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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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wählten Abgeordneten sich befindet. Die zweite Section (Dampfschiffahrts-
gesellschast) wird von einem aus fünf Direktoren bestehenden Verwaltungsrath
geleitet, welcher der jährlich im Mai stattfindenden Generalversammlung der
Actionäre verantwortlich ist. In ähnlicher Weise ist die dritte Section orga-
nisirt. Die zweite ist unzweifelhaft die bedeutendste aller; sie hat dermalen
nicht weniger als 67 Dampfer auf dem Wasser gehen, und darunter gehört
die Hälfte wenigstens durch Tonnengehalt und Pferdekraft zu den größten
Fahrzeugen dieser Gattung.

Der östreichische Lloyd ist vielfach als wunderbares Phänomen gepriesen,
vielfach auch angegriffen und getadelt worden. In ersterer Beziehung mag
mit gewisser Beschränkung an das Sprichwort erinnert werden, daß nicht
alles Gold ist, was glänzt. Die Actien der Gesellschaft stehen schon seit ge¬
raumer Zeit tief unter Pari; und damit ist für die Bedeutung derselben als
Jndustriepapier genug gesagt. Mancher Tadler dagegen mag schlecht unter¬
richtet, mancher vielleicht auch mit Bewußtsein ungerecht gewesen sein. Die
nicht zu den Actionären gehörende Kaufmannschaft klagt über Beibehaltung der
zur Zeit des hohen Agio und des Steigens der Kohlenpreise erhöhten Frachtsätze,
die dadurch, daß man die Concurrenz fremder Schiffe durch Hindernisse in Er-
theilung der Pratica abwies, gesichert wurden. Die Spediteure murren, daß der
Lloyd die durch ihre Hand beförderten Güter vernachlässige und oft bis zur
nächsten Fahrt liegen lasse, daß er es nur mit den direct von ihm, ohne Ver¬
mittlung der Spediteure, aus dem Continent anlangenden Waaren genau
nehme. Wir wissen nicht, wie weit das begründet ist. Ebenso lassen wir
es dahin gestellt sein, wenn behauptet wird, in maßgebenden Kreisen sei zu¬
weilen mehr die Gabe zu repräsentiren, als die erforderliche Umsicht und Sach¬
kenntniß vorhanden, die Wahl der Beamten werde mehr als es sür das Inter¬
esse des Ganzen gut sei, durch Protektion (ein in Oestreich überaus häufiges
Wort) bestimmt, ihre Zahl sei zu groß, ihr Verfahren oft umständlich, weit¬
schweifig, langsam und unsicher. Endlich möge es hier nicht untersucht werden,
ob es böse Zungen sind, welche meinen, die Pferdekraft mancher Lloyddampfer
sei auf dem Papier beträchtlich größer als in der Wirklichkeit.

, Dagegen müssen wir, auf eigne und unparteiische fremde Beobachtung gestützt,
die Begründung des zuweilen von sonst guten Blättern erhobenen Vorwurfs,
diesen Dampfern mangele es an Reinlichkeit, an Bequemlichkeit, die Küche
"uf ihnen sei schlecht beschaffen, ganz entschieden in Abrede stellen. Wir
kamen mit ziemlich hohen Ansprüchen, und wir fanden sie übertroffen. Nur
Eins blieb zu wünschen: daß man unter die Bedingungen zur Anstellungs-
s"higkeit eines Dampsschisscapitäns auch Kenntniß der deutschen Sprache auf-
Uehme. Die Herren, gleich ihren Matrosen gewöhnlich Jstrianer, Kroaten
"der Dalmatiner, sind durchgehends tüchtige Seeleute und, so weit wir sie


Grenzboten. II. <8ö7. jj,

wählten Abgeordneten sich befindet. Die zweite Section (Dampfschiffahrts-
gesellschast) wird von einem aus fünf Direktoren bestehenden Verwaltungsrath
geleitet, welcher der jährlich im Mai stattfindenden Generalversammlung der
Actionäre verantwortlich ist. In ähnlicher Weise ist die dritte Section orga-
nisirt. Die zweite ist unzweifelhaft die bedeutendste aller; sie hat dermalen
nicht weniger als 67 Dampfer auf dem Wasser gehen, und darunter gehört
die Hälfte wenigstens durch Tonnengehalt und Pferdekraft zu den größten
Fahrzeugen dieser Gattung.

Der östreichische Lloyd ist vielfach als wunderbares Phänomen gepriesen,
vielfach auch angegriffen und getadelt worden. In ersterer Beziehung mag
mit gewisser Beschränkung an das Sprichwort erinnert werden, daß nicht
alles Gold ist, was glänzt. Die Actien der Gesellschaft stehen schon seit ge¬
raumer Zeit tief unter Pari; und damit ist für die Bedeutung derselben als
Jndustriepapier genug gesagt. Mancher Tadler dagegen mag schlecht unter¬
richtet, mancher vielleicht auch mit Bewußtsein ungerecht gewesen sein. Die
nicht zu den Actionären gehörende Kaufmannschaft klagt über Beibehaltung der
zur Zeit des hohen Agio und des Steigens der Kohlenpreise erhöhten Frachtsätze,
die dadurch, daß man die Concurrenz fremder Schiffe durch Hindernisse in Er-
theilung der Pratica abwies, gesichert wurden. Die Spediteure murren, daß der
Lloyd die durch ihre Hand beförderten Güter vernachlässige und oft bis zur
nächsten Fahrt liegen lasse, daß er es nur mit den direct von ihm, ohne Ver¬
mittlung der Spediteure, aus dem Continent anlangenden Waaren genau
nehme. Wir wissen nicht, wie weit das begründet ist. Ebenso lassen wir
es dahin gestellt sein, wenn behauptet wird, in maßgebenden Kreisen sei zu¬
weilen mehr die Gabe zu repräsentiren, als die erforderliche Umsicht und Sach¬
kenntniß vorhanden, die Wahl der Beamten werde mehr als es sür das Inter¬
esse des Ganzen gut sei, durch Protektion (ein in Oestreich überaus häufiges
Wort) bestimmt, ihre Zahl sei zu groß, ihr Verfahren oft umständlich, weit¬
schweifig, langsam und unsicher. Endlich möge es hier nicht untersucht werden,
ob es böse Zungen sind, welche meinen, die Pferdekraft mancher Lloyddampfer
sei auf dem Papier beträchtlich größer als in der Wirklichkeit.

, Dagegen müssen wir, auf eigne und unparteiische fremde Beobachtung gestützt,
die Begründung des zuweilen von sonst guten Blättern erhobenen Vorwurfs,
diesen Dampfern mangele es an Reinlichkeit, an Bequemlichkeit, die Küche
"uf ihnen sei schlecht beschaffen, ganz entschieden in Abrede stellen. Wir
kamen mit ziemlich hohen Ansprüchen, und wir fanden sie übertroffen. Nur
Eins blieb zu wünschen: daß man unter die Bedingungen zur Anstellungs-
s"higkeit eines Dampsschisscapitäns auch Kenntniß der deutschen Sprache auf-
Uehme. Die Herren, gleich ihren Matrosen gewöhnlich Jstrianer, Kroaten
"der Dalmatiner, sind durchgehends tüchtige Seeleute und, so weit wir sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/353>, abgerufen am 01.09.2024.