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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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schen. Immer soll der darstellende Künstler gefällig und behend dem Publicum sein
Inneres nach außen kehren; all seine Erhebung und die concrntrirte Thätigkeit von
Leib und Seele vergeht in der luftigen Welt des schonen Scheins, dem wirklichen
Leben soll er genügen, wenn er abgespannt von der Vollendeten Anstrengung
oder in der Vorbereitung für eine neue ist. Unnatürlich rasch wird er aus
der Wirklichkeit in das Reich des Scheins geworfen, in unheimlicher Schnelle
wechseln ihm Anspannung und Abspannung, Uebermäßig laut ist der Beifall,
zu viel Flitterwerk hängt an seinen Triumphen, Der Augenblick und das
Publieum werden seine Götter, denen er alles Eigne zum Opfer bringen soll,
>l"d wenn ihm einmal die Kehle versagt, der Zauber der Jugend von seinem
Antlitz schwindet, das in ewiger Jagd übertriebene Gedächtniß den Dienst
versagt, wie steht er dann in der Welt? Was er im Augenblicke mit Leib und
Seele schuf, im nächsten Augenblicke ist es vergessen; Verklungen, und vergessen
lst aller Zauber seiner Töne und seines Spiels, nichts bleibt von ihm, als
en^e kühle Erinnerung in den Seelen Einzelner, und nichts bleibt vielleicht
>hin, als der quälende Drang nach einem Gestalten, das ihm die Natur jetzt
versagt, und die quälende Erinnerung an den Glanz und die hohe Spannung
seiner Seele in einer Vergangenheit, die ihm nie wiederkehrt.

So ist nur zu oft das Loos des Künstlers, der von der Bühne zurück¬
treten mußte, Und vollends die Frau. Vieles hat sie erlebt und unendlich
Vieles durchgefühlt, was dem Weibe die schützenden Götter des Hauses immer
fern halten. Für sich selbst hat sie jahrelang gearbeitet, sie hat sich zum
Mittelpunkt eines Kreises mit den größten Peripherien gemacht; um ihr Lächeln
haben Hunderte geworben, Tausende hat sie durch einen Ton, eine Bewegung
des Körpers entzückt. Und sie muß das wissen, denn sie muß immer darauf
denken, durch welche Mittel sie solche Wirkungen erreichen kann. In jeder
Rolle, die sie schafft, hat sie einen Theil ihrer Seele, auch das Reizende ihres
Leibes Tausenden zu zeigen; wird sie im spätern Leben die Selbstbeschränkung
Hahn,, sich, wie der Gattin, der Mutter ziemt, gegen die Welt zu verhüllen?
Doch sie ist feinfühlend und gut, sie vermag es; vielleicht ist ihr ^ grade
das ein Genuß, den sie in der Zeit ihrer großen Siege sich oft schwärmerisch
ersehnthat, wie die Begeisterung wol ein Opfer ersehnt. Aber hat ihrKünstler-
lebeu ihr auch die Fähigkeit gegeben, im Wechsel der Stimmung, ohne Klage,
fest und beharrlich sich und ihrer Umgebung später zu verbergen, daß sie ein Opfer
gebracht hat? Und wird sie im Stande sein, in der Beschränkung eines kleinen
Lebens, vielleicht unter Entbehrung der zahlreichen Kleinigkeiten, welche gering
sind, wenn man sie besitzt, und sehr wünschenswert!) erscheinen, wenn man sie
entbehrt, für andere zu sorgen und als Hausfrau mit genügsamer Hand die
Schlüssel festzuhalten, deren Obhut ihr einst eine Gesellschafterin abnahm, weil
dies Amt für die Künstlerin unpassend war? Doch auch das wird sie können,


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schen. Immer soll der darstellende Künstler gefällig und behend dem Publicum sein
Inneres nach außen kehren; all seine Erhebung und die concrntrirte Thätigkeit von
Leib und Seele vergeht in der luftigen Welt des schonen Scheins, dem wirklichen
Leben soll er genügen, wenn er abgespannt von der Vollendeten Anstrengung
oder in der Vorbereitung für eine neue ist. Unnatürlich rasch wird er aus
der Wirklichkeit in das Reich des Scheins geworfen, in unheimlicher Schnelle
wechseln ihm Anspannung und Abspannung, Uebermäßig laut ist der Beifall,
zu viel Flitterwerk hängt an seinen Triumphen, Der Augenblick und das
Publieum werden seine Götter, denen er alles Eigne zum Opfer bringen soll,
>l»d wenn ihm einmal die Kehle versagt, der Zauber der Jugend von seinem
Antlitz schwindet, das in ewiger Jagd übertriebene Gedächtniß den Dienst
versagt, wie steht er dann in der Welt? Was er im Augenblicke mit Leib und
Seele schuf, im nächsten Augenblicke ist es vergessen; Verklungen, und vergessen
lst aller Zauber seiner Töne und seines Spiels, nichts bleibt von ihm, als
en^e kühle Erinnerung in den Seelen Einzelner, und nichts bleibt vielleicht
>hin, als der quälende Drang nach einem Gestalten, das ihm die Natur jetzt
versagt, und die quälende Erinnerung an den Glanz und die hohe Spannung
seiner Seele in einer Vergangenheit, die ihm nie wiederkehrt.

