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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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jungen König aufrichten, daß man Seine Gnaden firme.. Nun ward Miklosch
Weida von der freien Stadt dazu bestellt, den jungen König zum Ritter zu
schlagen, deshalb weil er ein echter Landsmann war. Der edle Graf von
City hatte ein Schwert, das war dick mit Silber beschlagen und vergoldet,
darauf war ein Spruch gemacht, der lautete: Unversehrt. Dies Schwert
schenkte er dem jungen König, damit man Seine Gnaden damit zum Ritter
schlagen sollte. Da nahm ich, Helena Kottannerin, den König auf meinen
Arm, und der von der freien Stadt nahm das Schwert in die Hand und
schlug den König zum Ritter, und maß ihm die Schläge wohl zu, so daß ich
sie sehr in dem Arm empfand. DaS hatte die edle Königin gemerkt, die stand
neben mir, und sprach zu dem von der freien Stadt so: "iswmsrs nem mi-
sertc-ni" d. h. auf deutsch: "Um Gotteswillen thue ihm nicht wehe!" darauf
entgegnete er: nem, d. h. "Nein", und lachte. Darauf nahm der hochwürdige
Prälat, der Erzbischof von Gran, daS heilige Oel und salbte das edle Königs-
kind zum Könige. Da legte man ihm das goldene Gewand an, das dem
Könige zukommt; der Erzbischof nahm die heilige Krone und setzte sie auf das
Haupt des edlen Königs, und er, der jetzt in der heiligen Christenheit ist
König Laßla, König Albrechts Sohn, und Kaiser Sigmunds Enkel, der ist
am heiligen Pfingsttag mit der heiligen Krone von dem Erzbischof von Gran
zu Weißenburg gekrönt worden. Denn sie haben in dem Königreich Ungarn
drei Gesetze, und wo eines derselben abgeht, da meinen sie, daß das König¬
thum nicht rechtmäßig sei. DaS eine Gesetz ist: ein König von Ungarn soll
gekrönt werden mit der heiligen Krone, das andere, ihn soll krönen der Erz¬
bischof von Gran, das dritte, die Krönung soll geschehn zu Weißenburg. --
Und da der Erzbischof dem edlen König Laßla die Krone auf sein Haupt setzte
und sie ihm hielt, hielt der König daS Haupt ganz kräftiglich aufrecht, eS wäre
einem Jahrkinde genug geworden, und das wird selten gesehn an Kindern,
die zwölf Wochen alt sind. Als nun der edle König gekrönt war am Se.
Stephansaltare auf meinem Arm, da trug ich den König eine kleine Stiege
auf eine Höhe, wie da Gewohnheit ist. Da las man die geschriebene Fest¬
ordnung, die dazu gehört. Dazu fehlte ein goldenes Tuch, worauf der König
nach der Gewohnheit sitzen soll. Da nahm ich eine Decke aus seiner Wiege,
die war roth und golden und war mit Hermelin gefüttert. -- Während der
edle König aus dem goldnen Tuch gehalten wurde, hielt ihm Gras Ulrich
von City die heilige Krone über dem Haupte, so lange man das Amt sang.

Der edle junge König hatte geringe Freude an seiner Krönung, denn er
weinte mit lauter Stimme, daß man es durch die ganze Kirche hörte, und
das gemeine Volk sich verwunderte und sprach: das wäre nicht eine Stimme,
wie ein Kind von zwölf Wochen hätte ; es wäre für ein Kind genug, das ein
Jahr alt wäre, die er doch nicht war. Und der von der freien Stadt, Weida


jungen König aufrichten, daß man Seine Gnaden firme.. Nun ward Miklosch
Weida von der freien Stadt dazu bestellt, den jungen König zum Ritter zu
schlagen, deshalb weil er ein echter Landsmann war. Der edle Graf von
City hatte ein Schwert, das war dick mit Silber beschlagen und vergoldet,
darauf war ein Spruch gemacht, der lautete: Unversehrt. Dies Schwert
schenkte er dem jungen König, damit man Seine Gnaden damit zum Ritter
schlagen sollte. Da nahm ich, Helena Kottannerin, den König auf meinen
Arm, und der von der freien Stadt nahm das Schwert in die Hand und
schlug den König zum Ritter, und maß ihm die Schläge wohl zu, so daß ich
sie sehr in dem Arm empfand. DaS hatte die edle Königin gemerkt, die stand
neben mir, und sprach zu dem von der freien Stadt so: „iswmsrs nem mi-
sertc-ni" d. h. auf deutsch: „Um Gotteswillen thue ihm nicht wehe!" darauf
entgegnete er: nem, d. h. „Nein", und lachte. Darauf nahm der hochwürdige
Prälat, der Erzbischof von Gran, daS heilige Oel und salbte das edle Königs-
kind zum Könige. Da legte man ihm das goldene Gewand an, das dem
Könige zukommt; der Erzbischof nahm die heilige Krone und setzte sie auf das
Haupt des edlen Königs, und er, der jetzt in der heiligen Christenheit ist
König Laßla, König Albrechts Sohn, und Kaiser Sigmunds Enkel, der ist
am heiligen Pfingsttag mit der heiligen Krone von dem Erzbischof von Gran
zu Weißenburg gekrönt worden. Denn sie haben in dem Königreich Ungarn
drei Gesetze, und wo eines derselben abgeht, da meinen sie, daß das König¬
thum nicht rechtmäßig sei. DaS eine Gesetz ist: ein König von Ungarn soll
gekrönt werden mit der heiligen Krone, das andere, ihn soll krönen der Erz¬
bischof von Gran, das dritte, die Krönung soll geschehn zu Weißenburg. —
Und da der Erzbischof dem edlen König Laßla die Krone auf sein Haupt setzte
und sie ihm hielt, hielt der König daS Haupt ganz kräftiglich aufrecht, eS wäre
einem Jahrkinde genug geworden, und das wird selten gesehn an Kindern,
die zwölf Wochen alt sind. Als nun der edle König gekrönt war am Se.
Stephansaltare auf meinem Arm, da trug ich den König eine kleine Stiege
auf eine Höhe, wie da Gewohnheit ist. Da las man die geschriebene Fest¬
ordnung, die dazu gehört. Dazu fehlte ein goldenes Tuch, worauf der König
nach der Gewohnheit sitzen soll. Da nahm ich eine Decke aus seiner Wiege,
die war roth und golden und war mit Hermelin gefüttert. — Während der
edle König aus dem goldnen Tuch gehalten wurde, hielt ihm Gras Ulrich
von City die heilige Krone über dem Haupte, so lange man das Amt sang.

Der edle junge König hatte geringe Freude an seiner Krönung, denn er
weinte mit lauter Stimme, daß man es durch die ganze Kirche hörte, und
das gemeine Volk sich verwunderte und sprach: das wäre nicht eine Stimme,
wie ein Kind von zwölf Wochen hätte ; es wäre für ein Kind genug, das ein
Jahr alt wäre, die er doch nicht war. Und der von der freien Stadt, Weida


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/30>, abgerufen am 23.07.2024.