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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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die Herzogthümer herrschen, und die Dänen wagen eher ihren letzten Bluts¬
tropfen, ehe sie sich das letztere gefallen lassen.

Sollten wirklich England, Rußland und Frankreich dem dänisch-deutschen
Depeschenkampfe und selbst militärischen Maßregeln, die sicher nicht über eine
Besetzung Holsteins und Lauenburgs hinausgehen würden, Gewehr beim Fuß
Zusehen wollen, so wäre es trotz jener nationalen Partei möglich, daß die
Männer des neuen Cabinets, um das Lob der Versöhnlichkeit zu verdienen,
und daraus Capital für die Zukunft zu machen, sich fügten und die Meinung
der Provinzialstände über die Gesammtverfassung zu hören versprachen. Was
wäre damit gewonnen? Die Stände haben kein Recht der Beschlußfassung
wie der dänische Reichstag, sie sind lediglich berathende, und wer könnte
das kopenhagener Cabinet nöthigen, ein abrathendes Gutachten, sei es auch
"och so entschieden gefaßt, der Beachtung zu würdigen, darnach zu handeln?
Sicherlich niemand, und so sinkt die ganze Procedur zu einer bloßen Form
herab, die schon deshalb ziemlich überflüssig ist, weil die Stände Holsteins
factisch schon längst ihre Meinung über die Gesammtverfassung kundzugeben
Gelegenheit genommen haben.

Es wird indeß, wie die Sachen stehen, kaum zu etwas Weiterem kommen,
und so möge wenigstens der Rath, den man der dänischen Negierung von
Seiten der deutschen Stände zu geben berechtigt sein wird, andeuten, daß man
den rechten Beschluß fassen würde, falls man dürfte. Wenn die Provinzial¬
stände Holsteins die von Preußen und Oestreich befürwortete Erlaubniß er¬
halten, an eine Beurtheilung der Gesammtverfassung zu gehen, so muß es
eine Verurtheilung sein, so müssen sie, ungebeugt durch die Betrachtung, daß
die Zeit nicht darnach angethan ist, Erfüllung auch nur der berechtigtsten
Wünsche hoffen zu lassen, unangefochten durch den Gedanken, noch eine Weile
warten und dulden zu müssen' unbehelligt durch die Befürchtung, sich das
Wohlwollen des einen oder des andern Gönners zu verscherzen, Aufhebung
des londoner Protokolls beantragen. Die Fundamentalsätze des schleswig-
hvlsteinischen Rechts: die Herzogthümer sind selbstständige Staaten, engver¬
bundene Staaten, in ihnen herrscht der Mannsstamm müssen Ihre Leitsterne
bei der Berathung sein; sie alleinweisen den rechten Weg. Capituliren, seinen
Trieben machen mit dem Erbfeinde, für das neue Recht auf Worte das alte
Recht auf Dinge aufgeben, ist nie holsteinische Art gewesen, und man
b"rf es jetzt nicht dazu werden lassen, wenn man nicht seinen besten Ruhm
Verlieren will.

Besser einen Sperling in der Hand, als eine Taube auf dem Dache,
sagen die Lauer und Halben. Besser einige Zugeständnisse gleich hente, als
die Anwartschaft auf das Ganze. Wir antworten: Denke man an die sechs¬
hundert Jahre, die der Kampf um Schleswig gewährt hat, denke man an die


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die Herzogthümer herrschen, und die Dänen wagen eher ihren letzten Bluts¬
tropfen, ehe sie sich das letztere gefallen lassen.

Sollten wirklich England, Rußland und Frankreich dem dänisch-deutschen
Depeschenkampfe und selbst militärischen Maßregeln, die sicher nicht über eine
Besetzung Holsteins und Lauenburgs hinausgehen würden, Gewehr beim Fuß
Zusehen wollen, so wäre es trotz jener nationalen Partei möglich, daß die
Männer des neuen Cabinets, um das Lob der Versöhnlichkeit zu verdienen,
und daraus Capital für die Zukunft zu machen, sich fügten und die Meinung
der Provinzialstände über die Gesammtverfassung zu hören versprachen. Was
wäre damit gewonnen? Die Stände haben kein Recht der Beschlußfassung
wie der dänische Reichstag, sie sind lediglich berathende, und wer könnte
das kopenhagener Cabinet nöthigen, ein abrathendes Gutachten, sei es auch
»och so entschieden gefaßt, der Beachtung zu würdigen, darnach zu handeln?
Sicherlich niemand, und so sinkt die ganze Procedur zu einer bloßen Form
herab, die schon deshalb ziemlich überflüssig ist, weil die Stände Holsteins
factisch schon längst ihre Meinung über die Gesammtverfassung kundzugeben
Gelegenheit genommen haben.

