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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Kaiserreichs verloren gegangen war. Aber der Geschmack des Zeitalters be¬
mächtigte sich nicht blos ihrer Schreibart, sondern auch ihrer Person. In
einem reichen Hause aufgewachsen, in der Mitte der gewähltester Gesellschaft,
die Tochter einer berühmten Mutter, zog sie zunächst durch ihre Schönheit die
Männer an, eine Schönheit, deren sie sich wohl bewußt war, und die sie in
vielfachen Gedichten gefeiert hat. Schon damals trug sie in der Gesellschaft
mit allgemeinem Beifall eine Elegie sur l"z bonnvur ä'vere delle, vor, und es
war keine Uebertreibung, wenn sie später daran erinnerte:


Nun krönt, ";wie "i llor <lo "" vouromie Klnmlv,
/VnnLi>ux et'or et ä'srzvnt tsot <Jo lois earss-los!
Li j'uvius Amt et'of>loir ssuaucl j'on^rlli "tun" l"z monde
Orgueitlvu"" Ills ^"ux, >lui"s""!

Die jung aufstrebende Dichterschule, welche damals die Reform der Lyrik
anbahnte, Alfred de Vigny, Victor Hugo, Emile Deschamps, Guiraud, b'egrüßte
sie al's Ebenbürtige und verhieß ihr die Krone der Elegie.


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('oriniie cvurburiul. I'argut'it "I"z "on luurier.

Die Rolle, die sie zu spielen hatte, war ihr damit vorgezeichnet; sie war
Corinna, die Muse mit dem Stern im Haar und dem Lorbeerzweig in der
Hand, für den Triumph auf dem Capitol bestimmt. Sie übte sich in ernsten,
feierlichen Weisen, nach dem Vorbild Soumets, mit Anklang an Racine, und
feierte die großen Geschicke ihres Vaterlandes. Schon 1822 wurde sie von
der AcadeMie franyaise für ein Gedicht über die Aufopferung der barmherzigen
Schwestern während der Pest von Barcelona gekrönt. Sie widmete von da
an jedem bedeutenden Ereigniß einige feierliche Strophen; ja sie ging so weit,
Maria Magdalena in einem Gedicht von zwölf Gesängen zu verherrlichen, das
freilich ziemlich trocken ausfiel und in jeder Zeile das Gemachte verräth. Auf
einer Reise nach Rom (1827) wurde sie auf dem Capitol als Mitglied der
^eg,<Zsmig, tibsrina aufgenommen. Nach dem Vorbild ihrer Lieblingshelden
machte sie dann eine Pilgerfahrt nach dem Vorgebirge Misenum und declamirte
auf der Kuppel des Pantheon ihre Hymne auf die heilige Genoveva. So
war sie ganz Corinna, und die gleichzeitigen Dichter priesen sie als die Muse
des Vaterlandes. Die Vignette ihrer ersten Gedichtsammlung war eine Harfe.
Sie war voll von Anspielungen auf die Wunder des Erlösers und begann
mit den Versen:


viovkellrvux, 86rspl,in8, van", IinIiiwiUs "je" <:ivux,
8uspentjöx un mnmoM vo" ob-utts "juliniettx! . . .

Wenn aber in diesen Versuchen die Declamation überwog, so sah man
doch, daß die Rührung künstlich hervorgerufen war, und was den Reiz ihrer
ersten Elegien ausmachte, (Ourica die Negerin, Nathalie :c.)/war der alt-


Kaiserreichs verloren gegangen war. Aber der Geschmack des Zeitalters be¬
mächtigte sich nicht blos ihrer Schreibart, sondern auch ihrer Person. In
einem reichen Hause aufgewachsen, in der Mitte der gewähltester Gesellschaft,
die Tochter einer berühmten Mutter, zog sie zunächst durch ihre Schönheit die
Männer an, eine Schönheit, deren sie sich wohl bewußt war, und die sie in
vielfachen Gedichten gefeiert hat. Schon damals trug sie in der Gesellschaft
mit allgemeinem Beifall eine Elegie sur l«z bonnvur ä'vere delle, vor, und es
war keine Uebertreibung, wenn sie später daran erinnerte:


Nun krönt, «;wie »i llor <lo «» vouromie Klnmlv,
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Li j'uvius Amt et'of>loir ssuaucl j'on^rlli «tun« l«z monde
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Die jung aufstrebende Dichterschule, welche damals die Reform der Lyrik
anbahnte, Alfred de Vigny, Victor Hugo, Emile Deschamps, Guiraud, b'egrüßte
sie al's Ebenbürtige und verhieß ihr die Krone der Elegie.


