder physikalische Proceß einer Wasserproduction über die ganze Erd¬
oberfläche? Das eine ist am Ende ebenso leicht oder so schwer als das andere
thunlich und erklärlich" (S. 324). Man muß wirklich mit allen Gründen zu
Ende sein, wenn man zu solchen unverantwortlichen Analogien greift!

Bei den geologischen Bemerkungen erfahren wir ferner, daß die Sündflut
keine deutlichen Spuren auf der Erde zurückgelassen habe und der Verfasser
läßt sich an der Erstrebung des negativen Beweises genügen, daß die Geologie
daS Dagewesensein der Sündflut nicht gradezu negirt.

Wie Noah die verschiedenen Thiere habe sammeln und in die Arche bringen
können, ist eine weitere erhebliche Schwierigkeit, der Verfasser beseitigt sie aber
leicht durch die Behauptung, daß sich die Thiere bis dahin noch gar nicht
über die Erde zerstreut hätten, die Arche meint er ferner, wäre auch gar nicht
zu klein für alle Thiere gewesen, denn man werde (!) zu der Ueberzeugung kom¬
men, daß viele vermeintliche Thierarten nur Spielarten seien (ursprünglich
von einem Paare abstammten); eS seien auch nicht lauter erwachsene Thiere
nöthig gewesen, sondern zum Theil hätten Junge, ja selbst Eier mitgenommen
werden können.

„Man hat auch die Besorgniß gehegt, fährt er fort, daß die Fleischfresser
einen großen Theil der Arten vernichtet haben möchten; nimmt man die er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/204>, abgerufen am 26.06.2024.