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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Und Eines -- das ist aber das Höchste, Geheimnißvolle auch in der
reproducirenden Kunst, wird die Photographie nie geben können, den unmittel¬
baren Eindruck eines lebendigen Geistes, in dem ein neues Werk geboren,
ein vorhandenes wiedergeboren ist.

Neben der großen Ausbildung der Lithographie bis zu den effectvollsten,
an Tönen reichen Darstellung römischer Campagnascenen, zu der Neprodu-
cirung pvmpejanischer .Wandgemälde, neben den trefflichen Kupferstichen in
allen Stufen skizzenhafter wie ausgeführtester Arbeit, die uns Rafaels Madonnen
und hoffentlich bald seine Stanzen, die uns kaulbachsche Wandgemälde und
Zeichnungen vorführen, neben den Leistungen im Stahlstich, mit der Radir-
nadel können wir Deutsche uns vor allem der Neubelebung einer echt
deutschen, unserem Gemüths- und Volksleben specifisch entsprechenden Technik
erfreuen, -- ich meine den Holzschnitt.

Welcher Erwachsene hat nicht schon mit einem gewissen Neid die Kinder¬
bücher mit den H'olzschnittzeichnungen eines Richter u. a. betrachtet! Wie
werden goethische Lieder, sein Hermann und Dorothea, sein Götz von Ber-
lichingen in jener anspruchslosesten aller Technik feinsinnig erfaßt und firirt!
Und das große Unternehmen der schnorrschen Bilderbibel, deren erster Band
letzt vollendet vor uns liegt, hat zum ersten Male wieder für das historisch¬
religiöse Bild da angeknüpft, wo die deutsche Kunst des 16. Jahrhunderts
Hand in Hand mit der Reformation gehend, so Großes geleistet, um die lu¬
therische Bibel zum Volksbuch zu machen. Jetzt gilt es zunächst, das gebildete
Familienleben an die individuellen großen Gestalten des alten und neuen
Testamentes wieder zu gewöhnen, sie ihnen nahe zu führen und zwar in der
künstlerischen Form, wie sie durch die großen italienischen Meister gefunden,"
seitdem bei allen Verirrungen nie wieder hat aufgegeben werden können. Mag
der Einzelne mit dieser oder jener Darstellung rechten, mag man hie und da
ein engeres Anschließen an das einmal darüber trefflich von frühern Meistern
Gefundene wünschen, das ganze Unternehmen ist ohne Zweifel das cultur¬
geschichtlich beveutendste seiner Art und selbst eine treffliche Bildungsschule
deutscher Holzschneidekunst.

Da ist vor wenig Monaten die erste Lieferung eines Werkes erschienen,
welches sich zum Ziele gesetzt hat, die bedeutendsten Holzschnitte Albrecht
Dürers in der Originalgröße, in treuen Nachbildungen um einen sehr mä¬
ßigen Preis dem Publicum vorzuführen: es ist das Albrecht Dürers
Album, im Verlag von Zeisers Buch- und Kunsthandlung in Nürnberg.
Director W. von Kaulbach hat daS Unternehmen in seinen besonderen Schutz
genommen und es mit eindringlichen Worten der Empfehlung an die deut¬
schen Kunstjünger begleitet, Director Kreling in Nürnberg beaufsichtigt un¬
mittelbar die Ausführung der Holzschnitte.


Und Eines — das ist aber das Höchste, Geheimnißvolle auch in der
reproducirenden Kunst, wird die Photographie nie geben können, den unmittel¬
baren Eindruck eines lebendigen Geistes, in dem ein neues Werk geboren,
ein vorhandenes wiedergeboren ist.

Neben der großen Ausbildung der Lithographie bis zu den effectvollsten,
an Tönen reichen Darstellung römischer Campagnascenen, zu der Neprodu-
cirung pvmpejanischer .Wandgemälde, neben den trefflichen Kupferstichen in
allen Stufen skizzenhafter wie ausgeführtester Arbeit, die uns Rafaels Madonnen
und hoffentlich bald seine Stanzen, die uns kaulbachsche Wandgemälde und
Zeichnungen vorführen, neben den Leistungen im Stahlstich, mit der Radir-
nadel können wir Deutsche uns vor allem der Neubelebung einer echt
deutschen, unserem Gemüths- und Volksleben specifisch entsprechenden Technik
erfreuen, — ich meine den Holzschnitt.