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Die Rolle, die sie zu spielen hatte, war ihr damit vorgezeichnet; sie war
Corinna, die Muse mit dem Stern im Haar und dem Lorbeerzweig in der
Hand, für den Triumph auf dem Capitol bestimmt. Sie übte sich in ernsten,
feierlichen Weisen, nach dem Vorbild Soumets, mit Anklang an Racine, und
feierte die großen Geschicke ihres Vaterlandes. Schon 1822 wurde sie von
der AcadeMie franyaise für ein Gedicht über die Aufopferung der barmherzigen
Schwestern während der Pest von Barcelona gekrönt. Sie widmete von da
an jedem bedeutenden Ereigniß einige feierliche Strophen; ja sie ging so weit,
Maria Magdalena in einem Gedicht von zwölf Gesängen zu verherrlichen, das
freilich ziemlich trocken ausfiel und in jeder Zeile das Gemachte verräth. Auf
einer Reise nach Rom (1827) wurde sie auf dem Capitol als Mitglied der
^eg,<Zsmig, tibsrina aufgenommen. Nach dem Vorbild ihrer Lieblingshelden
machte sie dann eine Pilgerfahrt nach dem Vorgebirge Misenum und declamirte
auf der Kuppel des Pantheon ihre Hymne auf die heilige Genoveva. So
war sie ganz Corinna, und die gleichzeitigen Dichter priesen sie als die Muse
des Vaterlandes. Die Vignette ihrer ersten Gedichtsammlung war eine Harfe.
Sie war voll von Anspielungen auf die Wunder des Erlösers und begann
mit den Versen:


viovkellrvux, 86rspl,in8, van«, IinIiiwiUs «je« <:ivux,
8uspentjöx un mnmoM vo« ob-utts «juliniettx! . . .

Wenn aber in diesen Versuchen die Declamation überwog, so sah man
doch, daß die Rührung künstlich hervorgerufen war, und was den Reiz ihrer
ersten Elegien ausmachte, (Ourica die Negerin, Nathalie :c.)/war der alt-


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[0108] Kaiserreichs verloren gegangen war. Aber der Geschmack des Zeitalters be¬ mächtigte sich nicht blos ihrer Schreibart, sondern auch ihrer Person. In einem reichen Hause aufgewachsen, in der Mitte der gewähltester Gesellschaft, die Tochter einer berühmten Mutter, zog sie zunächst durch ihre Schönheit die Männer an, eine Schönheit, deren sie sich wohl bewußt war, und die sie in vielfachen Gedichten gefeiert hat. Schon damals trug sie in der Gesellschaft mit allgemeinem Beifall eine Elegie sur l«z bonnvur ä'vere delle, vor, und es war keine Uebertreibung, wenn sie später daran erinnerte: Nun krönt, «;wie »i llor <lo «» vouromie Klnmlv, /VnnLi>ux et'or et ä'srzvnt tsot <Jo lois earss-los! Li j'uvius Amt et'of>loir ssuaucl j'on^rlli «tun« l«z monde Orgueitlvu»« Ills ^«ux, >lui«s««! Die jung aufstrebende Dichterschule, welche damals die Reform der Lyrik anbahnte, Alfred de Vigny, Victor Hugo, Emile Deschamps, Guiraud, b'egrüßte sie al's Ebenbürtige und verhieß ihr die Krone der Elegie. liluutt«, <z>^ «Ivviinl, »»n ü«:Iiar>>« lügbi^e, ('oriniie cvurburiul. I'argut'it «I«z «on luurier. Die Rolle, die sie zu spielen hatte, war ihr damit vorgezeichnet; sie war Corinna, die Muse mit dem Stern im Haar und dem Lorbeerzweig in der Hand, für den Triumph auf dem Capitol bestimmt. Sie übte sich in ernsten, feierlichen Weisen, nach dem Vorbild Soumets, mit Anklang an Racine, und feierte die großen Geschicke ihres Vaterlandes. Schon 1822 wurde sie von der AcadeMie franyaise für ein Gedicht über die Aufopferung der barmherzigen Schwestern während der Pest von Barcelona gekrönt. Sie widmete von da an jedem bedeutenden Ereigniß einige feierliche Strophen; ja sie ging so weit, Maria Magdalena in einem Gedicht von zwölf Gesängen zu verherrlichen, das freilich ziemlich trocken ausfiel und in jeder Zeile das Gemachte verräth. Auf einer Reise nach Rom (1827) wurde sie auf dem Capitol als Mitglied der ^eg,<Zsmig, tibsrina aufgenommen. Nach dem Vorbild ihrer Lieblingshelden machte sie dann eine Pilgerfahrt nach dem Vorgebirge Misenum und declamirte auf der Kuppel des Pantheon ihre Hymne auf die heilige Genoveva. So war sie ganz Corinna, und die gleichzeitigen Dichter priesen sie als die Muse des Vaterlandes. Die Vignette ihrer ersten Gedichtsammlung war eine Harfe. Sie war voll von Anspielungen auf die Wunder des Erlösers und begann mit den Versen: viovkellrvux, 86rspl,in8, van«, IinIiiwiUs «je« <:ivux, 8uspentjöx un mnmoM vo« ob-utts «juliniettx! . . . Wenn aber in diesen Versuchen die Declamation überwog, so sah man doch, daß die Rührung künstlich hervorgerufen war, und was den Reiz ihrer ersten Elegien ausmachte, (Ourica die Negerin, Nathalie :c.)/war der alt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/108>, abgerufen am 28.07.2024.