Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.ausbildet, und Trieft als Großhandelsstadt ist jung. Vor hundert Jahren *) Mit Ausnahmen natürlich; denn während des Kriegs entwickelte ein reicher Getreide- Händler mit slawischen Namen eine staunenswerthe Energie, um Verlusten zu entgehen. i4*
ausbildet, und Trieft als Großhandelsstadt ist jung. Vor hundert Jahren *) Mit Ausnahmen natürlich; denn während des Kriegs entwickelte ein reicher Getreide- Händler mit slawischen Namen eine staunenswerthe Energie, um Verlusten zu entgehen. i4*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104022"/> <p xml:id="ID_1022" prev="#ID_1021"> ausbildet, und Trieft als Großhandelsstadt ist jung. Vor hundert Jahren<lb/> zählte es nicht viel über sechstausend Einwohner und bis zu Anfang dieses<lb/> Jahrhunderts war Venedig im Besitz des Haupthandels auf diesen Meeren.<lb/> Allein es wird in Trieft schwerer als anderswo halten, daß ein solcher Geist,<lb/> wie er Hamburg groß gemacht hat, sich entwickelt. Das rasche Wachsthum<lb/> der Stadt hat" Elemente hierhergezogen, welche die Probe der Solidität nicht<lb/> aushalten, schnell reich werden wollen, nicht auf Gründung eines dauernden<lb/> Geschäfts ausgehen u. s. w. Dazu kommt daS leichtfertige, genußsüchtige<lb/> Wesen des Jtalieners und die Unmündigkeit, die in der Natur des Slawen<lb/> liegt'*). Dieser steht selten auf eignen Füßen, erwartet immer von der Regie¬<lb/> rung und dem lieben Gott mehr als nöthig ist. Jenem ist in der Regel das,<lb/> was einer richtig organi.hirten nördlichen Natur daS Letzte ist, das Erste.<lb/> Er möchte viel genießen, wenig arbeiten. Der Hamburger schickt den einen<lb/> Sohn in ein Geschäft nach Rio Janeiro, den andern nach Hongkong, den drit¬<lb/> ten nach Odessa oder Neuyork, damit sie in kaufmännischen Dingen Mores<lb/> lernen. Er selbst arbeitet bis in sein Alter auf der Börse und im Comptoir.<lb/> Der junge Triester zeigt von vornherein ein weit größeres Interesse am Thea¬<lb/> ter, an Gesang und Tanz, am Umgang mit der Damenwelt, als am Corre-<lb/> spondiren und Buchführer. Liebe zum Geschäft, förmliche Verliebtheit in das¬<lb/> selbe, Aufgehen des Individuums in den Begriff desselben, wie es in Nord¬<lb/> deutschland fast Regel ist, ist hier seltene Ausnahme. Sich in der Welt umzu¬<lb/> sehen, um zu lernen, trägt man auch wenig Verlangen. Unter solchen Umstän¬<lb/> den aber hat man keine Ursache, sich zu beklagen, wenn es nicht so vorwärts<lb/> will, als man wünscht. Bis jetzt ist noch das Beste für die Stadt von der<lb/> Regierung gethan worden, durch deren Unterstützung namentlich der Lloyd so<lb/> gewaltige Fortschritte machte. Mögen die Triester nun auch jeder an seinem<lb/> Theil beitragen, daß ihre Stadt emporblühe. Der Erfolg wird nicht ausbleiben,<lb/> ob nun der Suezkanal in diesem und dem nächsten Jahrhundert noch gegraben<lb/> und befahren, oder — was viel wahrscheinlicher — nicht gegraben und nicht<lb/> befahren, wird.</p><lb/> <note xml:id="FID_25" place="foot"> *) Mit Ausnahmen natürlich; denn während des Kriegs entwickelte ein reicher Getreide-<lb/> Händler mit slawischen Namen eine staunenswerthe Energie, um Verlusten zu entgehen.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> i4*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
ausbildet, und Trieft als Großhandelsstadt ist jung. Vor hundert Jahren
zählte es nicht viel über sechstausend Einwohner und bis zu Anfang dieses
Jahrhunderts war Venedig im Besitz des Haupthandels auf diesen Meeren.
Allein es wird in Trieft schwerer als anderswo halten, daß ein solcher Geist,
wie er Hamburg groß gemacht hat, sich entwickelt. Das rasche Wachsthum
der Stadt hat" Elemente hierhergezogen, welche die Probe der Solidität nicht
aushalten, schnell reich werden wollen, nicht auf Gründung eines dauernden
Geschäfts ausgehen u. s. w. Dazu kommt daS leichtfertige, genußsüchtige
Wesen des Jtalieners und die Unmündigkeit, die in der Natur des Slawen
liegt'*). Dieser steht selten auf eignen Füßen, erwartet immer von der Regie¬
rung und dem lieben Gott mehr als nöthig ist. Jenem ist in der Regel das,
was einer richtig organi.hirten nördlichen Natur daS Letzte ist, das Erste.
Er möchte viel genießen, wenig arbeiten. Der Hamburger schickt den einen
Sohn in ein Geschäft nach Rio Janeiro, den andern nach Hongkong, den drit¬
ten nach Odessa oder Neuyork, damit sie in kaufmännischen Dingen Mores
lernen. Er selbst arbeitet bis in sein Alter auf der Börse und im Comptoir.
Der junge Triester zeigt von vornherein ein weit größeres Interesse am Thea¬
ter, an Gesang und Tanz, am Umgang mit der Damenwelt, als am Corre-
spondiren und Buchführer. Liebe zum Geschäft, förmliche Verliebtheit in das¬
selbe, Aufgehen des Individuums in den Begriff desselben, wie es in Nord¬
deutschland fast Regel ist, ist hier seltene Ausnahme. Sich in der Welt umzu¬
sehen, um zu lernen, trägt man auch wenig Verlangen. Unter solchen Umstän¬
den aber hat man keine Ursache, sich zu beklagen, wenn es nicht so vorwärts
will, als man wünscht. Bis jetzt ist noch das Beste für die Stadt von der
Regierung gethan worden, durch deren Unterstützung namentlich der Lloyd so
gewaltige Fortschritte machte. Mögen die Triester nun auch jeder an seinem
Theil beitragen, daß ihre Stadt emporblühe. Der Erfolg wird nicht ausbleiben,
ob nun der Suezkanal in diesem und dem nächsten Jahrhundert noch gegraben
und befahren, oder — was viel wahrscheinlicher — nicht gegraben und nicht
befahren, wird.
*) Mit Ausnahmen natürlich; denn während des Kriegs entwickelte ein reicher Getreide-
Händler mit slawischen Namen eine staunenswerthe Energie, um Verlusten zu entgehen.
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