Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hinausschaffen von Lavapflastersteinen, aus Balcon und Dächer, starke Arme
und harte Hände erheischte. Jetzt warteten sie, ohne ausgesprochene Parteilichkeit
für dieses oder jenes politische Princip, der Dinge, die da kommen' sollten.

Als die Deputirten wieder zusammentraten, fanden sie den Zustand der
Stadt wesentlich verschlechtert. Wichtige Punkte waren von königlichen Truppen
besetzt worden. Die Barricaden zu räumen, konnte kaum mehr empfohlen
werden; wo es geschah, wurde mit der Forderung geantwortet, Schutz anderer
Art zu schaffen gegen die Rache der Soldaten.

Wieder wurden vier Deputirte nach dem Palast abgeordnet; eS waren
Capitelli, Jmbriani, Pico und Pocrio; sie solltet die Zurückziehung der Truppen
als das einzige Mittel bezeichnen, Blutvergießen zu vermeiden. Einen von
der äußersten Linken gemachten Vorschlag, die Auslieferung der Castelle an
die Nationalgarve zu verlangen, verwarf die Mehrheit.

Bald nachdem die Deputation den Toledo durchschritten hatte, zeigte sich
der alte General Bumann, Commandant der Schweizer, zu Pferde. Er ritt
vom Mercatello recognoscirend nach dem königlichen Palast, und alle Barri¬
caden wurden ihm unter den Zurufen Viva la Svizzera geöffnet. Im Palaste
waren die Minister mit dem Könige mittlerweile noch in Conferenz über die
Veröffentlichung des letzten Decrets, welches die Eröffnung der Kammer auf
2 Uhr N. M. (im Universitätsgebäude) festsetzte, die Prüfung der Mandate
dem Schwur vorangehen ließ, und diesem eine neue, ziemlich weitläufige
Formel gab. Das Decret war berathen, genehmigt, gedruckt. Die Deputirten
warteten im Vorzimmer.

Darüber war der Morgen verstrichen. Es schlug 11 Uhr. Plötzlich siel
ein Schmiß.

Er kam aus dem am Toledo gelegenen Cafe Peluso. Vier weitere Schüsse
folgten. Ein Soldat stürzte in die Knie, ein Offizier wurde fortgetragen.
Gleich darauf hörte man Musketen trällern von der Barricade S. Ferdinands,
nach andern aus den Fenstern des Palastes Cirelli. Im nämlichen Augen¬
blick eilten die in dem Palast bivouakirenden Soldaten zu ihren Waffen und
gaben, ohne das Commando abzuwarten, Feuer.

Wieder dröhnte," die drei Alarmschüsse von Se. Elmo über die Stadt; die
rothe Fahne flatterte unruhig im tiefen Himmelblau. Castel Nuovo, hinter
dem königlichen Palast gelegen, antwortete mit scharfen Kanonenschüssen; das
Gewehrfeuer um die Barricaden herum wurde allgemein.

Der König hatte beim Ausbruch des Kampfes sich sofort in die Mitte
seiner Generale begeben und die Minister mit harten Worten auf der Stelle
abgedankt. Sie mußten mit den vier Deputirten den Palast verlassen. Die neuen
Minister waren schon bei der Hand. Nach zweistündiger Vertheidigung und
drei Mal abgeschlagenen Sturm erlag die erste Barricade, die> auf Largo


Hinausschaffen von Lavapflastersteinen, aus Balcon und Dächer, starke Arme
und harte Hände erheischte. Jetzt warteten sie, ohne ausgesprochene Parteilichkeit
für dieses oder jenes politische Princip, der Dinge, die da kommen' sollten.

Als die Deputirten wieder zusammentraten, fanden sie den Zustand der
Stadt wesentlich verschlechtert. Wichtige Punkte waren von königlichen Truppen
besetzt worden. Die Barricaden zu räumen, konnte kaum mehr empfohlen
werden; wo es geschah, wurde mit der Forderung geantwortet, Schutz anderer
Art zu schaffen gegen die Rache der Soldaten.

Wieder wurden vier Deputirte nach dem Palast abgeordnet; eS waren
Capitelli, Jmbriani, Pico und Pocrio; sie solltet die Zurückziehung der Truppen
als das einzige Mittel bezeichnen, Blutvergießen zu vermeiden. Einen von
der äußersten Linken gemachten Vorschlag, die Auslieferung der Castelle an
die Nationalgarve zu verlangen, verwarf die Mehrheit.

