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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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das ist, auf übel Wetter pfleget ein Heller und angenehmer Sonnenschein zu
folgen, welches der grundgütige Gott an Dir in Gnaden erfüllen und geben
wolle, daß, nachdem Du in der See ungemeine Gefahr und Leibesschwachheit
sattsam empfunden und ausgestanden, die Tage und Zeit, welche Du in Por¬
tugal zubringen wirst, die vorigen sauren und bittren Tage verzuckern und
versüßen und Du allgemach die bösen Tage vergessen und der guten Dich
getrosten und erfreuen mögest, welches der Allerhöchste Dir aus Gnaden be¬
ständig geben, gönnen und verleihen wolle. Amen. --

Es sagte Schwager Gerbt Buermeister (welcher Dich als sein Kind liebet) dieser
Tage zu mir, es würde Dir zwar bei Deiner Ankunft in Lissabon viel Dinges
etwas befremdt vorkommen, insonderheit auch wenn Du allerhand Gesichter
von Weißen, Schwarzen, Grauen und Mönchen und andern Personen sehen
würdest, allein es wäre eine Sache von etwa 3 ^ 4- Monaten, so würde
man dessen und anderer Dinge all gewohnet. Nun ist eS also, daß man mit
der Zeit alles gewohnet wird. Ich bin beständig 4 Jahr zu Straßburg ge¬
wesen und daselbst eS so gewohnt geworden, daß es mir gleich viel war, ob
ich in Straßburg oder Hamburg lebete, war auch ums Geringste nicht be¬
kümmert. --

Traue mir und Andern, die dergleichen erfahren, daß eine kurze Zeit und
kleine Geduld alles zu ändern und corrigiren pfleget und hoffe zu Gott, daß
ich deswegen innerhalb 8 ä 10 Wochen bessere Briefe, insonderheit wenn Du
allgemach in der Sprache etwas avanciren wirst, von Dir empfangen werde.
Schläger Gerbt Buermeister sagte, er wäre 12 Jahr gewesen, wie er nach Lissabon
gekommen, und er könnte nicht genug beschreiben sein Mißvergnügen, welches
er empfunden und wie er die Mönche ansichtig geworden, hatte er gemeinet,
daß es Teufel wären, hätte sie auch von oben herab mit Wasser begossen,
aber darüber hätte er bald Händel gekriegt: er sagte, daß wenn er hätte aus¬
gehen sollen, so hätte ihm dafür gegrauet, aber es wäre ein Angewöhniß für
eine kleine Zeit. -- Was die Religion betrifft, so wirst Du vernünftig, so viel
immer thun und möglich alle Heuchelei und alle Occasion vermeiden und mit
niemandem, auch nicht einmal mit Deinem Compagnon von Religionssachen
reden oder Discurs führen, sondern für Dich zu rechter Zeit lesen, auch Mor¬
gens und Abends Dein Gebet zu Gott mit Andacht thun und das feste Ver¬
trauen zu Gott haben, daß, weil er Dich an den Ort so wunderbar berufen,
er auch Dein gnädiger Vater und Schutzherr wider alle vorkommende Wider¬
wärtigkeit sein und verbleiben werde. --

Du meldest, daß Du allbereits einmal aus Noth daselbst gesündiget, als
man die gesegnete Hostie daher getragen -- man pflegt es sonsten das Vene-
rabile zu nennen -- und hast Du wohlgethan, daß Du vor Dich ein Gebet
gethan, und^ wird der gütige Gott das wol erhöret und Dir die Sünde ver-


das ist, auf übel Wetter pfleget ein Heller und angenehmer Sonnenschein zu
folgen, welches der grundgütige Gott an Dir in Gnaden erfüllen und geben
wolle, daß, nachdem Du in der See ungemeine Gefahr und Leibesschwachheit
sattsam empfunden und ausgestanden, die Tage und Zeit, welche Du in Por¬
tugal zubringen wirst, die vorigen sauren und bittren Tage verzuckern und
versüßen und Du allgemach die bösen Tage vergessen und der guten Dich
getrosten und erfreuen mögest, welches der Allerhöchste Dir aus Gnaden be¬
ständig geben, gönnen und verleihen wolle. Amen. —

Es sagte Schwager Gerbt Buermeister (welcher Dich als sein Kind liebet) dieser
Tage zu mir, es würde Dir zwar bei Deiner Ankunft in Lissabon viel Dinges
etwas befremdt vorkommen, insonderheit auch wenn Du allerhand Gesichter
von Weißen, Schwarzen, Grauen und Mönchen und andern Personen sehen
würdest, allein es wäre eine Sache von etwa 3 ^ 4- Monaten, so würde
man dessen und anderer Dinge all gewohnet. Nun ist eS also, daß man mit
der Zeit alles gewohnet wird. Ich bin beständig 4 Jahr zu Straßburg ge¬
wesen und daselbst eS so gewohnt geworden, daß es mir gleich viel war, ob
ich in Straßburg oder Hamburg lebete, war auch ums Geringste nicht be¬
kümmert. —

