Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.bittern, wo die Politik des Hofes unserer Wahl ganz rein in diesen ""aller- Nach Abschluß des Friedens wurde Müller als östreichischer Generalconsul 37*
bittern, wo die Politik des Hofes unserer Wahl ganz rein in diesen „„aller- Nach Abschluß des Friedens wurde Müller als östreichischer Generalconsul 37*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103966"/> <p xml:id="ID_856" prev="#ID_855"> bittern, wo die Politik des Hofes unserer Wahl ganz rein in diesen „„aller-<lb/> fürtrefflichsten Grundsätzen"" handelt." „Alle Anzeichen stimmen überein, daß<lb/> der Widerwille gegen die Bourbons täglich wächst. Indeß das thut nichts.<lb/> Die Alliirten können und dürfen einmal nicht anders handeln; werden die<lb/> Bourbons nach drei Monaten wieder fortgejagt, so waschen wir unsere<lb/> Hände." — Gentz gibt nun (Juli 1813) folgende Erklärung. „Das Princip<lb/> der Legitimität, so heilig es auch sein mag, ist in der Zeit geboren, darf also<lb/> nicht absolut, sondern nur in der Zeit begriffen, und muß durch die Zeit, wie<lb/> alles Menschliche, modificirt werden. Für einen neuen Ausfluß, oder einen<lb/> geoffenbarten Willen der Gottheit hielt ich es nie. Die höhere Staatskunst<lb/> kann und muß unter gewissen Umständen mit diesem Princip capituliren. . ..<lb/> Was meine Auseinandersetzung mit Ihnen betrifft, so kann nur eine Schwierig¬<lb/> keit vorkommen, die unüberwindlich wäre, wenn Sie nämlich — was Gott<lb/> verhüte — das ^us äivinum im buchstäblichen oder mystischen Sinne nehmen." —</p><lb/> <p xml:id="ID_857" next="#ID_858"> Nach Abschluß des Friedens wurde Müller als östreichischer Generalconsul<lb/> in Leipzig angestellt, wo er in den Staatsanzeigen 1816—1818 zum Ent¬<lb/> setzen der Liberalen und zuweilen zum höchsten Erstaunen des Fürsten Metter-<lb/> nich die höhere christliche Politik der Welt verkündigte. Gentz schreibt darüber<lb/> 8. Juli 1816: „Die Aufsätze tragen sämmtlich das Gepräge einer Zeit, einer<lb/> Ansicht und einer Manier, in welcher ich mich wildfremd, unbehaglich, un¬<lb/> heimlich, desorientirt fühle. Vieles verstehe ich nicht, theils weil es mir<lb/> durchaus dunkel, theils weil es mir unreif oder verworren scheint, oft vielleicht<lb/> nur, weil es von meiner Art zu sehen und zu denken so sehr abweicht, daß<lb/> ich. mich nicht darin zurecht finden kann. Was ich verstehe, befriedigt mich<lb/> nicht. Allenthalben eine schneidende, stolze, angreifende Polemik, aber nir¬<lb/> gend ein reines, bestimmtes Resultat. Es schwimmt mir alles, wie in einen<lb/> Nebel von hohen Worten gewebt, durch welche keine Figur in festen Umrissen<lb/> hervortritt. Ich werde höchstens gedemüthigt, nie belehrt. — So war mir<lb/> schon zu Muthe, als ich das Vorwort zu den Staatsanzeigen las; diese Ge¬<lb/> fühle verfolgen mich überhaupt bei allem, was seit einigen Jahren über staats¬<lb/> wissenschaftliche Gegenstände in Deutschland geschrieben wird. Klarheit, Me¬<lb/> thode und Zusammenhang, die ich von jeher über alles schätzte, werden mir,<lb/> je älter ich werde, desto unentbehrlicher; und diese scheinen nun aus der neuen<lb/> schriftstellerischen Welt völlig verbannt zu sein .... Mein Geist strebt nach<lb/> Gleichgewicht und Ruhe; und jetzt soll ich nun erst recht in ein Meer von<lb/> Umwälzungen, von rückgängiger Bewegungen, von Phantasien und Para¬<lb/> doxen geschleudert werden, wo alle Karten und alle Sterne mich verlassen.<lb/> Ich soll z. B. lernen, daß der Friede der Welt, die Bürgschaft der Staaten,<lb/> die Verbesserung der gesellschaftlichen Verfassung :c. einzig und allein von einer<lb/> lebendigen Erkenntniß — der Menschwerdung Gottes abhängt? Ich soll</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 37*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
bittern, wo die Politik des Hofes unserer Wahl ganz rein in diesen „„aller-
fürtrefflichsten Grundsätzen"" handelt." „Alle Anzeichen stimmen überein, daß
der Widerwille gegen die Bourbons täglich wächst. Indeß das thut nichts.
