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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Gnaden sonst allezeit Gehorsam schuldig, ich bitte Eure Gnaden, nehmt die Achsen
Margit. DaS that Ihre Gnaden. Als man nun den edlen König laufen
wollte, da nahm man der jungen Königin, Frau Elisabet, den schwarzen Rock
ab, worin sie um den hohen und theuern Fürsten König Albrecht getrauert
hatte und legte ihr ein goldenes Gewand an in rother Farbe, und die Jung¬
frauen alle mußten sich zierlich kleiden, Gott zu Lob und Ehre, der Land und
Leuten einen erblichen Herrn und König gegeben hatte.--

Nicht lange darauf kam eine sichere Botschaft, der König von Polen ziehe
heran und er hätte eine Absicht auf Ofen, wie es denn auch war. Und wir
mußten uns heimlich und eilends vorbereiten zu der Krönung. Da sandte meine
gnädige Frau nach Ofen nach goldnem Tuch für den kleinen König Laßla zu dem
Gewände, das zu der Krönung gehört. Die Sendung aber dauerte zu lange
und wir hatten Sorge, es würde sich zu sehr verziehen, denn die Krönung
mußte an einem hohen Festtage geschehen, und Pfingsten waren die nächsten,
die waren nicht mehr weit, so daß man eilen mußte. Nun war ein schönes
und großes Meßgewand da, eS war Kaiser Sigismunds Rock gewesen, daS
war roth und golden und waren silberweiße Flecke hereingewirkt; daS mußte
man zuschneiden und machte dem jungen König sein erstes Kleid, das er zu
der heiligen Krone anlegen sollte. Und ich nähte die kleinen Stücke, die Alm
und das Umeral*), die Stola und die Handsahne und die Handschuhe und die
Schuhe zu den Füßen, und die mußte ich in der Kapelle heimlich machen mit
versperrter Thür.--

"Als eS nun Abend und jedermann in seiner Ruhe war, da sandte
meine gnädige Frau nach mir die edle Frau Margaret Achsen, ich sollte bald
zu Ihrer Gnaden kommen. Da erschrak ich sehr und dachte mir wol, daß eS
eine Widerwärtigkeit wäre. Die edle Königin ging allein hin und her in Ge¬
danken und sprach zu mir: ,,Nun, wie wollet Ihr rathen, unsere Sache steht
nicht gut, man will uns den Weg versperren; wo wollen wir die heilige Krone
hinbergen? Denn kommt sie in der Feinde Hand, so wird nichts Gutes dar¬
aus." Ich trat eine kleine'Weile zur Seite, wollte mich bedenken und rief die
Mutter aller Erbarmung, daß sie uns Gnade erwürbe bei ihrem Sohne, damit
wir die Sache verständig anfaßten und kein Uebel daraus entstehe. Darauf
trat ich wieder zu der edlen Königin und sprach: "Gnädige Frau, Eure Weis¬
heit in Ehren, so dünkt eS mich gut, Eure Gnaden weiß wohl, der König ist
mehr als die heilige Krone; legen wir die heilige Krone in die Wiege unter
den König, wo Gott den König hinführt, da komme die Krone auch hin."
Der Rath gefiel Ihrer Gnaden wohl, und sprach: ,,Wir wollen so thun, und
wollen ihn selbst die Krone hüten lassen." Am Morgen nahm ich die heilige



*) Alm, Aide, das lauge weiße Unterkleid; Amcral,, Humeralia, die Schulterstücke. Ober¬
ärmel; Hautfalte. Handfahne, das Taschentuch.
3*

Gnaden sonst allezeit Gehorsam schuldig, ich bitte Eure Gnaden, nehmt die Achsen
Margit. DaS that Ihre Gnaden. Als man nun den edlen König laufen
wollte, da nahm man der jungen Königin, Frau Elisabet, den schwarzen Rock
ab, worin sie um den hohen und theuern Fürsten König Albrecht getrauert
hatte und legte ihr ein goldenes Gewand an in rother Farbe, und die Jung¬
frauen alle mußten sich zierlich kleiden, Gott zu Lob und Ehre, der Land und
Leuten einen erblichen Herrn und König gegeben hatte.--

Nicht lange darauf kam eine sichere Botschaft, der König von Polen ziehe
heran und er hätte eine Absicht auf Ofen, wie es denn auch war. Und wir
mußten uns heimlich und eilends vorbereiten zu der Krönung. Da sandte meine
gnädige Frau nach Ofen nach goldnem Tuch für den kleinen König Laßla zu dem
Gewände, das zu der Krönung gehört. Die Sendung aber dauerte zu lange
und wir hatten Sorge, es würde sich zu sehr verziehen, denn die Krönung
mußte an einem hohen Festtage geschehen, und Pfingsten waren die nächsten,
die waren nicht mehr weit, so daß man eilen mußte. Nun war ein schönes
und großes Meßgewand da, eS war Kaiser Sigismunds Rock gewesen, daS
war roth und golden und waren silberweiße Flecke hereingewirkt; daS mußte
man zuschneiden und machte dem jungen König sein erstes Kleid, das er zu
der heiligen Krone anlegen sollte. Und ich nähte die kleinen Stücke, die Alm
und das Umeral*), die Stola und die Handsahne und die Handschuhe und die
Schuhe zu den Füßen, und die mußte ich in der Kapelle heimlich machen mit
versperrter Thür.--

"Als eS nun Abend und jedermann in seiner Ruhe war, da sandte
meine gnädige Frau nach mir die edle Frau Margaret Achsen, ich sollte bald
zu Ihrer Gnaden kommen. Da erschrak ich sehr und dachte mir wol, daß eS
eine Widerwärtigkeit wäre. Die edle Königin ging allein hin und her in Ge¬
danken und sprach zu mir: ,,Nun, wie wollet Ihr rathen, unsere Sache steht
nicht gut, man will uns den Weg versperren; wo wollen wir die heilige Krone
hinbergen? Denn kommt sie in der Feinde Hand, so wird nichts Gutes dar¬
aus." Ich trat eine kleine'Weile zur Seite, wollte mich bedenken und rief die
Mutter aller Erbarmung, daß sie uns Gnade erwürbe bei ihrem Sohne, damit
wir die Sache verständig anfaßten und kein Uebel daraus entstehe. Darauf
trat ich wieder zu der edlen Königin und sprach: „Gnädige Frau, Eure Weis¬
heit in Ehren, so dünkt eS mich gut, Eure Gnaden weiß wohl, der König ist
mehr als die heilige Krone; legen wir die heilige Krone in die Wiege unter
den König, wo Gott den König hinführt, da komme die Krone auch hin."
Der Rath gefiel Ihrer Gnaden wohl, und sprach: ,,Wir wollen so thun, und
wollen ihn selbst die Krone hüten lassen." Am Morgen nahm ich die heilige



*) Alm, Aide, das lauge weiße Unterkleid; Amcral,, Humeralia, die Schulterstücke. Ober¬
ärmel; Hautfalte. Handfahne, das Taschentuch.
3*
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/27>, abgerufen am 23.07.2024.