Traue mir und Andern, die dergleichen erfahren, daß eine kurze Zeit und
kleine Geduld alles zu ändern und corrigiren pfleget und hoffe zu Gott, daß
ich deswegen innerhalb 8 ä 10 Wochen bessere Briefe, insonderheit wenn Du
allgemach in der Sprache etwas avanciren wirst, von Dir empfangen werde.
Schläger Gerbt Buermeister sagte, er wäre 12 Jahr gewesen, wie er nach Lissabon
gekommen, und er könnte nicht genug beschreiben sein Mißvergnügen, welches
er empfunden und wie er die Mönche ansichtig geworden, hatte er gemeinet,
daß es Teufel wären, hätte sie auch von oben herab mit Wasser begossen,
aber darüber hätte er bald Händel gekriegt: er sagte, daß wenn er hätte aus¬
gehen sollen, so hätte ihm dafür gegrauet, aber es wäre ein Angewöhniß für
eine kleine Zeit. — Was die Religion betrifft, so wirst Du vernünftig, so viel
immer thun und möglich alle Heuchelei und alle Occasion vermeiden und mit
niemandem, auch nicht einmal mit Deinem Compagnon von Religionssachen
reden oder Discurs führen, sondern für Dich zu rechter Zeit lesen, auch Mor¬
gens und Abends Dein Gebet zu Gott mit Andacht thun und das feste Ver¬
trauen zu Gott haben, daß, weil er Dich an den Ort so wunderbar berufen,
er auch Dein gnädiger Vater und Schutzherr wider alle vorkommende Wider¬
wärtigkeit sein und verbleiben werde. —

Du meldest, daß Du allbereits einmal aus Noth daselbst gesündiget, als
man die gesegnete Hostie daher getragen — man pflegt es sonsten das Vene-
rabile zu nennen — und hast Du wohlgethan, daß Du vor Dich ein Gebet
gethan, und^ wird der gütige Gott das wol erhöret und Dir die Sünde ver-


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[0356] das ist, auf übel Wetter pfleget ein Heller und angenehmer Sonnenschein zu folgen, welches der grundgütige Gott an Dir in Gnaden erfüllen und geben wolle, daß, nachdem Du in der See ungemeine Gefahr und Leibesschwachheit sattsam empfunden und ausgestanden, die Tage und Zeit, welche Du in Por¬ tugal zubringen wirst, die vorigen sauren und bittren Tage verzuckern und versüßen und Du allgemach die bösen Tage vergessen und der guten Dich getrosten und erfreuen mögest, welches der Allerhöchste Dir aus Gnaden be¬ ständig geben, gönnen und verleihen wolle. Amen. — Es sagte Schwager Gerbt Buermeister (welcher Dich als sein Kind liebet) dieser Tage zu mir, es würde Dir zwar bei Deiner Ankunft in Lissabon viel Dinges etwas befremdt vorkommen, insonderheit auch wenn Du allerhand Gesichter von Weißen, Schwarzen, Grauen und Mönchen und andern Personen sehen würdest, allein es wäre eine Sache von etwa 3 ^ 4- Monaten, so würde man dessen und anderer Dinge all gewohnet. Nun ist eS also, daß man mit der Zeit alles gewohnet wird. Ich bin beständig 4 Jahr zu Straßburg ge¬ wesen und daselbst eS so gewohnt geworden, daß es mir gleich viel war, ob ich in Straßburg oder Hamburg lebete, war auch ums Geringste nicht be¬ kümmert. — Traue mir und Andern, die dergleichen erfahren, daß eine kurze Zeit und kleine Geduld alles zu ändern und corrigiren pfleget und hoffe zu Gott, daß ich deswegen innerhalb 8 ä 10 Wochen bessere Briefe, insonderheit wenn Du allgemach in der Sprache etwas avanciren wirst, von Dir empfangen werde. Schläger Gerbt Buermeister sagte, er wäre 12 Jahr gewesen, wie er nach Lissabon gekommen, und er könnte nicht genug beschreiben sein Mißvergnügen, welches er empfunden und wie er die Mönche ansichtig geworden, hatte er gemeinet, daß es Teufel wären, hätte sie auch von oben herab mit Wasser begossen, aber darüber hätte er bald Händel gekriegt: er sagte, daß wenn er hätte aus¬ gehen sollen, so hätte ihm dafür gegrauet, aber es wäre ein Angewöhniß für eine kleine Zeit. — Was die Religion betrifft, so wirst Du vernünftig, so viel immer thun und möglich alle Heuchelei und alle Occasion vermeiden und mit niemandem, auch nicht einmal mit Deinem Compagnon von Religionssachen reden oder Discurs führen, sondern für Dich zu rechter Zeit lesen, auch Mor¬ gens und Abends Dein Gebet zu Gott mit Andacht thun und das feste Ver¬ trauen zu Gott haben, daß, weil er Dich an den Ort so wunderbar berufen, er auch Dein gnädiger Vater und Schutzherr wider alle vorkommende Wider¬ wärtigkeit sein und verbleiben werde. — Du meldest, daß Du allbereits einmal aus Noth daselbst gesündiget, als man die gesegnete Hostie daher getragen — man pflegt es sonsten das Vene- rabile zu nennen — und hast Du wohlgethan, daß Du vor Dich ein Gebet gethan, und^ wird der gütige Gott das wol erhöret und Dir die Sünde ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/356>, abgerufen am 23.07.2024.