So ist nur zu oft das Loos des Künstlers, der von der Bühne zurück¬
treten mußte, Und vollends die Frau. Vieles hat sie erlebt und unendlich
Vieles durchgefühlt, was dem Weibe die schützenden Götter des Hauses immer
fern halten. Für sich selbst hat sie jahrelang gearbeitet, sie hat sich zum
Mittelpunkt eines Kreises mit den größten Peripherien gemacht; um ihr Lächeln
haben Hunderte geworben, Tausende hat sie durch einen Ton, eine Bewegung
des Körpers entzückt. Und sie muß das wissen, denn sie muß immer darauf
denken, durch welche Mittel sie solche Wirkungen erreichen kann. In jeder
Rolle, die sie schafft, hat sie einen Theil ihrer Seele, auch das Reizende ihres
Leibes Tausenden zu zeigen; wird sie im spätern Leben die Selbstbeschränkung
Hahn,, sich, wie der Gattin, der Mutter ziemt, gegen die Welt zu verhüllen?
Doch sie ist feinfühlend und gut, sie vermag es; vielleicht ist ihr ^ grade
das ein Genuß, den sie in der Zeit ihrer großen Siege sich oft schwärmerisch
ersehnthat, wie die Begeisterung wol ein Opfer ersehnt. Aber hat ihrKünstler-
lebeu ihr auch die Fähigkeit gegeben, im Wechsel der Stimmung, ohne Klage,
fest und beharrlich sich und ihrer Umgebung später zu verbergen, daß sie ein Opfer
gebracht hat? Und wird sie im Stande sein, in der Beschränkung eines kleinen
Lebens, vielleicht unter Entbehrung der zahlreichen Kleinigkeiten, welche gering
sind, wenn man sie besitzt, und sehr wünschenswert!) erscheinen, wenn man sie
entbehrt, für andere zu sorgen und als Hausfrau mit genügsamer Hand die
Schlüssel festzuhalten, deren Obhut ihr einst eine Gesellschafterin abnahm, weil
dies Amt für die Künstlerin unpassend war? Doch auch das wird sie können,


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[0355] schen. Immer soll der darstellende Künstler gefällig und behend dem Publicum sein Inneres nach außen kehren; all seine Erhebung und die concrntrirte Thätigkeit von Leib und Seele vergeht in der luftigen Welt des schonen Scheins, dem wirklichen Leben soll er genügen, wenn er abgespannt von der Vollendeten Anstrengung oder in der Vorbereitung für eine neue ist. Unnatürlich rasch wird er aus der Wirklichkeit in das Reich des Scheins geworfen, in unheimlicher Schnelle wechseln ihm Anspannung und Abspannung, Uebermäßig laut ist der Beifall, zu viel Flitterwerk hängt an seinen Triumphen, Der Augenblick und das Publieum werden seine Götter, denen er alles Eigne zum Opfer bringen soll, >l»d wenn ihm einmal die Kehle versagt, der Zauber der Jugend von seinem Antlitz schwindet, das in ewiger Jagd übertriebene Gedächtniß den Dienst versagt, wie steht er dann in der Welt? Was er im Augenblicke mit Leib und Seele schuf, im nächsten Augenblicke ist es vergessen; Verklungen, und vergessen lst aller Zauber seiner Töne und seines Spiels, nichts bleibt von ihm, als en^e kühle Erinnerung in den Seelen Einzelner, und nichts bleibt vielleicht >hin, als der quälende Drang nach einem Gestalten, das ihm die Natur jetzt versagt, und die quälende Erinnerung an den Glanz und die hohe Spannung seiner Seele in einer Vergangenheit, die ihm nie wiederkehrt. So ist nur zu oft das Loos des Künstlers, der von der Bühne zurück¬ treten mußte, Und vollends die Frau. Vieles hat sie erlebt und unendlich Vieles durchgefühlt, was dem Weibe die schützenden Götter des Hauses immer fern halten. Für sich selbst hat sie jahrelang gearbeitet, sie hat sich zum Mittelpunkt eines Kreises mit den größten Peripherien gemacht; um ihr Lächeln haben Hunderte geworben, Tausende hat sie durch einen Ton, eine Bewegung des Körpers entzückt. Und sie muß das wissen, denn sie muß immer darauf denken, durch welche Mittel sie solche Wirkungen erreichen kann. In jeder Rolle, die sie schafft, hat sie einen Theil ihrer Seele, auch das Reizende ihres Leibes Tausenden zu zeigen; wird sie im spätern Leben die Selbstbeschränkung Hahn,, sich, wie der Gattin, der Mutter ziemt, gegen die Welt zu verhüllen? Doch sie ist feinfühlend und gut, sie vermag es; vielleicht ist ihr ^ grade das ein Genuß, den sie in der Zeit ihrer großen Siege sich oft schwärmerisch ersehnthat, wie die Begeisterung wol ein Opfer ersehnt. Aber hat ihrKünstler- lebeu ihr auch die Fähigkeit gegeben, im Wechsel der Stimmung, ohne Klage, fest und beharrlich sich und ihrer Umgebung später zu verbergen, daß sie ein Opfer gebracht hat? Und wird sie im Stande sein, in der Beschränkung eines kleinen Lebens, vielleicht unter Entbehrung der zahlreichen Kleinigkeiten, welche gering sind, wenn man sie besitzt, und sehr wünschenswert!) erscheinen, wenn man sie entbehrt, für andere zu sorgen und als Hausfrau mit genügsamer Hand die Schlüssel festzuhalten, deren Obhut ihr einst eine Gesellschafterin abnahm, weil dies Amt für die Künstlerin unpassend war? Doch auch das wird sie können, i4 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/355>, abgerufen am 22.12.2024.