Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.gefallen denn die welschen komischen Opern überall, mit alle dem Elend, was Man muß sich bei dem letzten Satz Mozarts an die fest ausgebildete gefallen denn die welschen komischen Opern überall, mit alle dem Elend, was Man muß sich bei dem letzten Satz Mozarts an die fest ausgebildete <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103623"/> <p xml:id="ID_1673" prev="#ID_1672"> gefallen denn die welschen komischen Opern überall, mit alle dem Elend, was<lb/> das Buch anbelangt? sogar in Paris, wovon ich selbst ein Zeuge war? —<lb/> Weil da ganz die Musik herrscht und man darüber alles vergißt. Um so<lb/> mehr muß ja eine Opera gefallen, wo der Plan des Stückes gut ausgearbeitet,<lb/> die Winter aber nur blos für die Musik geschrieben sind, und nicht hier und<lb/> dort, einem elenden Reime zu gefallen (die doch, bei Gott, zum Werthe einer<lb/> theatralischen Vorstellung, es mag sein was eS wolle, gar nichts beitragen,<lb/> wol aber eher Schaden bringen) Worte setzen oder ganze Strophen, die des<lb/> Componisten seine ganze Idee verderben. — Verse sind wol sür die Musik<lb/> das Unentbehrlichste, aber Reime — des Reimers wegen das schädlichste;<lb/> die Herren, die so pedantisch zu Werke gehen, werden immer mit sammt der<lb/> Musik zu Grunde gehen. Da ist es am besten, wenn ein guter Componist,<lb/> der das Theater versteht und selbst etwas anzugeben im Stande.ist, und ein<lb/> gescheidter Poet, als ein wahrer Phönix, zusammenkommen — dann darf einem<lb/> vor dem Beifalle der Unwissenden auch nicht bange sein. — Die Poeten<lb/> kommen mir fast vor, wie die Trompeter mit ihren Handwerkspossen; wenn<lb/> wir Componisten immer so getreu unsern Regeln (die damals, als man noch<lb/> nichts Besseres wußte, ganz gut waren) folgen wollten, so würden wir ebenso<lb/> untaugliche Musik, als sie untaugliche Bücheln verfertigen."" —</p><lb/> <p xml:id="ID_1674" next="#ID_1675"> Man muß sich bei dem letzten Satz Mozarts an die fest ausgebildete<lb/> Praxis der italienischen Opernterte erinnern, deren Nachbildung als die wesent¬<lb/> liche Ausgabe des deutschen Operndichters galt. Die ihrer Zeit hoch gehaltene<lb/> Schrift Krauses: Von der musikalischen Poesie (Berlin 1732) ist in diesem<lb/> Sinne abgefaßt, Hiller verwies die deutschen Operndichter aus Metastasto;<lb/> selbst Goethe suchte, wenn gleich auf sehr verschiedene Weise, den italienischen<lb/> Typus im deutschen Singspiel nachzubilden. Aehnliche Ansichten, wie Mozart<lb/> sie äußert, sind bei Gelegenheit der Entführung ausführlich entwickelt in<lb/> Cramers Magazin der Musik II. S.-1061 ff. Schon Reichardt sagte:<lb/> „Hauptsächlich ist mein Rath sür den musikalischen Dichter dieser, daß er sich<lb/> nicht an die gewöhnlichen Formen der Singstücke binde; er wähle ein Sujet,<lb/> welches eine für das Herz interessante Handlung hat und dieses behandle er<lb/> nach der Art der guten dramatischen Dichter, In der Versisication erlaube<lb/> er sich alle Arten der Silbenmaße und wähle zu jeder Stelle, zu jeder Scene<lb/> das Silbenmaß, von dem er glaubt, daß es zu dem Ausdruck der Empfindung<lb/> am geschicktesten sei. Nunmehr aber überlasse er eS dem verständigen und<lb/> empfindungsvollen Componisten seine Verse zu Recitativen, Ariosen, Arien,<lb/> Duetten und Chören abzutheilen. Hierzu ist dieser am geschicktesten; und wenn<lb/> der Dichter seine handelnden Personen jederzeit die wahre Sprache der Natur<lb/> hat reden lassen, und sich der Musikus recht in die Situationen jener zu ver¬<lb/> setzen weiß, so wird ihm dies jederzeit gelingen und leicht werden. ES ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0490]
