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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Diesen Vorgang hat der berühmte englische Zoolog Owen mit dem Namen
Parthenogenests belegen wollen, welcher aber deshalb keinen allgemeinen An¬
klang fand, weil man eine geschlechtslose Erzeugung doch nicht als eine jung¬
fräuliche bezeichnen kann. Unserem Verfasser, Siebold, dagegen war es vor¬
behalten, eine wirkliche Parthenogenests bei einigen Schmetterlingen zu entdecken,
bei welchen die Weibchen ohne vorhergegangene Befruchtung entwicklungsfähige
Eier legen, und endlich in Verbindung mit zwei Bienenzüchtern dasselbe in
einer noch viel wunderbarem Weise bei den Bienen festzustellen. Ueber diese
letztern wollen wir unseren Lesern im Folgenden einige Mittheilungen machen.

In einem Bienenstöcke hausen bekanntlich die Königin (Weibchen), die
Drohnen (Männchen) und die Arbeiter (Weibchen mit verkümmerten Geschlechts¬
werkzeugen). Wenn die junge Königin sich in ihrem Stock mit rhrem Gefolge
eingerichtet hat, so unternimmt sie an einem schönen Tage den Hochzeitflug
und begattet sich hoch in der Luft mit einer Drohne und zwar thut sie das
in ihrem Leben nur einmal. Man weiß dies, weil man Königinnen von
diesem Fluge zurückkehrend eingefangen und noch mit einem abgerissenen Theile
-der Drohne behaftet gefunden, in dem Stocke aber nie eine Begattung beob¬
achtet hat. Hierauf begibt sie sich ans Eierlegen und setzt dieses Geschäft,
ohne von neuem befruchtet zu werden, etwa fünf Jahre lang fort, worauf sie
altersschwach und abgängig wird. Sie legt zweierlei Eier, weibliche und männ¬
liche und zwar willkürlich bald die eine, bald die andere Art. Dies läßt sich
ganz bestimmt behaupten, denn die Bienen bauen die Zellen für Arbeiter am
kleinsten, für Drohnen größer, für Königinnen am größten; erst wenn die
Zellen fertig sind, besetzt sie die Königin mit Eiern und zwar legt sie, fast
ohne sich zu irren, in die Drohnenzellen männliche, in die andern weibliche
Eier. Wie ist diese wunderbare Thatsache zu erklären?

Die Eier entwickeln sich im Innern der Königin in dem sogenannten
Eierstocke, dessen Analogon bei den Hühnern allgemein bekannt ist; sie
lösen sich dort, wenn sie die gehörige Reife erlangt haben, ab und gleiten
durch die Legeröhre 'nach außen. Z-n diese Legeröhre mündet aber seitlich
eine andere kleine Röhre, welche in ein Bläschen endigt. Nun hat man be¬
merkt, daß bei der Begattung der Same nicht, wie bei höheren Thieren,
auf den Eierstock dringt und dort die Eier befruchtet, sondern ganz und gar
in jenes Bläschen hineingeht und sich dort jahrelang frisch erhält. Geht nun
ein El vom Eierstocke durch den Eileiter nach außen, so kann es entweder von
dem Bläschen aus durch -die kleine, seitwärts in den Eileiter führende Röhre
mit einem Samentröpfcheu bespritzt werden, oder auch unbefruchtet abgehen.
Alle und efruchtet.en Eier werde n aber zu Drohnen, alle befruch¬
teten zu Weibchen. Ob die letzteren zu Arbeitern oder zu Königinnen sich
ausbilden, hängt, wie man schon früher gewußt hat, nur von der Fütterung


Diesen Vorgang hat der berühmte englische Zoolog Owen mit dem Namen
Parthenogenests belegen wollen, welcher aber deshalb keinen allgemeinen An¬
klang fand, weil man eine geschlechtslose Erzeugung doch nicht als eine jung¬
fräuliche bezeichnen kann. Unserem Verfasser, Siebold, dagegen war es vor¬
behalten, eine wirkliche Parthenogenests bei einigen Schmetterlingen zu entdecken,
bei welchen die Weibchen ohne vorhergegangene Befruchtung entwicklungsfähige
Eier legen, und endlich in Verbindung mit zwei Bienenzüchtern dasselbe in
einer noch viel wunderbarem Weise bei den Bienen festzustellen. Ueber diese
letztern wollen wir unseren Lesern im Folgenden einige Mittheilungen machen.

In einem Bienenstöcke hausen bekanntlich die Königin (Weibchen), die
Drohnen (Männchen) und die Arbeiter (Weibchen mit verkümmerten Geschlechts¬
werkzeugen). Wenn die junge Königin sich in ihrem Stock mit rhrem Gefolge
eingerichtet hat, so unternimmt sie an einem schönen Tage den Hochzeitflug
und begattet sich hoch in der Luft mit einer Drohne und zwar thut sie das
in ihrem Leben nur einmal. Man weiß dies, weil man Königinnen von
diesem Fluge zurückkehrend eingefangen und noch mit einem abgerissenen Theile
-der Drohne behaftet gefunden, in dem Stocke aber nie eine Begattung beob¬
achtet hat. Hierauf begibt sie sich ans Eierlegen und setzt dieses Geschäft,
ohne von neuem befruchtet zu werden, etwa fünf Jahre lang fort, worauf sie
altersschwach und abgängig wird. Sie legt zweierlei Eier, weibliche und männ¬
liche und zwar willkürlich bald die eine, bald die andere Art. Dies läßt sich
ganz bestimmt behaupten, denn die Bienen bauen die Zellen für Arbeiter am
kleinsten, für Drohnen größer, für Königinnen am größten; erst wenn die
Zellen fertig sind, besetzt sie die Königin mit Eiern und zwar legt sie, fast
ohne sich zu irren, in die Drohnenzellen männliche, in die andern weibliche
Eier. Wie ist diese wunderbare Thatsache zu erklären?

