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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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nachdem er sich die letzten Stationen mühsam mit 12 bis 16 Pferden fort¬
geschleppt hat.

Auf der Landstraße haben wir jetzt Gelegenheit, die Bewohner der Mol¬
dau zu beobachten und das eigentliche Thema dieser Blätter, den Menschen
in jenen wenig bekannten Gegenden, ausschließlich vorzunehmen. Es naht
eine lange Reihe unbelabener Karren, mit je zwei Ochsen bespannt; der Be¬
sitzer eines jeden liegt lang auf dem Bauch ausgestreckt, den Kops auf die
Arme gestützt, in seinem Fuhrwerk, und schlummert bei dem eintönigen Quie¬
ken der ungeschmierten Räder; es sind Bauern, die Getreide transportirt haben;
sie kehren nach Hause zurück. Folgen wir ihnen ins Dorf, und es wird uns
nicht schwer werden, das einfache Leben und Treiben des rumänischen Land¬
manns kennen zu lernen.

Die moldauischen Dörfer lehnen sich großentheils an sanftabfallende An¬
höhen und gewähren, trotz ihrer höchst primitiven Bauart, einen freundlichen
Anblick. Der Bauer fühlt sich nicht recht zu Hause, wenn nicht einige Obst¬
bäume in seinem Gärtchen stehen, und hat sein niedriges Dach schon mehre
Generationen beherbergt, so ist es fast immer von hohen Nuß- und Birnbäu¬
men beschattet. Ein jeder baut sich sein Haus selbst; er gräbt einige Pfähle
in die Erde, verbindet sie mit Querbalken, die das Schilfdach tragen, und füllt
die Wände mit geflochtenen Ruthen aus, die sein Weib mit Lehm bewirft und
mit Kalk übertüncht. Die Thüre von draußen führt in einen schmalen Gang,
eine zweite Thüre in das einzige Wohnzimmer. Ein großer Ofen dient als
Küche und Schlafstelle der Kinder. Zwei unregelmäßig geformte Fenster, bei denen
häufig eine Blase oder geöltes Papier die Stelle der Scheiben vertritt, lassen
kaum mehr als ein Dämmerlicht in den Raum; Bänke ziehen sich längs der
Wände hin. Einige rohe Heiligenbilder in einer Ecke, einiges irdene Ge¬
schirr und ein eiserner Kessel zur Zubereitung der moldauischen Polenta, Mama¬
liga genannt, vervollständigen die innere Ausstattung. Bich wird nicht, wie
bei dem polnischen Bauer, im Hause gehalten, nur den Hühnern und Gänsen
ist ausnahmsweise der Eintritt gestattet, wenn sie im Frühjahr ein Nest suchen-
Hof und Garten sind mit einem geflochtenen Zaune eingeschlossen, der häufig
im Winter verbrannt und im Sommer ueUgemacht wird. Zwei Ochsen, eine
Kuh und einige Schweine finden ihr Obdach unter einem Schilfbach im Hofe,
wenn der Besitzer wohlhabend ist; vier Ochsen werden schon als Reichthum
angesehn. Unter dem an einer Seite verlängerten Dach steht ein Karren und
das Ackergeräth. Ein zottiger Hund bewacht das Ganze.

So sehen die Bauernhäuser alle aus, mit dem einzigen Unterschied, daß w
Gebirge Schindeln die Stelle deS Schliff oder Strohs vertreten, und daß M
der holzarmen unteren Moldau der Bauer gezwungen ist, seine kleine Besitzung
mit einem Graben zu umziehen, dessen eine Seite er mit Stachelgewächsen er-


nachdem er sich die letzten Stationen mühsam mit 12 bis 16 Pferden fort¬
geschleppt hat.

Auf der Landstraße haben wir jetzt Gelegenheit, die Bewohner der Mol¬
dau zu beobachten und das eigentliche Thema dieser Blätter, den Menschen
in jenen wenig bekannten Gegenden, ausschließlich vorzunehmen. Es naht
eine lange Reihe unbelabener Karren, mit je zwei Ochsen bespannt; der Be¬
sitzer eines jeden liegt lang auf dem Bauch ausgestreckt, den Kops auf die
Arme gestützt, in seinem Fuhrwerk, und schlummert bei dem eintönigen Quie¬
ken der ungeschmierten Räder; es sind Bauern, die Getreide transportirt haben;
sie kehren nach Hause zurück. Folgen wir ihnen ins Dorf, und es wird uns
nicht schwer werden, das einfache Leben und Treiben des rumänischen Land¬
manns kennen zu lernen.