Bald nachdem die Deputation den Toledo durchschritten hatte, zeigte sich
der alte General Bumann, Commandant der Schweizer, zu Pferde. Er ritt
vom Mercatello recognoscirend nach dem königlichen Palast, und alle Barri¬
caden wurden ihm unter den Zurufen Viva la Svizzera geöffnet. Im Palaste
waren die Minister mit dem Könige mittlerweile noch in Conferenz über die
Veröffentlichung des letzten Decrets, welches die Eröffnung der Kammer auf
2 Uhr N. M. (im Universitätsgebäude) festsetzte, die Prüfung der Mandate
dem Schwur vorangehen ließ, und diesem eine neue, ziemlich weitläufige
Formel gab. Das Decret war berathen, genehmigt, gedruckt. Die Deputirten
warteten im Vorzimmer.

Darüber war der Morgen verstrichen. Es schlug 11 Uhr. Plötzlich siel
ein Schmiß.

Er kam aus dem am Toledo gelegenen Cafe Peluso. Vier weitere Schüsse
folgten. Ein Soldat stürzte in die Knie, ein Offizier wurde fortgetragen.
Gleich darauf hörte man Musketen trällern von der Barricade S. Ferdinands,
nach andern aus den Fenstern des Palastes Cirelli. Im nämlichen Augen¬
blick eilten die in dem Palast bivouakirenden Soldaten zu ihren Waffen und
gaben, ohne das Commando abzuwarten, Feuer.

Wieder dröhnte,» die drei Alarmschüsse von Se. Elmo über die Stadt; die
rothe Fahne flatterte unruhig im tiefen Himmelblau. Castel Nuovo, hinter
dem königlichen Palast gelegen, antwortete mit scharfen Kanonenschüssen; das
Gewehrfeuer um die Barricaden herum wurde allgemein.

Der König hatte beim Ausbruch des Kampfes sich sofort in die Mitte
seiner Generale begeben und die Minister mit harten Worten auf der Stelle
abgedankt. Sie mußten mit den vier Deputirten den Palast verlassen. Die neuen
Minister waren schon bei der Hand. Nach zweistündiger Vertheidigung und
drei Mal abgeschlagenen Sturm erlag die erste Barricade, die> auf Largo