Es wird indeß, wie die Sachen stehen, kaum zu etwas Weiterem kommen,
und so möge wenigstens der Rath, den man der dänischen Negierung von
Seiten der deutschen Stände zu geben berechtigt sein wird, andeuten, daß man
den rechten Beschluß fassen würde, falls man dürfte. Wenn die Provinzial¬
stände Holsteins die von Preußen und Oestreich befürwortete Erlaubniß er¬
halten, an eine Beurtheilung der Gesammtverfassung zu gehen, so muß es
eine Verurtheilung sein, so müssen sie, ungebeugt durch die Betrachtung, daß
die Zeit nicht darnach angethan ist, Erfüllung auch nur der berechtigtsten
Wünsche hoffen zu lassen, unangefochten durch den Gedanken, noch eine Weile
warten und dulden zu müssen' unbehelligt durch die Befürchtung, sich das
Wohlwollen des einen oder des andern Gönners zu verscherzen, Aufhebung
des londoner Protokolls beantragen. Die Fundamentalsätze des schleswig-
hvlsteinischen Rechts: die Herzogthümer sind selbstständige Staaten, engver¬
bundene Staaten, in ihnen herrscht der Mannsstamm müssen Ihre Leitsterne
bei der Berathung sein; sie alleinweisen den rechten Weg. Capituliren, seinen
Trieben machen mit dem Erbfeinde, für das neue Recht auf Worte das alte
Recht auf Dinge aufgeben, ist nie holsteinische Art gewesen, und man
b"rf es jetzt nicht dazu werden lassen, wenn man nicht seinen besten Ruhm
Verlieren will.

Besser einen Sperling in der Hand, als eine Taube auf dem Dache,
sagen die Lauer und Halben. Besser einige Zugeständnisse gleich hente, als
die Anwartschaft auf das Ganze. Wir antworten: Denke man an die sechs¬
hundert Jahre, die der Kampf um Schleswig gewährt hat, denke man an die


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[0313] die Herzogthümer herrschen, und die Dänen wagen eher ihren letzten Bluts¬ tropfen, ehe sie sich das letztere gefallen lassen. Sollten wirklich England, Rußland und Frankreich dem dänisch-deutschen Depeschenkampfe und selbst militärischen Maßregeln, die sicher nicht über eine Besetzung Holsteins und Lauenburgs hinausgehen würden, Gewehr beim Fuß Zusehen wollen, so wäre es trotz jener nationalen Partei möglich, daß die Männer des neuen Cabinets, um das Lob der Versöhnlichkeit zu verdienen, und daraus Capital für die Zukunft zu machen, sich fügten und die Meinung der Provinzialstände über die Gesammtverfassung zu hören versprachen. Was wäre damit gewonnen? Die Stände haben kein Recht der Beschlußfassung wie der dänische Reichstag, sie sind lediglich berathende, und wer könnte das kopenhagener Cabinet nöthigen, ein abrathendes Gutachten, sei es auch »och so entschieden gefaßt, der Beachtung zu würdigen, darnach zu handeln? Sicherlich niemand, und so sinkt die ganze Procedur zu einer bloßen Form herab, die schon deshalb ziemlich überflüssig ist, weil die Stände Holsteins factisch schon längst ihre Meinung über die Gesammtverfassung kundzugeben Gelegenheit genommen haben. Es wird indeß, wie die Sachen stehen, kaum zu etwas Weiterem kommen, und so möge wenigstens der Rath, den man der dänischen Negierung von Seiten der deutschen Stände zu geben berechtigt sein wird, andeuten, daß man den rechten Beschluß fassen würde, falls man dürfte. Wenn die Provinzial¬ stände Holsteins die von Preußen und Oestreich befürwortete Erlaubniß er¬ halten, an eine Beurtheilung der Gesammtverfassung zu gehen, so muß es eine Verurtheilung sein, so müssen sie, ungebeugt durch die Betrachtung, daß die Zeit nicht darnach angethan ist, Erfüllung auch nur der berechtigtsten Wünsche hoffen zu lassen, unangefochten durch den Gedanken, noch eine Weile warten und dulden zu müssen' unbehelligt durch die Befürchtung, sich das Wohlwollen des einen oder des andern Gönners zu verscherzen, Aufhebung des londoner Protokolls beantragen. Die Fundamentalsätze des schleswig- hvlsteinischen Rechts: die Herzogthümer sind selbstständige Staaten, engver¬ bundene Staaten, in ihnen herrscht der Mannsstamm müssen Ihre Leitsterne bei der Berathung sein; sie alleinweisen den rechten Weg. Capituliren, seinen Trieben machen mit dem Erbfeinde, für das neue Recht auf Worte das alte Recht auf Dinge aufgeben, ist nie holsteinische Art gewesen, und man b"rf es jetzt nicht dazu werden lassen, wenn man nicht seinen besten Ruhm Verlieren will. Besser einen Sperling in der Hand, als eine Taube auf dem Dache, sagen die Lauer und Halben. Besser einige Zugeständnisse gleich hente, als die Anwartschaft auf das Ganze. Wir antworten: Denke man an die sechs¬ hundert Jahre, die der Kampf um Schleswig gewährt hat, denke man an die Grenzboten II. -I8L7. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/313>, abgerufen am 01.09.2024.