Die moldauischen Dörfer lehnen sich großentheils an sanftabfallende An¬
höhen und gewähren, trotz ihrer höchst primitiven Bauart, einen freundlichen
Anblick. Der Bauer fühlt sich nicht recht zu Hause, wenn nicht einige Obst¬
bäume in seinem Gärtchen stehen, und hat sein niedriges Dach schon mehre
Generationen beherbergt, so ist es fast immer von hohen Nuß- und Birnbäu¬
men beschattet. Ein jeder baut sich sein Haus selbst; er gräbt einige Pfähle
in die Erde, verbindet sie mit Querbalken, die das Schilfdach tragen, und füllt
die Wände mit geflochtenen Ruthen aus, die sein Weib mit Lehm bewirft und
mit Kalk übertüncht. Die Thüre von draußen führt in einen schmalen Gang,
eine zweite Thüre in das einzige Wohnzimmer. Ein großer Ofen dient als
Küche und Schlafstelle der Kinder. Zwei unregelmäßig geformte Fenster, bei denen
häufig eine Blase oder geöltes Papier die Stelle der Scheiben vertritt, lassen
kaum mehr als ein Dämmerlicht in den Raum; Bänke ziehen sich längs der
Wände hin. Einige rohe Heiligenbilder in einer Ecke, einiges irdene Ge¬
schirr und ein eiserner Kessel zur Zubereitung der moldauischen Polenta, Mama¬
liga genannt, vervollständigen die innere Ausstattung. Bich wird nicht, wie
bei dem polnischen Bauer, im Hause gehalten, nur den Hühnern und Gänsen
ist ausnahmsweise der Eintritt gestattet, wenn sie im Frühjahr ein Nest suchen-
Hof und Garten sind mit einem geflochtenen Zaune eingeschlossen, der häufig
im Winter verbrannt und im Sommer ueUgemacht wird. Zwei Ochsen, eine
Kuh und einige Schweine finden ihr Obdach unter einem Schilfbach im Hofe,
wenn der Besitzer wohlhabend ist; vier Ochsen werden schon als Reichthum
angesehn. Unter dem an einer Seite verlängerten Dach steht ein Karren und
das Ackergeräth. Ein zottiger Hund bewacht das Ganze.

So sehen die Bauernhäuser alle aus, mit dem einzigen Unterschied, daß w
Gebirge Schindeln die Stelle deS Schliff oder Strohs vertreten, und daß M
der holzarmen unteren Moldau der Bauer gezwungen ist, seine kleine Besitzung
mit einem Graben zu umziehen, dessen eine Seite er mit Stachelgewächsen er-


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[0478] nachdem er sich die letzten Stationen mühsam mit 12 bis 16 Pferden fort¬ geschleppt hat. Auf der Landstraße haben wir jetzt Gelegenheit, die Bewohner der Mol¬ dau zu beobachten und das eigentliche Thema dieser Blätter, den Menschen in jenen wenig bekannten Gegenden, ausschließlich vorzunehmen. Es naht eine lange Reihe unbelabener Karren, mit je zwei Ochsen bespannt; der Be¬ sitzer eines jeden liegt lang auf dem Bauch ausgestreckt, den Kops auf die Arme gestützt, in seinem Fuhrwerk, und schlummert bei dem eintönigen Quie¬ ken der ungeschmierten Räder; es sind Bauern, die Getreide transportirt haben; sie kehren nach Hause zurück. Folgen wir ihnen ins Dorf, und es wird uns nicht schwer werden, das einfache Leben und Treiben des rumänischen Land¬ manns kennen zu lernen. Die moldauischen Dörfer lehnen sich großentheils an sanftabfallende An¬ höhen und gewähren, trotz ihrer höchst primitiven Bauart, einen freundlichen Anblick. Der Bauer fühlt sich nicht recht zu Hause, wenn nicht einige Obst¬ bäume in seinem Gärtchen stehen, und hat sein niedriges Dach schon mehre Generationen beherbergt, so ist es fast immer von hohen Nuß- und Birnbäu¬ men beschattet. Ein jeder baut sich sein Haus selbst; er gräbt einige Pfähle in die Erde, verbindet sie mit Querbalken, die das Schilfdach tragen, und füllt die Wände mit geflochtenen Ruthen aus, die sein Weib mit Lehm bewirft und mit Kalk übertüncht. Die Thüre von draußen führt in einen schmalen Gang, eine zweite Thüre in das einzige Wohnzimmer. Ein großer Ofen dient als Küche und Schlafstelle der Kinder. Zwei unregelmäßig geformte Fenster, bei denen häufig eine Blase oder geöltes Papier die Stelle der Scheiben vertritt, lassen kaum mehr als ein Dämmerlicht in den Raum; Bänke ziehen sich längs der Wände hin. Einige rohe Heiligenbilder in einer Ecke, einiges irdene Ge¬ schirr und ein eiserner Kessel zur Zubereitung der moldauischen Polenta, Mama¬ liga genannt, vervollständigen die innere Ausstattung. Bich wird nicht, wie bei dem polnischen Bauer, im Hause gehalten, nur den Hühnern und Gänsen ist ausnahmsweise der Eintritt gestattet, wenn sie im Frühjahr ein Nest suchen- Hof und Garten sind mit einem geflochtenen Zaune eingeschlossen, der häufig im Winter verbrannt und im Sommer ueUgemacht wird. Zwei Ochsen, eine Kuh und einige Schweine finden ihr Obdach unter einem Schilfbach im Hofe, wenn der Besitzer wohlhabend ist; vier Ochsen werden schon als Reichthum angesehn. Unter dem an einer Seite verlängerten Dach steht ein Karren und das Ackergeräth. Ein zottiger Hund bewacht das Ganze. So sehen die Bauernhäuser alle aus, mit dem einzigen Unterschied, daß w Gebirge Schindeln die Stelle deS Schliff oder Strohs vertreten, und daß M der holzarmen unteren Moldau der Bauer gezwungen ist, seine kleine Besitzung mit einem Graben zu umziehen, dessen eine Seite er mit Stachelgewächsen er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/478>, abgerufen am 28.07.2024.