Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.die treuen Neuenburger, welche die preußische Fahne erhoben haben, sein Schwert 4) endlich sei zu diesen Gründen noch ein anderer gefügt, welcher grade jetzt die treuen Neuenburger, welche die preußische Fahne erhoben haben, sein Schwert 4) endlich sei zu diesen Gründen noch ein anderer gefügt, welcher grade jetzt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103220"/> <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> die treuen Neuenburger, welche die preußische Fahne erhoben haben, sein Schwert<lb/> zu ziehen.' Preußen kann diese Familien nicht an einen fremden Souverän ver¬<lb/> kauft». Seit hundert Jahren ist der König den Ncuenburgcru ein milder<lb/> Regent gewesen, welcher für das Wohl des Ländchens mit Ernst und Opfern<lb/> gesorgt hat. Jetzt kann er die Getreuen, welche sich uuter seiner Fahne ge¬<lb/> sammelt und für sie geblutet haben, nicht dem natürlichen Gegner Preußens<lb/> wider deu Willen der Neuenburger verhandeln. Sehr wider ihren Willen,<lb/> denn wenn die preußische Partei in Rcucnburg doch aufhören soll, preußisch<lb/> zu sein, so hat sie keinen andern Wunsch, als ganz dem Staatsleben zugetheilt<lb/> zu werden, mit dem ihr Land ohnedies fest verwachsen ist. Und wofür sollte Preu¬<lb/> ßen Neuenburg an Frankreich abtreten? Doch nur gegen eine anderweitige Gebictö-<lb/> entschädigung. Diese aber würde selbst der Wille Napoleons >Il. nicht bewilligen<lb/> können. Er kann kein französisches Dorf, welches bereits zu Frankreich gehört,<lb/> an Preußen abtreten, ohne einen Sturm gegen sich zu erheben, den auch er scheuen<lb/> muß. Die öffentliche Meinung in Frankreich steht in einer seltenen Einmüthigkeit<lb/> ans Seiten der Schweiz, es ist offenbar, daß alte Antipathie gegen Preußen eben-<lb/> soviel Antheil hat, als die innige Verbindung der industriellen Interessen, welche<lb/> bereits jetzt zwischen der Schweiz und Frankreich stattfindet. Der Kaiser von<lb/> Frankreich "hat Frankreich nicht gemacht, wie die Könige von Preußen ihr König¬<lb/> lich, er hat den fertigen Staat sich genommen, und er hat deshalb mehr noch<lb/> als ein König von Preußen die Verpflichtung, das Frankreich zu erhalten, welches<lb/> er vorgefunden. Laute Proteste aus dem umzutauscheudeu Grenzbezirke und ein<lb/> wüthender Schrei der Entrüstung durch ganz Frankreich würden die ersten Folgen<lb/> eines solchen Tauschvertragcs sein. Aber selbst gesetzt den Fall, daß er Lust und Kraft<lb/> zu einem sür ihn verhängnißvollen Tausch hätte, so ist sicher anzunehmen, daß<lb/> weder Oestreich noch England einem solchen Arrangement bei der gegenwärtigen ><lb/> Sachlage ihre Znstunmnng geben würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_257" next="#ID_258"> 4) endlich sei zu diesen Gründen noch ein anderer gefügt, welcher grade jetzt<lb/> von beiden Theilen niedriger gestellt wird, als er verdient. Die Schweiz ist ein<lb/> Land, dessen Bildung und'Intelligenz vorzugsweise deutsch und protestantisch siud.<lb/> Der Streit, welcher einst Luther und Zwingii zu erbitterten Gegnern machte, ist<lb/> ausgekämpft und auf einem ruhmlosen Schlachtfelde ist nach dreihundert Jahren ein<lb/> gemeinsames geistiges Leben ausgeblüht. Sehr vieles verdanken die Schweizer den<lb/> Arbeiten des deutschen Geistes und verhältnißmäßig nicht weniges die Deutschen<lb/> anch ihnen. Die Bildung Norddeutschlands, oder in staatlicher Beziehung Preu¬<lb/> ßens, ist der natürliche Verbündete aller gesunden und kräftigen Elemente<lb/> im bürgerlichen und geistigen Leben der Schweiz gegenüber deu wälschen<lb/> und gallischen Bestandtheilen ihres Gebietes. Wenn daher die Schweiz eine ernste<lb/> Verpflichtung hat, Freundschaft und Bundesgenossenschaft des protestantischen Deutsch¬<lb/> lands zu suchen, so hat anch die preußische Intelligenz die Ausgabe, ihr Verhält¬<lb/> niß zu deu Schweizern würdig und liberal zu begreifen. Von dem Augenblick,<lb/> wo dieser zufällige neucnburger Conflict gelöst und die divergirenden Interessen<lb/> zwischen Preußen und der Schweiz ausgeglichen sind, wird Preußen der natürliche<lb/> Verbündete der neuen Republik. Es wäre nicht unnütz, wenn der Bundesrath<lb/> auch diese Rücksicht aus sein Handeln Einfluß gewinnen ließe, und es steht zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