gefallen denn die welschen komischen Opern überall, mit alle dem Elend, was
das Buch anbelangt? sogar in Paris, wovon ich selbst ein Zeuge war? —
Weil da ganz die Musik herrscht und man darüber alles vergißt. Um so
mehr muß ja eine Opera gefallen, wo der Plan des Stückes gut ausgearbeitet,
die Winter aber nur blos für die Musik geschrieben sind, und nicht hier und
dort, einem elenden Reime zu gefallen (die doch, bei Gott, zum Werthe einer
theatralischen Vorstellung, es mag sein was eS wolle, gar nichts beitragen,
wol aber eher Schaden bringen) Worte setzen oder ganze Strophen, die des
Componisten seine ganze Idee verderben. — Verse sind wol sür die Musik
das Unentbehrlichste, aber Reime — des Reimers wegen das schädlichste;
die Herren, die so pedantisch zu Werke gehen, werden immer mit sammt der
Musik zu Grunde gehen. Da ist es am besten, wenn ein guter Componist,
der das Theater versteht und selbst etwas anzugeben im Stande.ist, und ein
gescheidter Poet, als ein wahrer Phönix, zusammenkommen — dann darf einem
vor dem Beifalle der Unwissenden auch nicht bange sein. — Die Poeten
kommen mir fast vor, wie die Trompeter mit ihren Handwerkspossen; wenn
wir Componisten immer so getreu unsern Regeln (die damals, als man noch
nichts Besseres wußte, ganz gut waren) folgen wollten, so würden wir ebenso
untaugliche Musik, als sie untaugliche Bücheln verfertigen."" —
Man muß sich bei dem letzten Satz Mozarts an die fest ausgebildete
Praxis der italienischen Opernterte erinnern, deren Nachbildung als die wesent¬
liche Ausgabe des deutschen Operndichters galt. Die ihrer Zeit hoch gehaltene
Schrift Krauses: Von der musikalischen Poesie (Berlin 1732) ist in diesem
Sinne abgefaßt, Hiller verwies die deutschen Operndichter aus Metastasto;
selbst Goethe suchte, wenn gleich auf sehr verschiedene Weise, den italienischen
Typus im deutschen Singspiel nachzubilden. Aehnliche Ansichten, wie Mozart
sie äußert, sind bei Gelegenheit der Entführung ausführlich entwickelt in
Cramers Magazin der Musik II. S.-1061 ff. Schon Reichardt sagte:
„Hauptsächlich ist mein Rath sür den musikalischen Dichter dieser, daß er sich
nicht an die gewöhnlichen Formen der Singstücke binde; er wähle ein Sujet,
welches eine für das Herz interessante Handlung hat und dieses behandle er
nach der Art der guten dramatischen Dichter, In der Versisication erlaube
er sich alle Arten der Silbenmaße und wähle zu jeder Stelle, zu jeder Scene
das Silbenmaß, von dem er glaubt, daß es zu dem Ausdruck der Empfindung
am geschicktesten sei. Nunmehr aber überlasse er eS dem verständigen und
empfindungsvollen Componisten seine Verse zu Recitativen, Ariosen, Arien,
Duetten und Chören abzutheilen. Hierzu ist dieser am geschicktesten; und wenn
der Dichter seine handelnden Personen jederzeit die wahre Sprache der Natur
hat reden lassen, und sich der Musikus recht in die Situationen jener zu ver¬
setzen weiß, so wird ihm dies jederzeit gelingen und leicht werden. ES ist
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