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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Romantik seines Herzens vereinbarte, wird uns nicht mitgetheilt, genug, er
führte es zur Zufriedenheit des Fürsten und der Gutsangehörigen durch.
1812 entführte ihn eine Geschäftsreise nach Wien und Oberungarn. Diese
erste große Ausflucht brachte Schefer mit einem griechischen Mädchen in Be¬
rührung. Es erschien ihm wie ein unglaubliches Wunder, daß ein solches
Mädchen, eine Griechin, überhaupt eristire, und er widmete ihr, gleichsam als
deutschen Nationalbank für ihre Existenz, ein Bändchen Gedichte, Früchte der
letzten Jahre. Im folgenden Jahre dehnte sich die allgemeine Noth Deutsch¬
lands auch auf die friedliche Landschaft aus, und er erlebte jene entsetzlichen
Scenen deS Kriegs, die er später in der Osternacht geschildert hat. Eine
Reise nach England führte ihn in demselben Jahr zum ersten Mal ins Theater,
und der mächtige Eindruck desselben veranlaßte ihn zu einigen dramatischen
Versuchen, die indeß ohne Erfolge blieben. Auch diese Dramen spielten im
Süden, nach den ihn noch immer eine heiße Sehnsucht zog. Der Fürst gab
ihm endlich die Mittel, diese Sehnsucht zu befriedigen, und so reiste er -1813
über Wien, nachdem er vorher Neugriechisch gelernt und seine Studien deS
ägyptischen Alterthums vervollständigt, nach Italien ab, das er in seiner ganzen
Ausdehnung durchzog. In Rom nahmen sich Bunsen, Cornelius, Thorwaldsen,
Niebuhr seiner an. Schefer lernte Arabisch und machte noch andere eigen¬
thümliche Vorstudien. Er benutzte nämlich die lange Seefahrt nach Sicilien
zu Uebungen der Phantasie, von denen er gern seltsame Resultate erzählt,
und mittelst welcher er es dahin brachte, mit geschlossenen Augen jede Land¬
schaft in beliebiger Farbe zu sehen und Töne jedes Instruments zu hören.
Durch diese Uebung, glaubte er, werde der Mensch erst völlig Herr seiner
Sinne. Von Messina aus segelte er mit Miaulis nach Hydra, besuchte
Eleusis, Aegina u. s. w. Sunion gegenüber wurde er acht Tage lang von
Seeräubern festgehalten. Dann ging es nach Kleinasien, Konstantinopel, wo
er einige Mal in Gefahr geriet!), bis er endlich in Trieft Gelegenheit hatte,
eine zweimonatliche Quarantäne zu bestehen und so in sein Vaterland wieder
einzutreten. Bald nach seiner Heimkehr 1821 verheirathete er sich, und die
Romantik seines Lebens war nun zu Ende. Die orientalische Reise war daS
Material, von dem seine spätere Dichtung gezehrt hat.

Weiter erfahren wir von seinem Biographen nicht viel. Schefer verlor seine
Frau 1845; es war der tiefste Schmerz seines Lebens. Er hatte sich nach seinem
eignen Geschmack in dem Park von Muskau ein Landhaus eingerichtet, halb
in italienischem, halb in byzantinischem Stil, und verließ dasselbe gar nicht
mehr; doch brachten zahlreiche Besucher, Varnhagen, Nadel, Henriette Herz,
Laube :c., in sein stilles Leben anmuthige Abwechslung. Von seiner Thätig¬
keit zeugen seine zahllosen Novellen und Gedichte. Was die Novellen be¬
trifft, so gibt sein Biograph, der für seinen Freund als Dichter wie als Mensch


Romantik seines Herzens vereinbarte, wird uns nicht mitgetheilt, genug, er
führte es zur Zufriedenheit des Fürsten und der Gutsangehörigen durch.
1812 entführte ihn eine Geschäftsreise nach Wien und Oberungarn. Diese
erste große Ausflucht brachte Schefer mit einem griechischen Mädchen in Be¬
rührung. Es erschien ihm wie ein unglaubliches Wunder, daß ein solches
Mädchen, eine Griechin, überhaupt eristire, und er widmete ihr, gleichsam als
deutschen Nationalbank für ihre Existenz, ein Bändchen Gedichte, Früchte der
letzten Jahre. Im folgenden Jahre dehnte sich die allgemeine Noth Deutsch¬
lands auch auf die friedliche Landschaft aus, und er erlebte jene entsetzlichen
Scenen deS Kriegs, die er später in der Osternacht geschildert hat. Eine
Reise nach England führte ihn in demselben Jahr zum ersten Mal ins Theater,
und der mächtige Eindruck desselben veranlaßte ihn zu einigen dramatischen
Versuchen, die indeß ohne Erfolge blieben. Auch diese Dramen spielten im
Süden, nach den ihn noch immer eine heiße Sehnsucht zog. Der Fürst gab
ihm endlich die Mittel, diese Sehnsucht zu befriedigen, und so reiste er -1813
über Wien, nachdem er vorher Neugriechisch gelernt und seine Studien deS
ägyptischen Alterthums vervollständigt, nach Italien ab, das er in seiner ganzen
Ausdehnung durchzog. In Rom nahmen sich Bunsen, Cornelius, Thorwaldsen,
Niebuhr seiner an. Schefer lernte Arabisch und machte noch andere eigen¬
thümliche Vorstudien. Er benutzte nämlich die lange Seefahrt nach Sicilien
zu Uebungen der Phantasie, von denen er gern seltsame Resultate erzählt,
und mittelst welcher er es dahin brachte, mit geschlossenen Augen jede Land¬
schaft in beliebiger Farbe zu sehen und Töne jedes Instruments zu hören.
Durch diese Uebung, glaubte er, werde der Mensch erst völlig Herr seiner
Sinne. Von Messina aus segelte er mit Miaulis nach Hydra, besuchte
Eleusis, Aegina u. s. w. Sunion gegenüber wurde er acht Tage lang von
Seeräubern festgehalten. Dann ging es nach Kleinasien, Konstantinopel, wo
er einige Mal in Gefahr geriet!), bis er endlich in Trieft Gelegenheit hatte,
eine zweimonatliche Quarantäne zu bestehen und so in sein Vaterland wieder
einzutreten. Bald nach seiner Heimkehr 1821 verheirathete er sich, und die
Romantik seines Lebens war nun zu Ende. Die orientalische Reise war daS
Material, von dem seine spätere Dichtung gezehrt hat.

