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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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wirthschaft in Italien besprochen worden. Ein interessantes Gegenbild zu den
Schilderungen dieser Latifundien ist uns in der Schrift deö alten Cato "von
der Landwirthschaft" erhalten, die, obwol in verstümmelter und entstellter Ge¬
stalt, noch eristirt. Sie versetzt uns in eine Zeit, wo freilich der Ackerbau in
Italien schon zu versallen angefangen hatte und der kleine Grundbesitz mehr
und mehr von größern Gütercompleren verschlungen wurde; immer aber galt
damals noch als oberster Grundsatz der Landwirthschaft, daß der Herr stärker
sein müsse als das Gut; denn er habe mit ihm zu ringen, und wenn es ihm
zu mächtig werde, nehme er Schaden. Ein schlecht bebautes großes Gut
trage weniger ein, als ein trefflich bebautes kleines. Cato, sieben Jahre nach
dem Ende deS ersten punischen Krieges (234 v. Chr.) geboren, wuchs in har¬
ter Arbeit auf dem sabinischen Bauergut auf, das er von seinem Vater geerbt
hatte. Der siebzehnjährige Jüngling sah die Dörfer und Höfe Mittel- und
Unteritaliens von 'der siegreichen Armee Hannibals verwüsten und in Flammen
auflodern, und der einundachtzigjährige Greis schied mit der Genugthuung
aus dem Leben, daß der von ihm unablässig verlangte Vernichtungskrieg gegen
Karthago beschlossen war (149 v. Chr). Dieser Mann "von altem Schrot und
Korn" war durch und durch eine Bauernnatur: seine staatsmännische Wirk¬
samkeit und ihren Einfluß hat Mommsen treffend geschildert; nicht minder
gerade, derb, tüchtig hart, zäh und bornirt, als im öffentlichen Leben erscheint
er in seinen Privatverhältnissen. Sparen und erwerben gehörte ihm zu den ersten
Pflichten des Mannes, wie er sein sollte; sein Eigenthum zu vermindern, hieß
es in den Ermahnungen an seinen Sohn, schickt sich nicht für einen Mann,
sondern höchstens für ein verwittwetes Weib, und der Mann sei wahren Ruhms
und wahrer Bewunderung werth, dessen Bücher mehr selbsterworbenes als über¬
kommenes Vermögen nachwiesen. Sein Lob des Ackerbaues in der Einleitung
seiner Schrift ist charakteristisch. "Es kann zuweilen gut sein, durch Handel¬
schaft Erwerb zu suchen, wenn es nicht gefährlich ist, und desgleichen auf
Zins zu leihen, wenn es anständig ist, denn unsere Vorfahren haben es so
gehalten und so in ihre Gesetze gestellt, daß der Dieb zum Zwiefachen verur¬
theilt werden soll, aber der Wucherer zum Vierhänder. Um wie viel schlimmer
sie den Wucherer achteten als den Dieb, kann man hiernach ermessen. Und
wenn sie einen wackern Mann lobten, lobten sie ihn als einen guten
Landbauer und guten Ackerwirth. Wer also gelobt ward, der hielt sich am
höchsten gelobt. Einen Kaufmann achte ich zwar als rüstig und eifrig zum
Erwerb, aber wie ich eben gesagt habe, es ist voll Gefahr und Verlust.
Aber von den Ackerbauern stammen die wackersten Männer und rüstigsten Kriegs¬
leute und eS ist der frömmste und beständigste und am wenigsten verhaßte Er¬
werb, und die darin thätig sind, denken am wenigsten Uebles."

Nach diesem Lobe des Ackerbaues wird man vielleicht mit einiger Ver-


wirthschaft in Italien besprochen worden. Ein interessantes Gegenbild zu den
Schilderungen dieser Latifundien ist uns in der Schrift deö alten Cato „von
der Landwirthschaft" erhalten, die, obwol in verstümmelter und entstellter Ge¬
stalt, noch eristirt. Sie versetzt uns in eine Zeit, wo freilich der Ackerbau in
Italien schon zu versallen angefangen hatte und der kleine Grundbesitz mehr
und mehr von größern Gütercompleren verschlungen wurde; immer aber galt
damals noch als oberster Grundsatz der Landwirthschaft, daß der Herr stärker
sein müsse als das Gut; denn er habe mit ihm zu ringen, und wenn es ihm
zu mächtig werde, nehme er Schaden. Ein schlecht bebautes großes Gut
trage weniger ein, als ein trefflich bebautes kleines. Cato, sieben Jahre nach
dem Ende deS ersten punischen Krieges (234 v. Chr.) geboren, wuchs in har¬
ter Arbeit auf dem sabinischen Bauergut auf, das er von seinem Vater geerbt
hatte. Der siebzehnjährige Jüngling sah die Dörfer und Höfe Mittel- und
Unteritaliens von 'der siegreichen Armee Hannibals verwüsten und in Flammen
auflodern, und der einundachtzigjährige Greis schied mit der Genugthuung
aus dem Leben, daß der von ihm unablässig verlangte Vernichtungskrieg gegen
Karthago beschlossen war (149 v. Chr). Dieser Mann „von altem Schrot und
Korn" war durch und durch eine Bauernnatur: seine staatsmännische Wirk¬
samkeit und ihren Einfluß hat Mommsen treffend geschildert; nicht minder
gerade, derb, tüchtig hart, zäh und bornirt, als im öffentlichen Leben erscheint
er in seinen Privatverhältnissen. Sparen und erwerben gehörte ihm zu den ersten
Pflichten des Mannes, wie er sein sollte; sein Eigenthum zu vermindern, hieß
es in den Ermahnungen an seinen Sohn, schickt sich nicht für einen Mann,
sondern höchstens für ein verwittwetes Weib, und der Mann sei wahren Ruhms
und wahrer Bewunderung werth, dessen Bücher mehr selbsterworbenes als über¬
kommenes Vermögen nachwiesen. Sein Lob des Ackerbaues in der Einleitung
seiner Schrift ist charakteristisch. „Es kann zuweilen gut sein, durch Handel¬
schaft Erwerb zu suchen, wenn es nicht gefährlich ist, und desgleichen auf
Zins zu leihen, wenn es anständig ist, denn unsere Vorfahren haben es so
gehalten und so in ihre Gesetze gestellt, daß der Dieb zum Zwiefachen verur¬
theilt werden soll, aber der Wucherer zum Vierhänder. Um wie viel schlimmer
sie den Wucherer achteten als den Dieb, kann man hiernach ermessen. Und
wenn sie einen wackern Mann lobten, lobten sie ihn als einen guten
Landbauer und guten Ackerwirth. Wer also gelobt ward, der hielt sich am
höchsten gelobt. Einen Kaufmann achte ich zwar als rüstig und eifrig zum
Erwerb, aber wie ich eben gesagt habe, es ist voll Gefahr und Verlust.
Aber von den Ackerbauern stammen die wackersten Männer und rüstigsten Kriegs¬
leute und eS ist der frömmste und beständigste und am wenigsten verhaßte Er¬
werb, und die darin thätig sind, denken am wenigsten Uebles."

Nach diesem Lobe des Ackerbaues wird man vielleicht mit einiger Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/141>, abgerufen am 01.07.2024.