Die Eier entwickeln sich im Innern der Königin in dem sogenannten
Eierstocke, dessen Analogon bei den Hühnern allgemein bekannt ist; sie
lösen sich dort, wenn sie die gehörige Reife erlangt haben, ab und gleiten
durch die Legeröhre 'nach außen. Z-n diese Legeröhre mündet aber seitlich
eine andere kleine Röhre, welche in ein Bläschen endigt. Nun hat man be¬
merkt, daß bei der Begattung der Same nicht, wie bei höheren Thieren,
auf den Eierstock dringt und dort die Eier befruchtet, sondern ganz und gar
in jenes Bläschen hineingeht und sich dort jahrelang frisch erhält. Geht nun
ein El vom Eierstocke durch den Eileiter nach außen, so kann es entweder von
dem Bläschen aus durch -die kleine, seitwärts in den Eileiter führende Röhre
mit einem Samentröpfcheu bespritzt werden, oder auch unbefruchtet abgehen.
Alle und efruchtet.en Eier werde n aber zu Drohnen, alle befruch¬
teten zu Weibchen. Ob die letzteren zu Arbeitern oder zu Königinnen sich
ausbilden, hängt, wie man schon früher gewußt hat, nur von der Fütterung


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[0224] Diesen Vorgang hat der berühmte englische Zoolog Owen mit dem Namen Parthenogenests belegen wollen, welcher aber deshalb keinen allgemeinen An¬ klang fand, weil man eine geschlechtslose Erzeugung doch nicht als eine jung¬ fräuliche bezeichnen kann. Unserem Verfasser, Siebold, dagegen war es vor¬ behalten, eine wirkliche Parthenogenests bei einigen Schmetterlingen zu entdecken, bei welchen die Weibchen ohne vorhergegangene Befruchtung entwicklungsfähige Eier legen, und endlich in Verbindung mit zwei Bienenzüchtern dasselbe in einer noch viel wunderbarem Weise bei den Bienen festzustellen. Ueber diese letztern wollen wir unseren Lesern im Folgenden einige Mittheilungen machen. In einem Bienenstöcke hausen bekanntlich die Königin (Weibchen), die Drohnen (Männchen) und die Arbeiter (Weibchen mit verkümmerten Geschlechts¬ werkzeugen). Wenn die junge Königin sich in ihrem Stock mit rhrem Gefolge eingerichtet hat, so unternimmt sie an einem schönen Tage den Hochzeitflug und begattet sich hoch in der Luft mit einer Drohne und zwar thut sie das in ihrem Leben nur einmal. Man weiß dies, weil man Königinnen von diesem Fluge zurückkehrend eingefangen und noch mit einem abgerissenen Theile -der Drohne behaftet gefunden, in dem Stocke aber nie eine Begattung beob¬ achtet hat. Hierauf begibt sie sich ans Eierlegen und setzt dieses Geschäft, ohne von neuem befruchtet zu werden, etwa fünf Jahre lang fort, worauf sie altersschwach und abgängig wird. Sie legt zweierlei Eier, weibliche und männ¬ liche und zwar willkürlich bald die eine, bald die andere Art. Dies läßt sich ganz bestimmt behaupten, denn die Bienen bauen die Zellen für Arbeiter am kleinsten, für Drohnen größer, für Königinnen am größten; erst wenn die Zellen fertig sind, besetzt sie die Königin mit Eiern und zwar legt sie, fast ohne sich zu irren, in die Drohnenzellen männliche, in die andern weibliche Eier. Wie ist diese wunderbare Thatsache zu erklären? Die Eier entwickeln sich im Innern der Königin in dem sogenannten Eierstocke, dessen Analogon bei den Hühnern allgemein bekannt ist; sie lösen sich dort, wenn sie die gehörige Reife erlangt haben, ab und gleiten durch die Legeröhre 'nach außen. Z-n diese Legeröhre mündet aber seitlich eine andere kleine Röhre, welche in ein Bläschen endigt. Nun hat man be¬ merkt, daß bei der Begattung der Same nicht, wie bei höheren Thieren, auf den Eierstock dringt und dort die Eier befruchtet, sondern ganz und gar in jenes Bläschen hineingeht und sich dort jahrelang frisch erhält. Geht nun ein El vom Eierstocke durch den Eileiter nach außen, so kann es entweder von dem Bläschen aus durch -die kleine, seitwärts in den Eileiter führende Röhre mit einem Samentröpfcheu bespritzt werden, oder auch unbefruchtet abgehen. Alle und efruchtet.en Eier werde n aber zu Drohnen, alle befruch¬ teten zu Weibchen. Ob die letzteren zu Arbeitern oder zu Königinnen sich ausbilden, hängt, wie man schon früher gewußt hat, nur von der Fütterung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/224>, abgerufen am 03.07.2024.