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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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VlII, 12L2: DaS ist ja ein ungeschickt Ding, und hat mich selbst
oft wunderlich angesehen, und ist wahrlich ein schwerer Artikel ins Herz
zu bringen, wenn ich sehe einen Menschen took hintragen und bescharren, daß
ich doch mit solchem Herzen und Gedanken soll davon gehen, daß wir werden
miteinander wieder auferstehen, p. 989: Denn man siehet vor Augen, daß
alle Welt vom Tod hingerissen wird und stirbt. Einen fressen die wilden
Thiere, den andern frißt das Schwert; dieser läßt ein Bein in Ungarn, jener
wird mit Feuer verbrannt; den verzehren die Würmer in der Erden, jenen die
Fische im Wasser: einen andern fressen die Vögel unter dem Himmel, und so
fort an. Da wills schwer sein, glauben, daß der Mensch, der so mancherlei
Weise umkommt und stirbet, wiederum leben soll, und des Menschen Glieder,
die so weit voneinander zerstreuet, zu Asche und Pulver gemacht werden, im
Feuer, Wasser, Erde, wiederum zusammenkommen sollen.

Viti, 12i0: Es scheinet zu unbillig und ungereimt, daß Gott daS
Spiel so abentheuerlich.angreifen und sich so thörlich zur Sache stellen soll
mit seinem Gericht, daß, weil Adam in einen Apfel heißet, soll er so viel aus¬
gerichtet haben, daß alle Menschen nach ihm, bis zu Ende der Welt, müssen
des Todes sein. Denn er hat ja noch keinen Mord noch Ehebruch gethan.
Ja, wenn es noch der Tod allein wäre: aber daß wir alle, um dieser frem¬
den Sünde willen ewige Strafe und Verdammniß sollten verdient haben,
und in der Hölle leiden, daS geht viel weniger in eines Menschen Herz; denn
es scheinet gar zu unbillig geurtheilet und unbarmherzig gehandelt von solcher
hohen Majestät, welche ist die höchste Weisheit und Güte.

XXll, 294: Einer fragte von der Propheten Offenbarung^ die immerdar
rühmen: "so spricht der Herr", ob Gott persönlich mit ihnen geredet habe?
Da sagte Dr. M. Luther: es sind sehr heilige, geistliche, fleißige Leute gewest,
die göttlichen und heiligen Sachen haben mit Ernst nachgedacht, und sie be¬
trachtet, darum hat Gott in ihren Gewissen mit ihnen geredt, daS haben
die. Propheten für eine gewisse Offenbarung angenommen.

VII, 1730 : Christus nach seinem Einreiten in Jerusalem ist alsbald in
Tempel gegangen und hat da rumoret. Aber hier.fragt sechs, wie sich die
zweenEvangelisten, Matthäus und Johannes zusammenreimen-
Denn Matthäus schreibt, es sei geschehen am Palmentage, da der Herr zu
Jerusalem ist eingeritten; hier (e. 2, 13) lautet es im Joh. also, als sei eS
bald um die Ostern nach der Taufe Christi geschehen. Aber es sind Fragen
und bleiben Fragen, die ich nicht will auflösen: es liegt auch nicht viel dran.
Die Evangelisten halten nicht einerlei Ordnung, was einer vorne setzet, das
setzet der andre bisweilen hinten. Es kann auch wol fein, daß der Herr sol¬
ches mehr denn einmal gethan hat. Ihm sei nun wie ihm wolle, so brichtS
uns von unserm Glauben nichts ab. Wenn ein Streit in der h. Schrift vor-


VlII, 12L2: DaS ist ja ein ungeschickt Ding, und hat mich selbst
oft wunderlich angesehen, und ist wahrlich ein schwerer Artikel ins Herz
zu bringen, wenn ich sehe einen Menschen took hintragen und bescharren, daß
ich doch mit solchem Herzen und Gedanken soll davon gehen, daß wir werden
miteinander wieder auferstehen, p. 989: Denn man siehet vor Augen, daß
alle Welt vom Tod hingerissen wird und stirbt. Einen fressen die wilden
Thiere, den andern frißt das Schwert; dieser läßt ein Bein in Ungarn, jener
wird mit Feuer verbrannt; den verzehren die Würmer in der Erden, jenen die
Fische im Wasser: einen andern fressen die Vögel unter dem Himmel, und so
fort an. Da wills schwer sein, glauben, daß der Mensch, der so mancherlei
Weise umkommt und stirbet, wiederum leben soll, und des Menschen Glieder,
die so weit voneinander zerstreuet, zu Asche und Pulver gemacht werden, im
Feuer, Wasser, Erde, wiederum zusammenkommen sollen.

Viti, 12i0: Es scheinet zu unbillig und ungereimt, daß Gott daS
Spiel so abentheuerlich.angreifen und sich so thörlich zur Sache stellen soll
mit seinem Gericht, daß, weil Adam in einen Apfel heißet, soll er so viel aus¬
gerichtet haben, daß alle Menschen nach ihm, bis zu Ende der Welt, müssen
des Todes sein. Denn er hat ja noch keinen Mord noch Ehebruch gethan.
Ja, wenn es noch der Tod allein wäre: aber daß wir alle, um dieser frem¬
den Sünde willen ewige Strafe und Verdammniß sollten verdient haben,
und in der Hölle leiden, daS geht viel weniger in eines Menschen Herz; denn
es scheinet gar zu unbillig geurtheilet und unbarmherzig gehandelt von solcher
hohen Majestät, welche ist die höchste Weisheit und Güte.

