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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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gen, Länder erobert und verloren werden, ohne daß sich in Hohenzollern-Sig-
maringen eine Seele darum kümmerte.

Damals restdirte der Fürst, nur von seinem Hofgesinde umgeben, in den
weiten Räumen seines Ahnenschlosses, in beinahe vollständiger Abgeschlossenheit
von der Welt; denn seine Ansprüche an das Leben, seine Bedürfnisse, reichten nicht
über die Grenze des kleinen Landes hinaus, das er mit Hilfe einiger alten treuen
Diener schlicht und gut regierte. Von einem französischen Jesuiten in fast mäd¬
chenhafter Zurückhaltung erzogen, mit einem kräftigen, abgehärteten Körper begabt,
war er ein gewaltiger Jäger und das edle Waidwerk, wozu ihm die waldige Ge¬
gend, ein weiter, reich mit Wild versehener Park volle Gelegenheit bot, sein liebster
Zeitvertreib, der, nach den Jahreszeiten wechselnd, stets wieder neuen Reiz für
ihn gewann. Dabei trug er auch beständig grüne Kleidung und bediente sich
eines offenen Wurstwagens, um nach allen Seiten frei ausschauen zu können,
während das fürstliche Schloß einer Försterwohnung in großartigen Dimen¬
sionen glich. In den düstern gewölbten Hallen, wozu Wendeltreppen empor-
sührten, trieben sich Jagdhunde aller Art und Größe umher; an den Wänden
hingen Abbildungen riesiger Keuler, Trophäen von Hirschgeweihen in be¬
sonders großen Exemplaren oder solchen, die sich durch abnorme Gestaltungen
auszeichneten. Ein Saal mit in Oel gemalten Tapeten verziert, verherrlichte
die Jagdfeste des höchstseligen Vorfahrs und stellte ihn dar, wie er mit
seinem Jagdgefolge, seinen Favoritinnen, seinem Hofkäplan, Hofjunker, und
was sonst noch zu einem fürstlichen Hofhalte gehörte, den Hirsch forcirte, den
Keuler anlaufen ließ, und was dergleichen Haupt- und Staatsactionen mehr
zu fein pflegten. Von der Decke hing ein Kronleuchter von Saufängen sinn¬
reich zusammengefügt, den ein Tausendkünstler in der Person eines fürstlichen
Oberjägers, der später im weitläufigen Park schaltete und regierte, verfertigt hatte.
Dieser Mann wußte alle Geheimnisse, welche einem Jägersmann in Wald und
Feld zu Passe kommen, konnte das Blut stillen, dem Schwinden der Miedet
Einhalt thun, besaß Amulette gegen den Rothlauf, hatte einen Kugelsegen
und noch manche andere geheime Wissenschaft, womit er sich bei seinem Herrn
und Andern empfehlen konnte. Lange bevor die Wirkungen des Dampfes all¬
gemein bekannt waren, construirte er eine Maschine zur Dampswäsche, gab
den Mechanismus eines drehbaren Sitzkasten für einen Jagdwagen an, und
schnitzte die besten Büchsenschäste weit und breit.

In der Gewehrkammer, die einen geräumigen Saal in einem der ältern
Schloßtheile einnahm, sah man Kriegswaffen aller Art und aus allen Zeiten
aufgestellt, neben dem prächtigsten Jagdgeräthe, das zum Theil der' Epoche
angehörte, wo es in den Hochwäldern noch Bären und Wölfe gab.

Die schönsten Gemächer waren die Cardinalszimmer mit Hautelifsen, einem
Ueberrest des sechzehnten Jahrhunderts, und Renaissancegeräthschasten von keefs-


gen, Länder erobert und verloren werden, ohne daß sich in Hohenzollern-Sig-
maringen eine Seele darum kümmerte.

Damals restdirte der Fürst, nur von seinem Hofgesinde umgeben, in den
weiten Räumen seines Ahnenschlosses, in beinahe vollständiger Abgeschlossenheit
von der Welt; denn seine Ansprüche an das Leben, seine Bedürfnisse, reichten nicht
über die Grenze des kleinen Landes hinaus, das er mit Hilfe einiger alten treuen
Diener schlicht und gut regierte. Von einem französischen Jesuiten in fast mäd¬
chenhafter Zurückhaltung erzogen, mit einem kräftigen, abgehärteten Körper begabt,
war er ein gewaltiger Jäger und das edle Waidwerk, wozu ihm die waldige Ge¬
gend, ein weiter, reich mit Wild versehener Park volle Gelegenheit bot, sein liebster
Zeitvertreib, der, nach den Jahreszeiten wechselnd, stets wieder neuen Reiz für
ihn gewann. Dabei trug er auch beständig grüne Kleidung und bediente sich
eines offenen Wurstwagens, um nach allen Seiten frei ausschauen zu können,
während das fürstliche Schloß einer Försterwohnung in großartigen Dimen¬
sionen glich. In den düstern gewölbten Hallen, wozu Wendeltreppen empor-
sührten, trieben sich Jagdhunde aller Art und Größe umher; an den Wänden
hingen Abbildungen riesiger Keuler, Trophäen von Hirschgeweihen in be¬
sonders großen Exemplaren oder solchen, die sich durch abnorme Gestaltungen
auszeichneten. Ein Saal mit in Oel gemalten Tapeten verziert, verherrlichte
die Jagdfeste des höchstseligen Vorfahrs und stellte ihn dar, wie er mit
seinem Jagdgefolge, seinen Favoritinnen, seinem Hofkäplan, Hofjunker, und
was sonst noch zu einem fürstlichen Hofhalte gehörte, den Hirsch forcirte, den
Keuler anlaufen ließ, und was dergleichen Haupt- und Staatsactionen mehr
zu fein pflegten. Von der Decke hing ein Kronleuchter von Saufängen sinn¬
reich zusammengefügt, den ein Tausendkünstler in der Person eines fürstlichen
Oberjägers, der später im weitläufigen Park schaltete und regierte, verfertigt hatte.
Dieser Mann wußte alle Geheimnisse, welche einem Jägersmann in Wald und
Feld zu Passe kommen, konnte das Blut stillen, dem Schwinden der Miedet
Einhalt thun, besaß Amulette gegen den Rothlauf, hatte einen Kugelsegen
und noch manche andere geheime Wissenschaft, womit er sich bei seinem Herrn
und Andern empfehlen konnte. Lange bevor die Wirkungen des Dampfes all¬
gemein bekannt waren, construirte er eine Maschine zur Dampswäsche, gab
den Mechanismus eines drehbaren Sitzkasten für einen Jagdwagen an, und
schnitzte die besten Büchsenschäste weit und breit.

In der Gewehrkammer, die einen geräumigen Saal in einem der ältern
Schloßtheile einnahm, sah man Kriegswaffen aller Art und aus allen Zeiten
aufgestellt, neben dem prächtigsten Jagdgeräthe, das zum Theil der' Epoche
angehörte, wo es in den Hochwäldern noch Bären und Wölfe gab.

Die schönsten Gemächer waren die Cardinalszimmer mit Hautelifsen, einem
Ueberrest des sechzehnten Jahrhunderts, und Renaissancegeräthschasten von keefs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/224>, abgerufen am 27.07.2024.