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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Abstimmungen weisen ihn noch entschiedener der rechten Seite zu, als den
Grafen Armin die seinigen. So wäre denn, bei einer genauen .und unbefangenen
Beurtheilung, auch der juristischen Facultät nur das Zeugniß zu geben, daß
sie mit Umsicht und Unparteilichkeit ihre Kandidaten gewählt hat.

Und jetzt noch ein kurzer Rückblick auf die Sachlage. Eine preußische
Universität ertheilt bei einer Feier, die durch die Theilnahme aller Universi¬
täten deutscher Zunge, man kann sagen der ganzen Gelehrtenwelt Deutschlands,
wie durch die huldvolle und liebenswürdige Theilnahme.des Königs von Preu¬
ßen zu einem glänzenden Fest wurde, akademische Würden an solche , welche
ihr nach bestem Erkennen würdig scheinen, mit der bei solchen Gelegenheiten
schicklichen und wohlangebrachten Hervorhebung derjenigen Persönlichkeiten,
welche ihrer Landschaft durch Geburt oder wissenschaftliche Thätigkeit angehö¬
ren. Ein höherer preußischer Beamter, Graf Arnim, sendet das Diplom zu¬
rück, offenbar weil die Gesellschaft, in welcher ihm die Auszcichnug widerfah¬
ren war, nicht seiner politischen Richtung entspricht. Es ist daraus für deutsche
Universitäten Einiges zu lernen.

Wäre' dem Grafen Arnim das Großkreuz eines politischen Ordens
verliehen worden, so hätte er sicher nicht gefragt, ob unter denen, welche den
Orden mit ihm erhalten, auch solche Männer sein könnten, welche eine von
der seinen abweichende wissenschaftliche Bildung und Richtung vertreten haben.
Was kümmert ihn also überhaupt die politische Richtung seiner Kollegen bei
einer wissenschaftlichen Decoration? Es werden deutsche Universitäten fortan
nach seiner Ansicht wohlthun, bei, ver Verleihung gelehrter Würden auch auf
das politische Glaubensbekenntniß derer, welche sie beehren, scharfes Augen¬
merk zu richten. Nun wird es aber den Universitäten gradezu unmöglich sein,
die Männer, welchen sie ihre Ehren verleihen, vorzugsweise oder ausschließlich aus
der politischen Partei der Kreuzzeitung zu wähle", wenn sie nicht alle Ehre und
Würde der Wissenschaft mit Füßen treten wollen. Denn mit Ausnahme weniger
Gelehrten von zweifelhaftem Werth ist diese Partei ebenso baar an wissenschaft¬
lichen Talenten, Intelligenz und praktischer Tüchtigkeit, als die ihr entgegen¬
stehende der extremen Demokratie. Die große Mehrzahl der Gelehrten von
Ruf und Kraft gehört entweder der politischen Richtung an, welche im besten Sinne
des Worts liberal heißt, oder sie steht ihr doch bei aller conservativen Gesin¬
nung der Einzelnen durch eine humanere und hochstnnigere Auffassung mensch¬
licher Tüchtigkeit nahe. Wenn deshalb die Vertreter deutscher Wissenschaft
bei künstigen Gelegenheiten dem Beispiele des Grafen Arnim folgen, so wer¬
den sie sich vollständig reclusiv gegen die Mitglieder seiner politischen Partei ver¬
halten und das Zartgefühl derselben fortan ganz und gar nicht mehr in Ver¬
suchung führen. Eine zweite Betrachtung aber, noch peinlicher, hängt damit
zusammen, und grade in diesem Blatt, welches in dem Jahre 48 und den


Abstimmungen weisen ihn noch entschiedener der rechten Seite zu, als den
Grafen Armin die seinigen. So wäre denn, bei einer genauen .und unbefangenen
Beurtheilung, auch der juristischen Facultät nur das Zeugniß zu geben, daß
sie mit Umsicht und Unparteilichkeit ihre Kandidaten gewählt hat.

Und jetzt noch ein kurzer Rückblick auf die Sachlage. Eine preußische
Universität ertheilt bei einer Feier, die durch die Theilnahme aller Universi¬
täten deutscher Zunge, man kann sagen der ganzen Gelehrtenwelt Deutschlands,
wie durch die huldvolle und liebenswürdige Theilnahme.des Königs von Preu¬
ßen zu einem glänzenden Fest wurde, akademische Würden an solche , welche
ihr nach bestem Erkennen würdig scheinen, mit der bei solchen Gelegenheiten
schicklichen und wohlangebrachten Hervorhebung derjenigen Persönlichkeiten,
welche ihrer Landschaft durch Geburt oder wissenschaftliche Thätigkeit angehö¬
ren. Ein höherer preußischer Beamter, Graf Arnim, sendet das Diplom zu¬
rück, offenbar weil die Gesellschaft, in welcher ihm die Auszcichnug widerfah¬
ren war, nicht seiner politischen Richtung entspricht. Es ist daraus für deutsche
Universitäten Einiges zu lernen.

Wäre' dem Grafen Arnim das Großkreuz eines politischen Ordens
verliehen worden, so hätte er sicher nicht gefragt, ob unter denen, welche den
Orden mit ihm erhalten, auch solche Männer sein könnten, welche eine von
der seinen abweichende wissenschaftliche Bildung und Richtung vertreten haben.
Was kümmert ihn also überhaupt die politische Richtung seiner Kollegen bei
einer wissenschaftlichen Decoration? Es werden deutsche Universitäten fortan
nach seiner Ansicht wohlthun, bei, ver Verleihung gelehrter Würden auch auf
das politische Glaubensbekenntniß derer, welche sie beehren, scharfes Augen¬
merk zu richten. Nun wird es aber den Universitäten gradezu unmöglich sein,
die Männer, welchen sie ihre Ehren verleihen, vorzugsweise oder ausschließlich aus
der politischen Partei der Kreuzzeitung zu wähle», wenn sie nicht alle Ehre und
Würde der Wissenschaft mit Füßen treten wollen. Denn mit Ausnahme weniger
Gelehrten von zweifelhaftem Werth ist diese Partei ebenso baar an wissenschaft¬
lichen Talenten, Intelligenz und praktischer Tüchtigkeit, als die ihr entgegen¬
stehende der extremen Demokratie. Die große Mehrzahl der Gelehrten von
Ruf und Kraft gehört entweder der politischen Richtung an, welche im besten Sinne
des Worts liberal heißt, oder sie steht ihr doch bei aller conservativen Gesin¬
nung der Einzelnen durch eine humanere und hochstnnigere Auffassung mensch¬
licher Tüchtigkeit nahe. Wenn deshalb die Vertreter deutscher Wissenschaft
bei künstigen Gelegenheiten dem Beispiele des Grafen Arnim folgen, so wer¬
den sie sich vollständig reclusiv gegen die Mitglieder seiner politischen Partei ver¬
halten und das Zartgefühl derselben fortan ganz und gar nicht mehr in Ver¬
suchung führen. Eine zweite Betrachtung aber, noch peinlicher, hängt damit
zusammen, und grade in diesem Blatt, welches in dem Jahre 48 und den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/350>, abgerufen am 23.07.2024.