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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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zu erweisen, und zuerst gelang dem Baron von Berlepsch ein gut ersonnenes
Experiment. Durch physiologische Studien hatte er nämlich erfahren, daß der
wesentlichste Bestandtheil jedes thierischen Samens kleine, sich von selbst be¬
wegende Fäden sind, und daß diese Samenfäden (früher Saumthiere genannt)
bei starker Abkühlung ihre Beweglichkeit verlieren und dann nicht mehr be¬
fruchtend wirken. Er nahm also drei Weisel und setzte sie in einem Eiskeller
solcher Kälte aus, daß sie ganz erstarrten. Zwei starben, einer kam ins Leben
zurück, war aber von der Zeit an drohnenbrutig. Das Experiment gelang
also völlig und grade so, wie es die Theorie verlangte; die Wirksamkeit des
Samens war durch die Kälte zerstört.

Aber auch damit waren die Naturforscher noch nicht zufrieden, sie wollten
bis in die innersten Geheimnisse des räthselhaften Vorgangs eindringen und
benutzten dazu eine Entdeckung, welche vor nicht langer Zeit, besonders auch
von Leuckart, gemacht oder festgestellt wurde, denn um die Ehre dieser Ent¬
deckung zanken sich, wie gewöhnlich, mehre Gelehrte. Es hatte sich nämlich
durch anhaltende Beobachtungen ergeben, daß an einem Ende des Eies wol
aller Thiere eine kleine Oeffnung (die sogenannte Mikropyle) sich befindet, und '
daß durch diese der Samenfaden in das Innere des Eies hineinschlüpft, wenn
es befruchtet wird. Nach der obigen Theorie mußten also in den Eiern der
Arbeiterzellen Samenfäden sich vorfinden, in denen der Drohnenzellen aber
nicht. Wie schwierig diese Untersuchung sein mußte, kann man daraus ab¬
nehmen, baß Leuckart, obwol einer der Entdecker der Mikropyle, kein bestimmtes
Resultat erzielen konnte, während Siebold die Aufgabe mit großer Geschicklich-
keit löste, und wirklich nur in den Arbeiterzelleneiern Samenfäden vorfand.
Damit hat denn die Theorie, so weit sie bis jetzt entwickelt ist, ihre Bestäti¬
gung gesunden, und die Wissenschaft ist um eine wunderbare Thatsache reicher
geworden.

Diese Entdeckungen müssen natürlich auf die Praxis der Bienenzucht
merklich zurückwirken, aber sie wären unmöglich gewesen, ohne eine einfache
und sinnreiche Einrichtung, welche Dzierzon und nach ihm mit einer kleinen
Verbesserung Berlepsch den Bienenstöcken gaben. Sie veranlaßten die Bienen
nämlich ihre Weben an Stäbchen oder Kästchen anzusetzen, welche sie beweg¬
lich in dem Stocke anbrachten, so daß sie jederzeit jede einzelne Wehe heraus¬
nehmen, betrachten, in denselben oder in einen andern Stock wieder einhängen
konnten. Durch diese sinnreiche Einrichtung sind die Bienenzüchter in den
Stand gesetzt, die Arbeit ihrer Bienen zu leiten, sie können z. B. einem
schwachbevölkerten Stock einen Theil seiner Brut wegnehmen und diese einem
starkbevölkerten geben, der mit der Fütterung leichter fertig werden kann
u. tgi. in.; nur durch diese Einrichtung war serner Berlepsch im Stande,
das nöthige Material für Leuckarts und für Siebolds Untersuchungen zu


zu erweisen, und zuerst gelang dem Baron von Berlepsch ein gut ersonnenes
Experiment. Durch physiologische Studien hatte er nämlich erfahren, daß der
wesentlichste Bestandtheil jedes thierischen Samens kleine, sich von selbst be¬
wegende Fäden sind, und daß diese Samenfäden (früher Saumthiere genannt)
bei starker Abkühlung ihre Beweglichkeit verlieren und dann nicht mehr be¬
fruchtend wirken. Er nahm also drei Weisel und setzte sie in einem Eiskeller
solcher Kälte aus, daß sie ganz erstarrten. Zwei starben, einer kam ins Leben
zurück, war aber von der Zeit an drohnenbrutig. Das Experiment gelang
also völlig und grade so, wie es die Theorie verlangte; die Wirksamkeit des
Samens war durch die Kälte zerstört.

Aber auch damit waren die Naturforscher noch nicht zufrieden, sie wollten
bis in die innersten Geheimnisse des räthselhaften Vorgangs eindringen und
benutzten dazu eine Entdeckung, welche vor nicht langer Zeit, besonders auch
von Leuckart, gemacht oder festgestellt wurde, denn um die Ehre dieser Ent¬
deckung zanken sich, wie gewöhnlich, mehre Gelehrte. Es hatte sich nämlich
durch anhaltende Beobachtungen ergeben, daß an einem Ende des Eies wol
aller Thiere eine kleine Oeffnung (die sogenannte Mikropyle) sich befindet, und '
daß durch diese der Samenfaden in das Innere des Eies hineinschlüpft, wenn
es befruchtet wird. Nach der obigen Theorie mußten also in den Eiern der
Arbeiterzellen Samenfäden sich vorfinden, in denen der Drohnenzellen aber
nicht. Wie schwierig diese Untersuchung sein mußte, kann man daraus ab¬
nehmen, baß Leuckart, obwol einer der Entdecker der Mikropyle, kein bestimmtes
Resultat erzielen konnte, während Siebold die Aufgabe mit großer Geschicklich-
keit löste, und wirklich nur in den Arbeiterzelleneiern Samenfäden vorfand.
Damit hat denn die Theorie, so weit sie bis jetzt entwickelt ist, ihre Bestäti¬
gung gesunden, und die Wissenschaft ist um eine wunderbare Thatsache reicher
geworden.

Diese Entdeckungen müssen natürlich auf die Praxis der Bienenzucht
merklich zurückwirken, aber sie wären unmöglich gewesen, ohne eine einfache
und sinnreiche Einrichtung, welche Dzierzon und nach ihm mit einer kleinen
Verbesserung Berlepsch den Bienenstöcken gaben. Sie veranlaßten die Bienen
nämlich ihre Weben an Stäbchen oder Kästchen anzusetzen, welche sie beweg¬
lich in dem Stocke anbrachten, so daß sie jederzeit jede einzelne Wehe heraus¬
nehmen, betrachten, in denselben oder in einen andern Stock wieder einhängen
konnten. Durch diese sinnreiche Einrichtung sind die Bienenzüchter in den
Stand gesetzt, die Arbeit ihrer Bienen zu leiten, sie können z. B. einem
schwachbevölkerten Stock einen Theil seiner Brut wegnehmen und diese einem
starkbevölkerten geben, der mit der Fütterung leichter fertig werden kann
u. tgi. in.; nur durch diese Einrichtung war serner Berlepsch im Stande,
das nöthige Material für Leuckarts und für Siebolds Untersuchungen zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/226>, abgerufen am 03.07.2024.