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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Theil nimmt, so wie dies in einigermaßen großem Umfang sich ereignet, da
nun die in Masse zu ihr zurückkehrenden Papiere plötzlich einen erschreckenden
Rückgang nehmen. Eine solche Geschäftsphase haben wir am Ende des vorigen
und im Beginn dieses Jahres erlebt.

'Die durch den Fondshandel veranlaßte Capitalbewegung ist wesentlich
ein aus vielen kleinen Quellen zusammenströmender Abfluß von Geld in die
Kassen derer, welche durch ungeheure Capitalien die Börsen beherrschen. So
wie das ganze Fondsgeschäft dem Hazardspiele am nächsten steht, das auch
eine Capitalbewegung aus den Taschen der Spieler in die der Bankunternehmer
veranlaßt, so wird 'in der Regel der glückliche Fondsspcculant mehr haben,
der unglückliche seinen Verlust wieder gut machen wollen, beide aber in der
Regel mit dem Ruin enden. Wo immer das Fondsgeschäft eine alle andern
Thätigkeiten überwuchernde Betheiligung erlangt hat, da ist wirthschaftliche oder
politische Versumpfung. Wir sehen das z. B. in erschreckendem Maße jetzt in
Paris. In denjenigen Kreisen dagegen, wo ein gesunder, mit Thätigkeit und
verständigem Unternehmungsgeist gepaarter Geschäftssinn vorherrscht, da ist auch
der Fondshandel nur auf eine Nebenrolle verwiesen. Wir haben schon er¬
wähnt, wie sorgsam der eigentliche Kaufmann ihm aus dem Wege geht, und
nicht anders ist es in den Handelsplätzen selbst, wo entweder, wie in London,
Waaren- und FondSgeschäfte streng voneinander geschieden sind, oder wie in
Hamburg, wo letzteres überhaupt nur eine untergeordnete Rolle spielt. Da¬
gegen da, wo infolge eines nicht eigentlich geschäftlichen Verkehrs sich
größere Capitalien sammeln, wie in der Hauptstadt des preußischen Reichs,
oder in Frankfurt a. M., dessen Waarenverkehr mit den früher gewonnenen
und ererbten Reichthümern nicht Schritt gehalten, da gelangt der Fvndshandel
zu einer größern Beveutung. Wie scharf der Gegensatz zwischen den Inter¬
essen deö Fonds- und denen des Waarenhandels ist, daS konnte man im Laufe
der letztvergangenen Zeiten erkennen, als durch die vielen von den neuen
Bankunternehmungen in Anspruch genommenen Capitalien der Disconto eine
so außerordentliche Höhe erreichte.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so darf man wol mit Recht schließen,
daß die Fondsbörsen, wenn auch nach den bestehenden Verhältnissen ein noth¬
wendiges, doch immerhin ein Uebel sind. Ein Uebel für die Staaten, deren
schlechte Finanzwirthschaft sie begünstigt haben, ein Uebel für den Privatverkehr,
indem sie den Unternehmungsgeist in ganz falsche Bahnen lenken. Man kann
unsers Erachtens manche der täglichen "Börsenberichte" nicht ohne einen ge¬
wissen Anflug von Heiterkeit lesen, wenn man wahrnimmt, mit welcher Wich¬
tigkeit, in welch gespreizten Tone die betreffenden höchst kleinlichen Vorgänge
besprochen werden und der Versuch gemacht wird, aus dem Zusammengerathen
der allerkünstlichsten Vorgänge und Absichten, aus den unverständigsten Auf-


Theil nimmt, so wie dies in einigermaßen großem Umfang sich ereignet, da
nun die in Masse zu ihr zurückkehrenden Papiere plötzlich einen erschreckenden
Rückgang nehmen. Eine solche Geschäftsphase haben wir am Ende des vorigen
und im Beginn dieses Jahres erlebt.

'Die durch den Fondshandel veranlaßte Capitalbewegung ist wesentlich
ein aus vielen kleinen Quellen zusammenströmender Abfluß von Geld in die
Kassen derer, welche durch ungeheure Capitalien die Börsen beherrschen. So
wie das ganze Fondsgeschäft dem Hazardspiele am nächsten steht, das auch
eine Capitalbewegung aus den Taschen der Spieler in die der Bankunternehmer
veranlaßt, so wird 'in der Regel der glückliche Fondsspcculant mehr haben,
der unglückliche seinen Verlust wieder gut machen wollen, beide aber in der
Regel mit dem Ruin enden. Wo immer das Fondsgeschäft eine alle andern
Thätigkeiten überwuchernde Betheiligung erlangt hat, da ist wirthschaftliche oder
politische Versumpfung. Wir sehen das z. B. in erschreckendem Maße jetzt in
Paris. In denjenigen Kreisen dagegen, wo ein gesunder, mit Thätigkeit und
verständigem Unternehmungsgeist gepaarter Geschäftssinn vorherrscht, da ist auch
der Fondshandel nur auf eine Nebenrolle verwiesen. Wir haben schon er¬
wähnt, wie sorgsam der eigentliche Kaufmann ihm aus dem Wege geht, und
nicht anders ist es in den Handelsplätzen selbst, wo entweder, wie in London,
Waaren- und FondSgeschäfte streng voneinander geschieden sind, oder wie in
Hamburg, wo letzteres überhaupt nur eine untergeordnete Rolle spielt. Da¬
gegen da, wo infolge eines nicht eigentlich geschäftlichen Verkehrs sich
größere Capitalien sammeln, wie in der Hauptstadt des preußischen Reichs,
oder in Frankfurt a. M., dessen Waarenverkehr mit den früher gewonnenen
und ererbten Reichthümern nicht Schritt gehalten, da gelangt der Fvndshandel
zu einer größern Beveutung. Wie scharf der Gegensatz zwischen den Inter¬
essen deö Fonds- und denen des Waarenhandels ist, daS konnte man im Laufe
der letztvergangenen Zeiten erkennen, als durch die vielen von den neuen
Bankunternehmungen in Anspruch genommenen Capitalien der Disconto eine
so außerordentliche Höhe erreichte.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so darf man wol mit Recht schließen,
daß die Fondsbörsen, wenn auch nach den bestehenden Verhältnissen ein noth¬
wendiges, doch immerhin ein Uebel sind. Ein Uebel für die Staaten, deren
schlechte Finanzwirthschaft sie begünstigt haben, ein Uebel für den Privatverkehr,
indem sie den Unternehmungsgeist in ganz falsche Bahnen lenken. Man kann
unsers Erachtens manche der täglichen „Börsenberichte" nicht ohne einen ge¬
wissen Anflug von Heiterkeit lesen, wenn man wahrnimmt, mit welcher Wich¬
tigkeit, in welch gespreizten Tone die betreffenden höchst kleinlichen Vorgänge
besprochen werden und der Versuch gemacht wird, aus dem Zusammengerathen
der allerkünstlichsten Vorgänge und Absichten, aus den unverständigsten Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/106>, abgerufen am 03.07.2024.