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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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wieder andere öffneten die Thür oder schlugen die schweren Teppiche vor dem
Eingange auseinander.

Auch der Leibarzt war häufig' ein Sklave und mußte sich bemühen, die
Vorschriften der Wissenschaft mit den Launen des Herrn möglichst in Einklang
zu bringen. Er war um so unentbehrlicher, da er nicht nur in Krankheiten
zu Rath gezogen wurde, sondern auch die ganze Diät regelte. Er bestimmte
die Dauer des Spaziergangs und aller übrigen körperlichen Bewegungen und
Uebungen, die in ein vollständiges System der Heilgymnastk gebracht waren,
auch lautes Declamiren und Lesen, und die sanfte Schaukelung einer Wasser-
fahvt wurde dazu gerechnet; er entschied über die Zuträglichkeit der Speisen und
Getränke. Es gab Leute, die ihre Lebensweise so genau nach der Uhr regel¬
ten, daß sie täglich in derselben Stunde in der Sänfte eine Promenade mach¬
ten, sie ließen sich von ihren Sklaven erinnern, Umwelche Zeit sie ins Bad und
wann zur Tafel gehen sollten, sie sind, sagt Serttca, so völlig erschlafft, daß es
sie zu viel Anstrengung kostet, sich bewußt zu werden, ob sie Hunger haben.
Einer von diesen languiden Elegants, erzählte man sich damals, habe, als er
aus dem Bade gehoben mW in einen Nuhesessel niedergesetzt worden sei, ge¬
fragt: "Sitze ich schon?" Man stelle sich vor, welche Menschenmenge erfordert
wurde, um bei solchen Leuten die vorgeschriebene Diät mit der erforderlichen
Genauigkeit zu beobachten. Uhrensklaven, deren einzige Beschäftigung darin
bestand, stets genau die Zeit angeben zu können, scheinen nicht selten gewesen
zu sein. Trimalchio hatte ein geistreiches Mittel ausgedacht, den Mangel der
Schlaguhren zu ersetzen; ein eigens dazu angestellter Trompeter mußte die
Stunden abblasen.

Die größte Rolle spielte in der antiken Diät das Bad, und namentlich
waren , damals Dampfbäder an der Tagesordnung, durch die man dieselbe
Wirkung hervorzubringen glaubte, wie durch anstrengende körperliche Bewegung.
Die Anstalten dazu fehlten in keinem großen Hause; dies erforderte nun wie¬
der eine ganz eigne Bedienung, Osenheizer, Badediener, Frotteurs u. a. Im
Anfang der Kaiserzeit hatte die specifisch griechische Gymnastik, welche nicht
blos wie die römische das Wohlbefinden, sondern eine möglichst große und all¬
seitige KräftentwicklungdeS Körpers zum Zweck hatte, in Rom Eingang ge-
gefunden. Bekanntlich fand Nero an diesen, ursprünglich ganz unrömischen
Uebungen großen Geschmack, und durch sein Beispiel und seine Protection
wurden sieMode, und wie jede damalige Mode, bis zur Extravaganz cultivirt.
Nun wurden griechische Athleten, wandelnde Fleischmassen , die von unaufhör¬
lich eingeriebenem Oel glänzten, und deren verschwollene Ohren die Spur von
manchem Borerkampf trugen, stehende Personen in eleganten Häusern und
ihr Unterricht jüngern Herrn unentbehrlich. Ihr ganzes Leben, sagt Seneca,
besteht aus Saufen und Schwitzen. Ließ man sie gewähren, so schrieben sie
'


wieder andere öffneten die Thür oder schlugen die schweren Teppiche vor dem
Eingange auseinander.

Auch der Leibarzt war häufig' ein Sklave und mußte sich bemühen, die
Vorschriften der Wissenschaft mit den Launen des Herrn möglichst in Einklang
zu bringen. Er war um so unentbehrlicher, da er nicht nur in Krankheiten
zu Rath gezogen wurde, sondern auch die ganze Diät regelte. Er bestimmte
die Dauer des Spaziergangs und aller übrigen körperlichen Bewegungen und
Uebungen, die in ein vollständiges System der Heilgymnastk gebracht waren,
auch lautes Declamiren und Lesen, und die sanfte Schaukelung einer Wasser-
fahvt wurde dazu gerechnet; er entschied über die Zuträglichkeit der Speisen und
Getränke. Es gab Leute, die ihre Lebensweise so genau nach der Uhr regel¬
ten, daß sie täglich in derselben Stunde in der Sänfte eine Promenade mach¬
ten, sie ließen sich von ihren Sklaven erinnern, Umwelche Zeit sie ins Bad und
wann zur Tafel gehen sollten, sie sind, sagt Serttca, so völlig erschlafft, daß es
sie zu viel Anstrengung kostet, sich bewußt zu werden, ob sie Hunger haben.
Einer von diesen languiden Elegants, erzählte man sich damals, habe, als er
aus dem Bade gehoben mW in einen Nuhesessel niedergesetzt worden sei, ge¬
fragt: „Sitze ich schon?" Man stelle sich vor, welche Menschenmenge erfordert
wurde, um bei solchen Leuten die vorgeschriebene Diät mit der erforderlichen
Genauigkeit zu beobachten. Uhrensklaven, deren einzige Beschäftigung darin
bestand, stets genau die Zeit angeben zu können, scheinen nicht selten gewesen
zu sein. Trimalchio hatte ein geistreiches Mittel ausgedacht, den Mangel der
Schlaguhren zu ersetzen; ein eigens dazu angestellter Trompeter mußte die
Stunden abblasen.

Die größte Rolle spielte in der antiken Diät das Bad, und namentlich
waren , damals Dampfbäder an der Tagesordnung, durch die man dieselbe
Wirkung hervorzubringen glaubte, wie durch anstrengende körperliche Bewegung.
Die Anstalten dazu fehlten in keinem großen Hause; dies erforderte nun wie¬
der eine ganz eigne Bedienung, Osenheizer, Badediener, Frotteurs u. a. Im
Anfang der Kaiserzeit hatte die specifisch griechische Gymnastik, welche nicht
blos wie die römische das Wohlbefinden, sondern eine möglichst große und all¬
seitige KräftentwicklungdeS Körpers zum Zweck hatte, in Rom Eingang ge-
gefunden. Bekanntlich fand Nero an diesen, ursprünglich ganz unrömischen
Uebungen großen Geschmack, und durch sein Beispiel und seine Protection
wurden sieMode, und wie jede damalige Mode, bis zur Extravaganz cultivirt.
Nun wurden griechische Athleten, wandelnde Fleischmassen , die von unaufhör¬
lich eingeriebenem Oel glänzten, und deren verschwollene Ohren die Spur von
manchem Borerkampf trugen, stehende Personen in eleganten Häusern und
ihr Unterricht jüngern Herrn unentbehrlich. Ihr ganzes Leben, sagt Seneca,
besteht aus Saufen und Schwitzen. Ließ man sie gewähren, so schrieben sie
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/138>, abgerufen am 01.09.2024.