Weiter erfahren wir von seinem Biographen nicht viel. Schefer verlor seine
Frau 1845; es war der tiefste Schmerz seines Lebens. Er hatte sich nach seinem
eignen Geschmack in dem Park von Muskau ein Landhaus eingerichtet, halb
in italienischem, halb in byzantinischem Stil, und verließ dasselbe gar nicht
mehr; doch brachten zahlreiche Besucher, Varnhagen, Nadel, Henriette Herz,
Laube :c., in sein stilles Leben anmuthige Abwechslung. Von seiner Thätig¬
keit zeugen seine zahllosen Novellen und Gedichte. Was die Novellen be¬
trifft, so gibt sein Biograph, der für seinen Freund als Dichter wie als Mensch


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[0390] Romantik seines Herzens vereinbarte, wird uns nicht mitgetheilt, genug, er führte es zur Zufriedenheit des Fürsten und der Gutsangehörigen durch. 1812 entführte ihn eine Geschäftsreise nach Wien und Oberungarn. Diese erste große Ausflucht brachte Schefer mit einem griechischen Mädchen in Be¬ rührung. Es erschien ihm wie ein unglaubliches Wunder, daß ein solches Mädchen, eine Griechin, überhaupt eristire, und er widmete ihr, gleichsam als deutschen Nationalbank für ihre Existenz, ein Bändchen Gedichte, Früchte der letzten Jahre. Im folgenden Jahre dehnte sich die allgemeine Noth Deutsch¬ lands auch auf die friedliche Landschaft aus, und er erlebte jene entsetzlichen Scenen deS Kriegs, die er später in der Osternacht geschildert hat. Eine Reise nach England führte ihn in demselben Jahr zum ersten Mal ins Theater, und der mächtige Eindruck desselben veranlaßte ihn zu einigen dramatischen Versuchen, die indeß ohne Erfolge blieben. Auch diese Dramen spielten im Süden, nach den ihn noch immer eine heiße Sehnsucht zog. Der Fürst gab ihm endlich die Mittel, diese Sehnsucht zu befriedigen, und so reiste er -1813 über Wien, nachdem er vorher Neugriechisch gelernt und seine Studien deS ägyptischen Alterthums vervollständigt, nach Italien ab, das er in seiner ganzen Ausdehnung durchzog. In Rom nahmen sich Bunsen, Cornelius, Thorwaldsen, Niebuhr seiner an. Schefer lernte Arabisch und machte noch andere eigen¬ thümliche Vorstudien. Er benutzte nämlich die lange Seefahrt nach Sicilien zu Uebungen der Phantasie, von denen er gern seltsame Resultate erzählt, und mittelst welcher er es dahin brachte, mit geschlossenen Augen jede Land¬ schaft in beliebiger Farbe zu sehen und Töne jedes Instruments zu hören. Durch diese Uebung, glaubte er, werde der Mensch erst völlig Herr seiner Sinne. Von Messina aus segelte er mit Miaulis nach Hydra, besuchte Eleusis, Aegina u. s. w. Sunion gegenüber wurde er acht Tage lang von Seeräubern festgehalten. Dann ging es nach Kleinasien, Konstantinopel, wo er einige Mal in Gefahr geriet!), bis er endlich in Trieft Gelegenheit hatte, eine zweimonatliche Quarantäne zu bestehen und so in sein Vaterland wieder einzutreten. Bald nach seiner Heimkehr 1821 verheirathete er sich, und die Romantik seines Lebens war nun zu Ende. Die orientalische Reise war daS Material, von dem seine spätere Dichtung gezehrt hat. Weiter erfahren wir von seinem Biographen nicht viel. Schefer verlor seine Frau 1845; es war der tiefste Schmerz seines Lebens. Er hatte sich nach seinem eignen Geschmack in dem Park von Muskau ein Landhaus eingerichtet, halb in italienischem, halb in byzantinischem Stil, und verließ dasselbe gar nicht mehr; doch brachten zahlreiche Besucher, Varnhagen, Nadel, Henriette Herz, Laube :c., in sein stilles Leben anmuthige Abwechslung. Von seiner Thätig¬ keit zeugen seine zahllosen Novellen und Gedichte. Was die Novellen be¬ trifft, so gibt sein Biograph, der für seinen Freund als Dichter wie als Mensch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/390>, abgerufen am 28.07.2024.