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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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sprach zu dem Herrn lateinisch: "Pfarrer, willst du widerrufen und Widerreden
was du gepredigt hast, so magst du behalten das Leben, wirst du aber das
nicht thun, so mußt du gehen in das Feuer." Da antwortete ihm Herr
Megerlein, der Pfarrer, und sprach: "Das wolle Gott nicht, daß ich widerru¬
fen sollte die Wahrheit unsers heiligen Christenglaubens um dieser kurzen Pein
willen. Ich habe gelehrt und gepredigt die Wahrheit zu Prag, zu Görlitz',
zu Grcitz*), um derselben Wahrheit willen will ich lieber sterben." Da lief
einer und brachte eine Schütte Stroh, die banden sie ihm ringsum um den
Leib und gürteten ihm die alium den Leib, daß man ihn nicht sehen konnte.
So zündeten sie daS Stroh an und ließen ihn so laufen und tanzten in dem
Heere mit dem Feuer so lange, bis er erstickte. Dann nahmen sie ihn wie
einen Todten und warfen ihn in eine Braupfanne voll siedendem Wasser, und
warfen auch den alten Pfaffen, den Dorfpfarrer, hinein und ließen sie darin
sieden. So wurden sie beide gemartert. Aber die anvern zwei Kapläne, von
denen ich vorher gesagt habe, die kamen mit den, Frauen heraus, verschleiert
in Weibskleidern, und des einen, Priesters Kind, das er auf seinem Arm trug>
begann zu weinen und zu schreien nach seiner Mutter, und der Priester wollte
dem Kinde zusprechen, es zu beruhigen. So erkannten die Hussen an der
Stimme, daß es ein Mannsbild wäre, und einer zog ihm den Schleier ab,
da ließ er das Kind fallen und gab die Flucht und lief mit Macht; sie folg¬
ten ihm nach und schlugen ihn zu Tode. Der andere kam mit den Frauen
und dem Kinde davon. So erging es zu Wünschelburg. --

-liÄL. Aber zur Hand darnach, als die Hussen heimgekommen waren,
blieben sie daheim kaum sechs Wochen. Sie schrien wieder nach einer Heer¬
fahrt und sammelten sich wieder gar stark und zogen in das Land Meißen.
Da waren die Meißner stark im Felde mit andern Leuten, alö der von Braun¬
schweig, die Sachsen und aus der Mark, und auch ein Theil aus den Reichs¬
städten. Denn die Hussen zogen in das Land mit Brand, mit Mord, sie
schlugen todt und singen und lebten so schädlich, daß es Gott erbarmen möchte.
Als nun die Hussen und die Taborer so weit gezogen waren, bis sie dahin
kamen, wo die Meißner, die Reichsstädte und viele andre Leute mit großem
Heer gesammelt waren und im Felde lagen, da legten sie sich auch gegenüber
in das Feld und schlugen eine Wagenburg. Und so lagen die Heere gegen¬
einander, nur daß sie einander Briefe sandten aus beiden Heeren. Die Mei߬
ner schrieben also: "Ach, ihr Abtrünnigen des Glaubens und verdammten
Ketzer, wir wollen euch, ob Gott will, morgen schlagen, daß euch die Hunde
müssen fressen." Darauf schrieben die Hussen ihnen wieder also: "Ach ihr
Hundeshäupter, wir wollen euch, wenn Gott will, selber schlagen, daß euch



Königsgrätz in Böhmen.

sprach zu dem Herrn lateinisch: „Pfarrer, willst du widerrufen und Widerreden
was du gepredigt hast, so magst du behalten das Leben, wirst du aber das
nicht thun, so mußt du gehen in das Feuer." Da antwortete ihm Herr
Megerlein, der Pfarrer, und sprach: „Das wolle Gott nicht, daß ich widerru¬
fen sollte die Wahrheit unsers heiligen Christenglaubens um dieser kurzen Pein
willen. Ich habe gelehrt und gepredigt die Wahrheit zu Prag, zu Görlitz',
zu Grcitz*), um derselben Wahrheit willen will ich lieber sterben." Da lief
einer und brachte eine Schütte Stroh, die banden sie ihm ringsum um den
Leib und gürteten ihm die alium den Leib, daß man ihn nicht sehen konnte.
So zündeten sie daS Stroh an und ließen ihn so laufen und tanzten in dem
Heere mit dem Feuer so lange, bis er erstickte. Dann nahmen sie ihn wie
einen Todten und warfen ihn in eine Braupfanne voll siedendem Wasser, und
warfen auch den alten Pfaffen, den Dorfpfarrer, hinein und ließen sie darin
sieden. So wurden sie beide gemartert. Aber die anvern zwei Kapläne, von
denen ich vorher gesagt habe, die kamen mit den, Frauen heraus, verschleiert
in Weibskleidern, und des einen, Priesters Kind, das er auf seinem Arm trug>
begann zu weinen und zu schreien nach seiner Mutter, und der Priester wollte
dem Kinde zusprechen, es zu beruhigen. So erkannten die Hussen an der
Stimme, daß es ein Mannsbild wäre, und einer zog ihm den Schleier ab,
da ließ er das Kind fallen und gab die Flucht und lief mit Macht; sie folg¬
ten ihm nach und schlugen ihn zu Tode. Der andere kam mit den Frauen
und dem Kinde davon. So erging es zu Wünschelburg. —

-liÄL. Aber zur Hand darnach, als die Hussen heimgekommen waren,
blieben sie daheim kaum sechs Wochen. Sie schrien wieder nach einer Heer¬
fahrt und sammelten sich wieder gar stark und zogen in das Land Meißen.
Da waren die Meißner stark im Felde mit andern Leuten, alö der von Braun¬
schweig, die Sachsen und aus der Mark, und auch ein Theil aus den Reichs¬
städten. Denn die Hussen zogen in das Land mit Brand, mit Mord, sie
schlugen todt und singen und lebten so schädlich, daß es Gott erbarmen möchte.
Als nun die Hussen und die Taborer so weit gezogen waren, bis sie dahin
kamen, wo die Meißner, die Reichsstädte und viele andre Leute mit großem
Heer gesammelt waren und im Felde lagen, da legten sie sich auch gegenüber
in das Feld und schlugen eine Wagenburg. Und so lagen die Heere gegen¬
einander, nur daß sie einander Briefe sandten aus beiden Heeren. Die Mei߬
ner schrieben also: „Ach, ihr Abtrünnigen des Glaubens und verdammten
Ketzer, wir wollen euch, ob Gott will, morgen schlagen, daß euch die Hunde
müssen fressen." Darauf schrieben die Hussen ihnen wieder also: „Ach ihr
Hundeshäupter, wir wollen euch, wenn Gott will, selber schlagen, daß euch



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/198>, abgerufen am 23.07.2024.