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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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an der Spitze, lind theilten sich in die Aufgabe mit Hawliczek, ihrem Lehrmeister,
bei dem sie für ihre journalistischen Persa das Gnadenbrod genossen, auf Leben
und Tod zu ringen. Nur Opposition nährte Hawliczeks Thätigkeit, Ruhe und
ein Sichgehenlassen war Tod.

Nach einigen politischen Pas schwang er mit aller Derbheit seine Geißel, man
strich die Segel, schimpfte gegenseitig, wahrte nun das religiöse Princip in Böhmen,
und dies blieb die Tendenz dieses Blattes.

Hawliczek galt uns beim Volke als der einzige wahre Prophet, nur ihm
glaubte man, und wie konnte man den Abtrünnigen und den Söldner der Rcactions-
partei, wie er sie nannte, nur Glauben schenken, da ja Volta in der Erinnerung
des Volkes noch lebte?

Volta, ein unzufriedener, weltlich gesinnter Mensch, verließ als Noviz das
Krenzherrustift in Prag, ward Ultracecb, stand in Mitte der Bewegung des Jahres
1848, und führte als Präsident des politischen Studentenvercins Slavia das Eom-
mando bei den Barrikaden. Nach Beendigung des Kampfes floh er nach Belgrad.
Nach Ablegung des Glaubensbekenntnisses wurde ihm durch Protection des Grafen
Wurmbrand die Redaction des reactionären OppoflttonsblatteS in die Hände gelegt,
die er so lange führte, bis man ihn zu andern Maßregeln gegen Hawliczek grei¬
fend als unbrauchbar entlassen. Jetzt ist er Jesuit.

Das wiener Blatt wurde wegen Mangel an Abonnenten gratis versendet, wenn
es zu Nutze werden solltewährend Hawliczeks Slovan in Böhmen, Mähren und
Slavakei nur verschlungen wurde.

Göttlicher Hawliczek! klang es allenthalben aus dem Munde des Volkes.

Zweimal stand er vor den Assisen des Schwurgerichtes, angeklagt der gehässigen -
Anreizung gegen die Negierung' --- und wurde zweimal einstimmig freigesprochen.
Kuttenberg, der Ort der gepflogenen Verhandlung war der Schauplatz der lärmendsten
Freudendemonstration, in welche das aus der Umgebung Kuttenbergs herbeiströmende
Landvolk ausgebrochen- Hawliczk triumphirte und gewann in der eingenommenen
Stellung immer mehr Muth.

, Da alle' Versuche der Reactionspartci, ihn unschädlich zu machen, mißlungen
sind, und die unglaubliche Verbreitung des Blattes Slovan die Regierung immer
besorgter machte, wurde der' gefürchtete Oppositionsmann Nachts in seiner Wohnung
in Kuttenberg von einem Polizeicommissar verhaftet, und in einer Kutsche sofort uach
Brixen in Tirol befördert um dort confinirt zu werden. Dort verlebte er mehre
Jahre unter polizeichcr Aufsicht und durfte erst vor kurzem in sein Vaterland zu¬
rückkehren. Eri starb an einem Lungenleiden, das er von dort mitbrachte.

Der Besitz des Slovan und der kuttenbergcr Episteln ist streng verboten und
trotzdem liest sie das Volk wie sein zweites Evangelium. Hawliezek hat sich hierin
nur immer negativ gegen den Katholicismus ausgesprochen, und doch sprach man
von einem Acte der Widerrufung, den die Geistlichkeit auszuführen beabsichtigte.
Allein der schnelle Tod kam allen Machinationen zuvor.

Und so hat er nichts widerrufen und liegt doch in geweihter Erde begraben
zum Troste seiner Freunde. '




an der Spitze, lind theilten sich in die Aufgabe mit Hawliczek, ihrem Lehrmeister,
bei dem sie für ihre journalistischen Persa das Gnadenbrod genossen, auf Leben
und Tod zu ringen. Nur Opposition nährte Hawliczeks Thätigkeit, Ruhe und
ein Sichgehenlassen war Tod.

Nach einigen politischen Pas schwang er mit aller Derbheit seine Geißel, man
strich die Segel, schimpfte gegenseitig, wahrte nun das religiöse Princip in Böhmen,
und dies blieb die Tendenz dieses Blattes.

Hawliczek galt uns beim Volke als der einzige wahre Prophet, nur ihm
glaubte man, und wie konnte man den Abtrünnigen und den Söldner der Rcactions-
partei, wie er sie nannte, nur Glauben schenken, da ja Volta in der Erinnerung
des Volkes noch lebte?

Volta, ein unzufriedener, weltlich gesinnter Mensch, verließ als Noviz das
Krenzherrustift in Prag, ward Ultracecb, stand in Mitte der Bewegung des Jahres
1848, und führte als Präsident des politischen Studentenvercins Slavia das Eom-
mando bei den Barrikaden. Nach Beendigung des Kampfes floh er nach Belgrad.
Nach Ablegung des Glaubensbekenntnisses wurde ihm durch Protection des Grafen
Wurmbrand die Redaction des reactionären OppoflttonsblatteS in die Hände gelegt,
die er so lange führte, bis man ihn zu andern Maßregeln gegen Hawliczek grei¬
fend als unbrauchbar entlassen. Jetzt ist er Jesuit.

Das wiener Blatt wurde wegen Mangel an Abonnenten gratis versendet, wenn
es zu Nutze werden solltewährend Hawliczeks Slovan in Böhmen, Mähren und
Slavakei nur verschlungen wurde.