Die Alliirten können und dürfen einmal nicht anders handeln; werden die
Bourbons nach drei Monaten wieder fortgejagt, so waschen wir unsere
Hände." — Gentz gibt nun (Juli 1813) folgende Erklärung. „Das Princip
der Legitimität, so heilig es auch sein mag, ist in der Zeit geboren, darf also
nicht absolut, sondern nur in der Zeit begriffen, und muß durch die Zeit, wie
alles Menschliche, modificirt werden. Für einen neuen Ausfluß, oder einen
geoffenbarten Willen der Gottheit hielt ich es nie. Die höhere Staatskunst
kann und muß unter gewissen Umständen mit diesem Princip capituliren. . ..
Was meine Auseinandersetzung mit Ihnen betrifft, so kann nur eine Schwierig¬
keit vorkommen, die unüberwindlich wäre, wenn Sie nämlich — was Gott
verhüte — das ^us äivinum im buchstäblichen oder mystischen Sinne nehmen." —
Nach Abschluß des Friedens wurde Müller als östreichischer Generalconsul
in Leipzig angestellt, wo er in den Staatsanzeigen 1816—1818 zum Ent¬
setzen der Liberalen und zuweilen zum höchsten Erstaunen des Fürsten Metter-
nich die höhere christliche Politik der Welt verkündigte. Gentz schreibt darüber
8. Juli 1816: „Die Aufsätze tragen sämmtlich das Gepräge einer Zeit, einer
Ansicht und einer Manier, in welcher ich mich wildfremd, unbehaglich, un¬
heimlich, desorientirt fühle. Vieles verstehe ich nicht, theils weil es mir
durchaus dunkel, theils weil es mir unreif oder verworren scheint, oft vielleicht
nur, weil es von meiner Art zu sehen und zu denken so sehr abweicht, daß
ich. mich nicht darin zurecht finden kann. Was ich verstehe, befriedigt mich
nicht. Allenthalben eine schneidende, stolze, angreifende Polemik, aber nir¬
gend ein reines, bestimmtes Resultat. Es schwimmt mir alles, wie in einen
Nebel von hohen Worten gewebt, durch welche keine Figur in festen Umrissen
hervortritt. Ich werde höchstens gedemüthigt, nie belehrt. — So war mir
schon zu Muthe, als ich das Vorwort zu den Staatsanzeigen las; diese Ge¬
fühle verfolgen mich überhaupt bei allem, was seit einigen Jahren über staats¬
wissenschaftliche Gegenstände in Deutschland geschrieben wird. Klarheit, Me¬
thode und Zusammenhang, die ich von jeher über alles schätzte, werden mir,
je älter ich werde, desto unentbehrlicher; und diese scheinen nun aus der neuen
schriftstellerischen Welt völlig verbannt zu sein .... Mein Geist strebt nach
Gleichgewicht und Ruhe; und jetzt soll ich nun erst recht in ein Meer von
Umwälzungen, von rückgängiger Bewegungen, von Phantasien und Para¬
doxen geschleudert werden, wo alle Karten und alle Sterne mich verlassen.
Ich soll z. B. lernen, daß der Friede der Welt, die Bürgschaft der Staaten,
die Verbesserung der gesellschaftlichen Verfassung :c. einzig und allein von einer
lebendigen Erkenntniß — der Menschwerdung Gottes abhängt? Ich soll
37*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |