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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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woraufB. rücksichtslos und plötzlich das Haus verließ. -Er äußerte einmal:
mit dem Adel ist gut umzugehen, aber man müsse etwas haben, worin man
ihm imponire.

Von Schauspielern Äußerte er einmal: daß dies Leben, dies Rollenspielen
im Leben, ihm nicht zusage oder gefalle.

Beethoven gab damals Unterricht dem Bruder des Kaiser Franz, Erz¬
herzog Rudolf; ich fragte ihn einmal: ob dieser gut spiele? ""Wenn er
bei Kräften ist"", war die mit Lachen begleitete Antwort. Auch er¬
wähnte er einmal lächelnd, daß er ihn auf die Finger schlage, und
als der hohe Herr ihn einmal in seine Schranken zurückweisen wollen, er
mit dem Finger auf die Stelle eines Dichters, wenn ich nicht irre, Goethes
gewiesen habe, in welcher er seine Rechtfertigung zeigte. --

B. zeigte immer gegen uns ein sehr dankbares Gefühl und nannte die
Leistungen und Pflege für seinen Neffen "unbezahlbar". Einmal sagte er uns:
er sei mit Sprüchwörtern erzogen worden, dann, er habe einen Jesuiten zum Lehrer
gehabt. -- Von seinen Eltern sprach er mit vieler Liebe und Achtung, besonders
nannte er seinen Großvater "einen Ehrenmann". -- Oft sprach er in großer Ver¬
stimmung und Entrüstung über manche Staatseinrichtung, er war auch drum und
dran, daß er eine große Reise machen wolle, vielleicht nach England. Er er¬
zählte uns auch einmal, daß Engländer bei ihm waren, lachend sagte er: "sie
haben mir meine Feder weggenommen!" -- Auf sein Leben, äußerte er, halte er
nichts, nur wegen seines Neffen! -- Bei seinem zarten Gefühl und bei seinem
Mißtrauen, welches auf kurze Zeit wenigstens seine besten Freunde kränkte, gab
eS manchmal Verstimmungen von seiner Seite, welchen man nicht gleich aus
die Spur kommen konnte; so, als er uns wieder besuchte, nachdem wir durch
sein kühleres Benehmen glaubten, es sei derlei vorgefallen, wodurch er sich für
beleidigt hielt, fragte ihn meine Schwester: "ob er noch bös wäre?" (ob er
uns noch grolle?) da antwortete er: "Ich lege viel zu wenig Werth auf mich,
um eS zu sein!" -- Einst bei einer Geldangelegenheit klagte er gegen meinen
Schwager, daß er nicht geglaubt hätte, daß in einem so angesehenen Hand¬
lungshause derlei Betrügerei vorfallen könnte; was war es aber? nur die ge¬
wöhnliche Sensarie, die ihm fremd war. -- Einmal in einer lustigen Stim¬
mung sagte ich, daß er uns recke, aber mit dem gewöhnlichen Ausdruck: seckire!
da wiederholte er diesen Ausdruck öfter mit Gelächter, so daß ich mich schämte
ihn gebraucht zu haben. -- B. hatte einen Bruder und wenn er dessel¬
ben erwähnte, so nannte er ihn immer mit lautem Lachen: "mein
Bruder der Apotheker!" man sagte diesem nach, er habe viel Staat gemacht, wie
sich für seinen Standpunkt nicht schickte. Einmal, wie er über seine ökono¬
mischen Verhältnisse klagte, sagte er: "man habe nur für den Schuster,
Schneider und Metzger zu arbeiten." -- Die Begebenheit von Wienerneustadt,


woraufB. rücksichtslos und plötzlich das Haus verließ. -Er äußerte einmal:
mit dem Adel ist gut umzugehen, aber man müsse etwas haben, worin man
ihm imponire.

Von Schauspielern Äußerte er einmal: daß dies Leben, dies Rollenspielen
im Leben, ihm nicht zusage oder gefalle.

Beethoven gab damals Unterricht dem Bruder des Kaiser Franz, Erz¬
herzog Rudolf; ich fragte ihn einmal: ob dieser gut spiele? „„Wenn er
bei Kräften ist"", war die mit Lachen begleitete Antwort. Auch er¬
wähnte er einmal lächelnd, daß er ihn auf die Finger schlage, und
als der hohe Herr ihn einmal in seine Schranken zurückweisen wollen, er
mit dem Finger auf die Stelle eines Dichters, wenn ich nicht irre, Goethes
gewiesen habe, in welcher er seine Rechtfertigung zeigte. —

B. zeigte immer gegen uns ein sehr dankbares Gefühl und nannte die
Leistungen und Pflege für seinen Neffen „unbezahlbar". Einmal sagte er uns:
er sei mit Sprüchwörtern erzogen worden, dann, er habe einen Jesuiten zum Lehrer
gehabt. — Von seinen Eltern sprach er mit vieler Liebe und Achtung, besonders
nannte er seinen Großvater „einen Ehrenmann". — Oft sprach er in großer Ver¬
stimmung und Entrüstung über manche Staatseinrichtung, er war auch drum und
dran, daß er eine große Reise machen wolle, vielleicht nach England. Er er¬
zählte uns auch einmal, daß Engländer bei ihm waren, lachend sagte er: „sie
haben mir meine Feder weggenommen!" — Auf sein Leben, äußerte er, halte er
nichts, nur wegen seines Neffen! — Bei seinem zarten Gefühl und bei seinem
Mißtrauen, welches auf kurze Zeit wenigstens seine besten Freunde kränkte, gab
eS manchmal Verstimmungen von seiner Seite, welchen man nicht gleich aus
die Spur kommen konnte; so, als er uns wieder besuchte, nachdem wir durch
sein kühleres Benehmen glaubten, es sei derlei vorgefallen, wodurch er sich für
beleidigt hielt, fragte ihn meine Schwester: „ob er noch bös wäre?" (ob er
uns noch grolle?) da antwortete er: „Ich lege viel zu wenig Werth auf mich,
um eS zu sein!" — Einst bei einer Geldangelegenheit klagte er gegen meinen
Schwager, daß er nicht geglaubt hätte, daß in einem so angesehenen Hand¬
lungshause derlei Betrügerei vorfallen könnte; was war es aber? nur die ge¬
wöhnliche Sensarie, die ihm fremd war. — Einmal in einer lustigen Stim¬
mung sagte ich, daß er uns recke, aber mit dem gewöhnlichen Ausdruck: seckire!
da wiederholte er diesen Ausdruck öfter mit Gelächter, so daß ich mich schämte
ihn gebraucht zu haben. — B. hatte einen Bruder und wenn er dessel¬
ben erwähnte, so nannte er ihn immer mit lautem Lachen: „mein
Bruder der Apotheker!" man sagte diesem nach, er habe viel Staat gemacht, wie
sich für seinen Standpunkt nicht schickte. Einmal, wie er über seine ökono¬
mischen Verhältnisse klagte, sagte er: „man habe nur für den Schuster,
Schneider und Metzger zu arbeiten." — Die Begebenheit von Wienerneustadt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/36>, abgerufen am 28.07.2024.