Göttlicher Hawliczek! klang es allenthalben aus dem Munde des Volkes.

Zweimal stand er vor den Assisen des Schwurgerichtes, angeklagt der gehässigen -
Anreizung gegen die Negierung' -— und wurde zweimal einstimmig freigesprochen.
Kuttenberg, der Ort der gepflogenen Verhandlung war der Schauplatz der lärmendsten
Freudendemonstration, in welche das aus der Umgebung Kuttenbergs herbeiströmende
Landvolk ausgebrochen- Hawliczk triumphirte und gewann in der eingenommenen
Stellung immer mehr Muth.

, Da alle' Versuche der Reactionspartci, ihn unschädlich zu machen, mißlungen
sind, und die unglaubliche Verbreitung des Blattes Slovan die Regierung immer
besorgter machte, wurde der' gefürchtete Oppositionsmann Nachts in seiner Wohnung
in Kuttenberg von einem Polizeicommissar verhaftet, und in einer Kutsche sofort uach
Brixen in Tirol befördert um dort confinirt zu werden. Dort verlebte er mehre
Jahre unter polizeichcr Aufsicht und durfte erst vor kurzem in sein Vaterland zu¬
rückkehren. Eri starb an einem Lungenleiden, das er von dort mitbrachte.

Der Besitz des Slovan und der kuttenbergcr Episteln ist streng verboten und
trotzdem liest sie das Volk wie sein zweites Evangelium. Hawliezek hat sich hierin
nur immer negativ gegen den Katholicismus ausgesprochen, und doch sprach man
von einem Acte der Widerrufung, den die Geistlichkeit auszuführen beabsichtigte.
Allein der schnelle Tod kam allen Machinationen zuvor.

Und so hat er nichts widerrufen und liegt doch in geweihter Erde begraben
zum Troste seiner Freunde. '




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[0046] an der Spitze, lind theilten sich in die Aufgabe mit Hawliczek, ihrem Lehrmeister, bei dem sie für ihre journalistischen Persa das Gnadenbrod genossen, auf Leben und Tod zu ringen. Nur Opposition nährte Hawliczeks Thätigkeit, Ruhe und ein Sichgehenlassen war Tod. Nach einigen politischen Pas schwang er mit aller Derbheit seine Geißel, man strich die Segel, schimpfte gegenseitig, wahrte nun das religiöse Princip in Böhmen, und dies blieb die Tendenz dieses Blattes. Hawliczek galt uns beim Volke als der einzige wahre Prophet, nur ihm glaubte man, und wie konnte man den Abtrünnigen und den Söldner der Rcactions- partei, wie er sie nannte, nur Glauben schenken, da ja Volta in der Erinnerung des Volkes noch lebte? Volta, ein unzufriedener, weltlich gesinnter Mensch, verließ als Noviz das Krenzherrustift in Prag, ward Ultracecb, stand in Mitte der Bewegung des Jahres 1848, und führte als Präsident des politischen Studentenvercins Slavia das Eom- mando bei den Barrikaden. Nach Beendigung des Kampfes floh er nach Belgrad. Nach Ablegung des Glaubensbekenntnisses wurde ihm durch Protection des Grafen Wurmbrand die Redaction des reactionären OppoflttonsblatteS in die Hände gelegt, die er so lange führte, bis man ihn zu andern Maßregeln gegen Hawliczek grei¬ fend als unbrauchbar entlassen. Jetzt ist er Jesuit. Das wiener Blatt wurde wegen Mangel an Abonnenten gratis versendet, wenn es zu Nutze werden solltewährend Hawliczeks Slovan in Böhmen, Mähren und Slavakei nur verschlungen wurde. Göttlicher Hawliczek! klang es allenthalben aus dem Munde des Volkes. Zweimal stand er vor den Assisen des Schwurgerichtes, angeklagt der gehässigen - Anreizung gegen die Negierung' -— und wurde zweimal einstimmig freigesprochen. Kuttenberg, der Ort der gepflogenen Verhandlung war der Schauplatz der lärmendsten Freudendemonstration, in welche das aus der Umgebung Kuttenbergs herbeiströmende Landvolk ausgebrochen- Hawliczk triumphirte und gewann in der eingenommenen Stellung immer mehr Muth. , Da alle' Versuche der Reactionspartci, ihn unschädlich zu machen, mißlungen sind, und die unglaubliche Verbreitung des Blattes Slovan die Regierung immer besorgter machte, wurde der' gefürchtete Oppositionsmann Nachts in seiner Wohnung in Kuttenberg von einem Polizeicommissar verhaftet, und in einer Kutsche sofort uach Brixen in Tirol befördert um dort confinirt zu werden. Dort verlebte er mehre Jahre unter polizeichcr Aufsicht und durfte erst vor kurzem in sein Vaterland zu¬ rückkehren. Eri starb an einem Lungenleiden, das er von dort mitbrachte. Der Besitz des Slovan und der kuttenbergcr Episteln ist streng verboten und trotzdem liest sie das Volk wie sein zweites Evangelium. Hawliezek hat sich hierin nur immer negativ gegen den Katholicismus ausgesprochen, und doch sprach man von einem Acte der Widerrufung, den die Geistlichkeit auszuführen beabsichtigte. Allein der schnelle Tod kam allen Machinationen zuvor. Und so hat er nichts widerrufen und liegt doch in geweihter Erde begraben zum Troste seiner Freunde. '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/46>, abgerufen am 23.07.2024.