die treuen Neuenburger, welche die preußische Fahne erhoben haben, sein Schwert
zu ziehen.' Preußen kann diese Familien nicht an einen fremden Souverän ver¬
kauft». Seit hundert Jahren ist der König den Ncuenburgcru ein milder
Regent gewesen, welcher für das Wohl des Ländchens mit Ernst und Opfern
gesorgt hat. Jetzt kann er die Getreuen, welche sich uuter seiner Fahne ge¬
sammelt und für sie geblutet haben, nicht dem natürlichen Gegner Preußens
wider deu Willen der Neuenburger verhandeln. Sehr wider ihren Willen,
denn wenn die preußische Partei in Rcucnburg doch aufhören soll, preußisch
zu sein, so hat sie keinen andern Wunsch, als ganz dem Staatsleben zugetheilt
zu werden, mit dem ihr Land ohnedies fest verwachsen ist. Und wofür sollte Preu¬
ßen Neuenburg an Frankreich abtreten? Doch nur gegen eine anderweitige Gebictö-
entschädigung. Diese aber würde selbst der Wille Napoleons >Il. nicht bewilligen
können. Er kann kein französisches Dorf, welches bereits zu Frankreich gehört,
an Preußen abtreten, ohne einen Sturm gegen sich zu erheben, den auch er scheuen
muß. Die öffentliche Meinung in Frankreich steht in einer seltenen Einmüthigkeit
ans Seiten der Schweiz, es ist offenbar, daß alte Antipathie gegen Preußen eben-
soviel Antheil hat, als die innige Verbindung der industriellen Interessen, welche
bereits jetzt zwischen der Schweiz und Frankreich stattfindet. Der Kaiser von
Frankreich "hat Frankreich nicht gemacht, wie die Könige von Preußen ihr König¬
lich, er hat den fertigen Staat sich genommen, und er hat deshalb mehr noch
als ein König von Preußen die Verpflichtung, das Frankreich zu erhalten, welches
er vorgefunden. Laute Proteste aus dem umzutauscheudeu Grenzbezirke und ein
wüthender Schrei der Entrüstung durch ganz Frankreich würden die ersten Folgen
eines solchen Tauschvertragcs sein. Aber selbst gesetzt den Fall, daß er Lust und Kraft
zu einem sür ihn verhängnißvollen Tausch hätte, so ist sicher anzunehmen, daß
weder Oestreich noch England einem solchen Arrangement bei der gegenwärtigen >
Sachlage ihre Znstunmnng geben würden.
4) endlich sei zu diesen Gründen noch ein anderer gefügt, welcher grade jetzt
von beiden Theilen niedriger gestellt wird, als er verdient. Die Schweiz ist ein
Land, dessen Bildung und'Intelligenz vorzugsweise deutsch und protestantisch siud.
Der Streit, welcher einst Luther und Zwingii zu erbitterten Gegnern machte, ist
ausgekämpft und auf einem ruhmlosen Schlachtfelde ist nach dreihundert Jahren ein
gemeinsames geistiges Leben ausgeblüht. Sehr vieles verdanken die Schweizer den
Arbeiten des deutschen Geistes und verhältnißmäßig nicht weniges die Deutschen
anch ihnen. Die Bildung Norddeutschlands, oder in staatlicher Beziehung Preu¬
ßens, ist der natürliche Verbündete aller gesunden und kräftigen Elemente
im bürgerlichen und geistigen Leben der Schweiz gegenüber deu wälschen
und gallischen Bestandtheilen ihres Gebietes. Wenn daher die Schweiz eine ernste
Verpflichtung hat, Freundschaft und Bundesgenossenschaft des protestantischen Deutsch¬
lands zu suchen, so hat anch die preußische Intelligenz die Ausgabe, ihr Verhält¬
niß zu deu Schweizern würdig und liberal zu begreifen. Von dem Augenblick,
wo dieser zufällige neucnburger Conflict gelöst und die divergirenden Interessen
zwischen Preußen und der Schweiz ausgeglichen sind, wird Preußen der natürliche
Verbündete der neuen Republik. Es wäre nicht unnütz, wenn der Bundesrath
auch diese Rücksicht aus sein Handeln Einfluß gewinnen ließe, und es steht zu
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