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102893"/>
            <p xml:id="ID_1003" prev="#ID_1002"> Hinausschaffen von Lavapflastersteinen, aus Balcon und Dächer, starke Arme<lb/>
und harte Hände erheischte. Jetzt warteten sie, ohne ausgesprochene Parteilichkeit<lb/>
für dieses oder jenes politische Princip, der Dinge, die da kommen' sollten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1004"> Als die Deputirten wieder zusammentraten, fanden sie den Zustand der<lb/>
Stadt wesentlich verschlechtert. Wichtige Punkte waren von königlichen Truppen<lb/>
besetzt worden. Die Barricaden zu räumen, konnte kaum mehr empfohlen<lb/>
werden; wo es geschah, wurde mit der Forderung geantwortet, Schutz anderer<lb/>
Art zu schaffen gegen die Rache der Soldaten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1005"> Wieder wurden vier Deputirte nach dem Palast abgeordnet; eS waren<lb/>
Capitelli, Jmbriani, Pico und Pocrio; sie solltet die Zurückziehung der Truppen<lb/>
als das einzige Mittel bezeichnen, Blutvergießen zu vermeiden. Einen von<lb/>
der äußersten Linken gemachten Vorschlag, die Auslieferung der Castelle an<lb/>
die Nationalgarve zu verlangen, verwarf die Mehrheit.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1006"> Bald nachdem die Deputation den Toledo durchschritten hatte, zeigte sich<lb/>
der alte General Bumann, Commandant der Schweizer, zu Pferde. Er ritt<lb/>
vom Mercatello recognoscirend nach dem königlichen Palast, und alle Barri¬<lb/>
caden wurden ihm unter den Zurufen Viva la Svizzera geöffnet. Im Palaste<lb/>
waren die Minister mit dem Könige mittlerweile noch in Conferenz über die<lb/>
Veröffentlichung des letzten Decrets, welches die Eröffnung der Kammer auf<lb/>
2 Uhr N. M. (im Universitätsgebäude) festsetzte, die Prüfung der Mandate<lb/>
dem Schwur vorangehen ließ, und diesem eine neue, ziemlich weitläufige<lb/>
Formel gab. Das Decret war berathen, genehmigt, gedruckt. Die Deputirten<lb/>
warteten im Vorzimmer.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1007"> Darüber war der Morgen verstrichen. Es schlug 11 Uhr. Plötzlich siel<lb/>
ein Schmiß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1008"> Er kam aus dem am Toledo gelegenen Cafe Peluso. Vier weitere Schüsse<lb/>
folgten. Ein Soldat stürzte in die Knie, ein Offizier wurde fortgetragen.<lb/>
Gleich darauf hörte man Musketen trällern von der Barricade S. Ferdinands,<lb/>
nach andern aus den Fenstern des Palastes Cirelli. Im nämlichen Augen¬<lb/>
blick eilten die in dem Palast bivouakirenden Soldaten zu ihren Waffen und<lb/>
gaben, ohne das Commando abzuwarten, Feuer.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1009"> Wieder dröhnte,» die drei Alarmschüsse von Se. Elmo über die Stadt; die<lb/>
rothe Fahne flatterte unruhig im tiefen Himmelblau. Castel Nuovo, hinter<lb/>
dem königlichen Palast gelegen, antwortete mit scharfen Kanonenschüssen; das<lb/>
Gewehrfeuer um die Barricaden herum wurde allgemein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1010" next="#ID_1011"> Der König hatte beim Ausbruch des Kampfes sich sofort in die Mitte<lb/>
seiner Generale begeben und die Minister mit harten Worten auf der Stelle<lb/>
abgedankt. Sie mußten mit den vier Deputirten den Palast verlassen. Die neuen<lb/>
Minister waren schon bei der Hand. Nach zweistündiger Vertheidigung und<lb/>
drei Mal abgeschlagenen Sturm erlag die erste Barricade, die&gt; auf Largo</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0298] Hinausschaffen von Lavapflastersteinen, aus Balcon und Dächer, starke Arme und harte Hände erheischte. Jetzt warteten sie, ohne ausgesprochene Parteilichkeit für dieses oder jenes politische Princip, der Dinge, die da kommen' sollten. Als die Deputirten wieder zusammentraten, fanden sie den Zustand der Stadt wesentlich verschlechtert. Wichtige Punkte waren von königlichen Truppen besetzt worden. Die Barricaden zu räumen, konnte kaum mehr empfohlen werden; wo es geschah, wurde mit der Forderung geantwortet, Schutz anderer Art zu schaffen gegen die Rache der Soldaten. Wieder wurden vier Deputirte nach dem Palast abgeordnet; eS waren Capitelli, Jmbriani, Pico und Pocrio; sie solltet die Zurückziehung der Truppen als das einzige Mittel bezeichnen, Blutvergießen zu vermeiden. Einen von der äußersten Linken gemachten Vorschlag, die Auslieferung der Castelle an die Nationalgarve zu verlangen, verwarf die Mehrheit. Bald nachdem die Deputation den Toledo durchschritten hatte, zeigte sich der alte General Bumann, Commandant der Schweizer, zu Pferde. Er ritt vom Mercatello recognoscirend nach dem königlichen Palast, und alle Barri¬ caden wurden ihm unter den Zurufen Viva la Svizzera geöffnet. Im Palaste waren die Minister mit dem Könige mittlerweile noch in Conferenz über die Veröffentlichung des letzten Decrets, welches die Eröffnung der Kammer auf 2 Uhr N. M. (im Universitätsgebäude) festsetzte, die Prüfung der Mandate dem Schwur vorangehen ließ, und diesem eine neue, ziemlich weitläufige Formel gab. Das Decret war berathen, genehmigt, gedruckt. Die Deputirten warteten im Vorzimmer. Darüber war der Morgen verstrichen. Es schlug 11 Uhr. Plötzlich siel ein Schmiß. Er kam aus dem am Toledo gelegenen Cafe Peluso. Vier weitere Schüsse folgten. Ein Soldat stürzte in die Knie, ein Offizier wurde fortgetragen. Gleich darauf hörte man Musketen trällern von der Barricade S. Ferdinands, nach andern aus den Fenstern des Palastes Cirelli. Im nämlichen Augen¬ blick eilten die in dem Palast bivouakirenden Soldaten zu ihren Waffen und gaben, ohne das Commando abzuwarten, Feuer. Wieder dröhnte,» die drei Alarmschüsse von Se. Elmo über die Stadt; die rothe Fahne flatterte unruhig im tiefen Himmelblau. Castel Nuovo, hinter dem königlichen Palast gelegen, antwortete mit scharfen Kanonenschüssen; das Gewehrfeuer um die Barricaden herum wurde allgemein. Der König hatte beim Ausbruch des Kampfes sich sofort in die Mitte seiner Generale begeben und die Minister mit harten Worten auf der Stelle abgedankt. Sie mußten mit den vier Deputirten den Palast verlassen. Die neuen Minister waren schon bei der Hand. Nach zweistündiger Vertheidigung und drei Mal abgeschlagenen Sturm erlag die erste Barricade, die> auf Largo

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/298
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/298>, abgerufen am 23.07.2024.