Welcher Erwachsene hat nicht schon mit einem gewissen Neid die Kinder¬
bücher mit den H'olzschnittzeichnungen eines Richter u. a. betrachtet! Wie
werden goethische Lieder, sein Hermann und Dorothea, sein Götz von Ber-
lichingen in jener anspruchslosesten aller Technik feinsinnig erfaßt und firirt!
Und das große Unternehmen der schnorrschen Bilderbibel, deren erster Band
letzt vollendet vor uns liegt, hat zum ersten Male wieder für das historisch¬
religiöse Bild da angeknüpft, wo die deutsche Kunst des 16. Jahrhunderts
Hand in Hand mit der Reformation gehend, so Großes geleistet, um die lu¬
therische Bibel zum Volksbuch zu machen. Jetzt gilt es zunächst, das gebildete
Familienleben an die individuellen großen Gestalten des alten und neuen
Testamentes wieder zu gewöhnen, sie ihnen nahe zu führen und zwar in der
künstlerischen Form, wie sie durch die großen italienischen Meister gefunden,"
seitdem bei allen Verirrungen nie wieder hat aufgegeben werden können. Mag
der Einzelne mit dieser oder jener Darstellung rechten, mag man hie und da
ein engeres Anschließen an das einmal darüber trefflich von frühern Meistern
Gefundene wünschen, das ganze Unternehmen ist ohne Zweifel das cultur¬
geschichtlich beveutendste seiner Art und selbst eine treffliche Bildungsschule
deutscher Holzschneidekunst.

Da ist vor wenig Monaten die erste Lieferung eines Werkes erschienen,
welches sich zum Ziele gesetzt hat, die bedeutendsten Holzschnitte Albrecht
Dürers in der Originalgröße, in treuen Nachbildungen um einen sehr mä¬
ßigen Preis dem Publicum vorzuführen: es ist das Albrecht Dürers
Album, im Verlag von Zeisers Buch- und Kunsthandlung in Nürnberg.
Director W. von Kaulbach hat daS Unternehmen in seinen besonderen Schutz
genommen und es mit eindringlichen Worten der Empfehlung an die deut¬
schen Kunstjünger begleitet, Director Kreling in Nürnberg beaufsichtigt un¬
mittelbar die Ausführung der Holzschnitte.


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[0341] Und Eines — das ist aber das Höchste, Geheimnißvolle auch in der reproducirenden Kunst, wird die Photographie nie geben können, den unmittel¬ baren Eindruck eines lebendigen Geistes, in dem ein neues Werk geboren, ein vorhandenes wiedergeboren ist. Neben der großen Ausbildung der Lithographie bis zu den effectvollsten, an Tönen reichen Darstellung römischer Campagnascenen, zu der Neprodu- cirung pvmpejanischer .Wandgemälde, neben den trefflichen Kupferstichen in allen Stufen skizzenhafter wie ausgeführtester Arbeit, die uns Rafaels Madonnen und hoffentlich bald seine Stanzen, die uns kaulbachsche Wandgemälde und Zeichnungen vorführen, neben den Leistungen im Stahlstich, mit der Radir- nadel können wir Deutsche uns vor allem der Neubelebung einer echt deutschen, unserem Gemüths- und Volksleben specifisch entsprechenden Technik erfreuen, — ich meine den Holzschnitt. Welcher Erwachsene hat nicht schon mit einem gewissen Neid die Kinder¬ bücher mit den H'olzschnittzeichnungen eines Richter u. a. betrachtet! Wie werden goethische Lieder, sein Hermann und Dorothea, sein Götz von Ber- lichingen in jener anspruchslosesten aller Technik feinsinnig erfaßt und firirt! Und das große Unternehmen der schnorrschen Bilderbibel, deren erster Band letzt vollendet vor uns liegt, hat zum ersten Male wieder für das historisch¬ religiöse Bild da angeknüpft, wo die deutsche Kunst des 16. Jahrhunderts Hand in Hand mit der Reformation gehend, so Großes geleistet, um die lu¬ therische Bibel zum Volksbuch zu machen. Jetzt gilt es zunächst, das gebildete Familienleben an die individuellen großen Gestalten des alten und neuen Testamentes wieder zu gewöhnen, sie ihnen nahe zu führen und zwar in der künstlerischen Form, wie sie durch die großen italienischen Meister gefunden," seitdem bei allen Verirrungen nie wieder hat aufgegeben werden können. Mag der Einzelne mit dieser oder jener Darstellung rechten, mag man hie und da ein engeres Anschließen an das einmal darüber trefflich von frühern Meistern Gefundene wünschen, das ganze Unternehmen ist ohne Zweifel das cultur¬ geschichtlich beveutendste seiner Art und selbst eine treffliche Bildungsschule deutscher Holzschneidekunst. Da ist vor wenig Monaten die erste Lieferung eines Werkes erschienen, welches sich zum Ziele gesetzt hat, die bedeutendsten Holzschnitte Albrecht Dürers in der Originalgröße, in treuen Nachbildungen um einen sehr mä¬ ßigen Preis dem Publicum vorzuführen: es ist das Albrecht Dürers Album, im Verlag von Zeisers Buch- und Kunsthandlung in Nürnberg. Director W. von Kaulbach hat daS Unternehmen in seinen besonderen Schutz genommen und es mit eindringlichen Worten der Empfehlung an die deut¬ schen Kunstjünger begleitet, Director Kreling in Nürnberg beaufsichtigt un¬ mittelbar die Ausführung der Holzschnitte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/341>, abgerufen am 22.07.2024.