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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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unerträglich, wenn er nicht etwas von jener Anmuth besäße, welche dem Dich¬
ter des Candide auch die schlechteste Welt genießbar macht.

Seine italienischen Eindrücke hat er in drei Schriften geschildert: Kome,
Rsples et ?lorenoe (1817); ?romer>Ä<les altus Kons (1829), und IVIemoires
ä'un wurists (1839). In diesen Reisebildern lernt man sein Talent am
besten schätzen. Sie sind zwar voll von Paradorien, aber sie gehen wenig¬
stens nicht daraus aus, das Zusammenhanglose in ein System zu bringen;
und die anmuthige Nachlässigkeit der Form entspricht dies Mal dem Gegen¬
stand. Er hat für das italienische Volk und sein Leben eine leidenschaftliche
Vorliebe. I^g, clouee volupte oivilisa, l'ltalis, la voluple, mere ckss Art", et
urü<iuL source "Zu boulieur. Daß diese Lust das Mark des Volks ausgehöhlt
und ihm seine historische Stellung genommen hat, irrt ihn nicht, denn was
über die sinnliche Idee hinausgeht, entzieht sich seinem Verständniß und die
ganze Geschichte erscheint ihm als ein Gewebe von Abgeschmacktheiten; aber
im Einzelnen wird man durch die feinsten Bemerkungen überrascht; und in der
That gab ihm seine Stellung inmitten der ersten Gesellschaft die beste Ge¬
legenheit zu Beobachtungen. Die Franzosen sind ihm zuwider. Jeder Fran¬
zose hat Furcht vor dem, was sein Nachbar sagen wird, vor seinem Spott,
vor seiner Kritik. Keiner wagt es, wahr und ganz zu sein. Sie sind des
Glücks wie deS Unglücks gleich unfähig. In Italien lebt jeder für sich, wie
die Natur eS ihm eingibt, ohne Vorurtheile, ohne sittliche Bande, mit leb¬
hafter Neugier jedem frischen Eindruck zugänglich, durch keine Rücksicht in
seinen Leidenschaften gehemmt. I.es leinenes, en ltalie, avec l'ame cke den que
le ciel leur a äonnee, recoivent uns eclueatlon qui consiste g. peu pres
uniczuement ckans is, rllU8l<zus et uns ciuantlte ac momeriö8 reli^ieuses;
le point capitg.1, e'est eine, l^nein^ne peen^ am'on eommeUe, en s'en von-
tessant it u'en reste pas ac trace. In den beiden ersten Schriften wer¬
den diese Beobachtungen heiter und lebendig vorgetragen, in der dritten
ist er verstimmt und seine Satire hat etwas Erkünsteltes. Wie sehr er
seine Geringschätzung der Franzosen zur Schau trägt, man merkt ihm grade
wie dem Grafen de Maistre an, daß er nur für Pariser schreibt. Die Heftig¬
keit macht ihn zuweilen sehr witzig. Da die großen Leidenschaften der guten
Gesellschaft aus der Mode gekommen sind, so hat er das Unglück, nur dann
an die Leidenschaft zu glauben, wenn sie zu lächerlichen Handlungen führt.
I^e bon ton consiste ahsel? en I^ranee u, rappeler sans cesse, et'une maniere
naturelle en apparence, yue l'on ne ckaiKne prenclre interet u rien. Jeder
Franzose fragt seinen Nachbar um ein Gutachten, ob er sich amüsirt und
glücklich ist. I^g, eraints "Zu riäioule, nee cke la monsrctüe et ne l'intluence
et'une cour, ne tue pas seulement le ssenie clef srts, eile tue les caracteres
xersoulls u'osant plus cers sol. Rous voilti clovL reclults aux bondeurs e,


unerträglich, wenn er nicht etwas von jener Anmuth besäße, welche dem Dich¬
ter des Candide auch die schlechteste Welt genießbar macht.

Seine italienischen Eindrücke hat er in drei Schriften geschildert: Kome,
Rsples et ?lorenoe (1817); ?romer>Ä<les altus Kons (1829), und IVIemoires
ä'un wurists (1839). In diesen Reisebildern lernt man sein Talent am
besten schätzen. Sie sind zwar voll von Paradorien, aber sie gehen wenig¬
stens nicht daraus aus, das Zusammenhanglose in ein System zu bringen;
und die anmuthige Nachlässigkeit der Form entspricht dies Mal dem Gegen¬
stand. Er hat für das italienische Volk und sein Leben eine leidenschaftliche
Vorliebe. I^g, clouee volupte oivilisa, l'ltalis, la voluple, mere ckss Art«, et
urü<iuL source «Zu boulieur. Daß diese Lust das Mark des Volks ausgehöhlt
und ihm seine historische Stellung genommen hat, irrt ihn nicht, denn was
über die sinnliche Idee hinausgeht, entzieht sich seinem Verständniß und die
ganze Geschichte erscheint ihm als ein Gewebe von Abgeschmacktheiten; aber
im Einzelnen wird man durch die feinsten Bemerkungen überrascht; und in der
That gab ihm seine Stellung inmitten der ersten Gesellschaft die beste Ge¬
legenheit zu Beobachtungen. Die Franzosen sind ihm zuwider. Jeder Fran¬
zose hat Furcht vor dem, was sein Nachbar sagen wird, vor seinem Spott,
vor seiner Kritik. Keiner wagt es, wahr und ganz zu sein. Sie sind des
Glücks wie deS Unglücks gleich unfähig. In Italien lebt jeder für sich, wie
die Natur eS ihm eingibt, ohne Vorurtheile, ohne sittliche Bande, mit leb¬
hafter Neugier jedem frischen Eindruck zugänglich, durch keine Rücksicht in
seinen Leidenschaften gehemmt. I.es leinenes, en ltalie, avec l'ame cke den que
le ciel leur a äonnee, recoivent uns eclueatlon qui consiste g. peu pres
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le point capitg.1, e'est eine, l^nein^ne peen^ am'on eommeUe, en s'en von-
tessant it u'en reste pas ac trace. In den beiden ersten Schriften wer¬
den diese Beobachtungen heiter und lebendig vorgetragen, in der dritten
ist er verstimmt und seine Satire hat etwas Erkünsteltes. Wie sehr er
seine Geringschätzung der Franzosen zur Schau trägt, man merkt ihm grade
wie dem Grafen de Maistre an, daß er nur für Pariser schreibt. Die Heftig¬
keit macht ihn zuweilen sehr witzig. Da die großen Leidenschaften der guten
Gesellschaft aus der Mode gekommen sind, so hat er das Unglück, nur dann
an die Leidenschaft zu glauben, wenn sie zu lächerlichen Handlungen führt.
I^e bon ton consiste ahsel? en I^ranee u, rappeler sans cesse, et'une maniere
naturelle en apparence, yue l'on ne ckaiKne prenclre interet u rien. Jeder
Franzose fragt seinen Nachbar um ein Gutachten, ob er sich amüsirt und
glücklich ist. I^g, eraints «Zu riäioule, nee cke la monsrctüe et ne l'intluence
et'une cour, ne tue pas seulement le ssenie clef srts, eile tue les caracteres
xersoulls u'osant plus cers sol. Rous voilti clovL reclults aux bondeurs e,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/114>, abgerufen am 25.08.2024.