XXll, 294: Einer fragte von der Propheten Offenbarung^ die immerdar
rühmen: „so spricht der Herr", ob Gott persönlich mit ihnen geredet habe?
Da sagte Dr. M. Luther: es sind sehr heilige, geistliche, fleißige Leute gewest,
die göttlichen und heiligen Sachen haben mit Ernst nachgedacht, und sie be¬
trachtet, darum hat Gott in ihren Gewissen mit ihnen geredt, daS haben
die. Propheten für eine gewisse Offenbarung angenommen.

VII, 1730 : Christus nach seinem Einreiten in Jerusalem ist alsbald in
Tempel gegangen und hat da rumoret. Aber hier.fragt sechs, wie sich die
zweenEvangelisten, Matthäus und Johannes zusammenreimen-
Denn Matthäus schreibt, es sei geschehen am Palmentage, da der Herr zu
Jerusalem ist eingeritten; hier (e. 2, 13) lautet es im Joh. also, als sei eS
bald um die Ostern nach der Taufe Christi geschehen. Aber es sind Fragen
und bleiben Fragen, die ich nicht will auflösen: es liegt auch nicht viel dran.
Die Evangelisten halten nicht einerlei Ordnung, was einer vorne setzet, das
setzet der andre bisweilen hinten. Es kann auch wol fein, daß der Herr sol¬
ches mehr denn einmal gethan hat. Ihm sei nun wie ihm wolle, so brichtS
uns von unserm Glauben nichts ab. Wenn ein Streit in der h. Schrift vor-


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[0429] VlII, 12L2: DaS ist ja ein ungeschickt Ding, und hat mich selbst oft wunderlich angesehen, und ist wahrlich ein schwerer Artikel ins Herz zu bringen, wenn ich sehe einen Menschen took hintragen und bescharren, daß ich doch mit solchem Herzen und Gedanken soll davon gehen, daß wir werden miteinander wieder auferstehen, p. 989: Denn man siehet vor Augen, daß alle Welt vom Tod hingerissen wird und stirbt. Einen fressen die wilden Thiere, den andern frißt das Schwert; dieser läßt ein Bein in Ungarn, jener wird mit Feuer verbrannt; den verzehren die Würmer in der Erden, jenen die Fische im Wasser: einen andern fressen die Vögel unter dem Himmel, und so fort an. Da wills schwer sein, glauben, daß der Mensch, der so mancherlei Weise umkommt und stirbet, wiederum leben soll, und des Menschen Glieder, die so weit voneinander zerstreuet, zu Asche und Pulver gemacht werden, im Feuer, Wasser, Erde, wiederum zusammenkommen sollen. Viti, 12i0: Es scheinet zu unbillig und ungereimt, daß Gott daS Spiel so abentheuerlich.angreifen und sich so thörlich zur Sache stellen soll mit seinem Gericht, daß, weil Adam in einen Apfel heißet, soll er so viel aus¬ gerichtet haben, daß alle Menschen nach ihm, bis zu Ende der Welt, müssen des Todes sein. Denn er hat ja noch keinen Mord noch Ehebruch gethan. Ja, wenn es noch der Tod allein wäre: aber daß wir alle, um dieser frem¬ den Sünde willen ewige Strafe und Verdammniß sollten verdient haben, und in der Hölle leiden, daS geht viel weniger in eines Menschen Herz; denn es scheinet gar zu unbillig geurtheilet und unbarmherzig gehandelt von solcher hohen Majestät, welche ist die höchste Weisheit und Güte. XXll, 294: Einer fragte von der Propheten Offenbarung^ die immerdar rühmen: „so spricht der Herr", ob Gott persönlich mit ihnen geredet habe? Da sagte Dr. M. Luther: es sind sehr heilige, geistliche, fleißige Leute gewest, die göttlichen und heiligen Sachen haben mit Ernst nachgedacht, und sie be¬ trachtet, darum hat Gott in ihren Gewissen mit ihnen geredt, daS haben die. Propheten für eine gewisse Offenbarung angenommen. VII, 1730 : Christus nach seinem Einreiten in Jerusalem ist alsbald in Tempel gegangen und hat da rumoret. Aber hier.fragt sechs, wie sich die zweenEvangelisten, Matthäus und Johannes zusammenreimen- Denn Matthäus schreibt, es sei geschehen am Palmentage, da der Herr zu Jerusalem ist eingeritten; hier (e. 2, 13) lautet es im Joh. also, als sei eS bald um die Ostern nach der Taufe Christi geschehen. Aber es sind Fragen und bleiben Fragen, die ich nicht will auflösen: es liegt auch nicht viel dran. Die Evangelisten halten nicht einerlei Ordnung, was einer vorne setzet, das setzet der andre bisweilen hinten. Es kann auch wol fein, daß der Herr sol¬ ches mehr denn einmal gethan hat. Ihm sei nun wie ihm wolle, so brichtS uns von unserm Glauben nichts ab. Wenn ein Streit in der h. Schrift vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/429>, abgerufen am 23.07.2024.