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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Die Mittel zu seiner Subsistenz erhielt er dadurch, daß er sich als Lehrer der
Musik und der ausländischen Sprachen niederließ, obwol er nicht allzuviel
davon gewußt zu haben gesteht. Nachdem er in Oxford seinen Wissensdurst
in etwas gestillt, fuhr er zurück nach Kopenhagen und versuchte dort Collegia
zu lesen. Wirklich bekam er auch Zuhörer genug, nur verschwanden sie alle,
alö es ans Bezahlen ging, und so sah sich der unglückliche Docent abermals
genöthigt, eine Stelle anzunehmen. Doch war sie dies Mal angenehmer, denn
sie führte ihn mit dem Sohn eines Staatsraths durch Deutschland nach Dresden,
bei welcher Gelegenheit er sich in seinen Briefen über die deutschen Postwagen
und Postanstalten sehr ergötzlich ausspricht. In Dresden ließ er seinen Zög¬
ling, und reiste nach Haus über Leipzig und Halle, in welchen Städten er
sich mit den hervorragendsten Gelehrten bekannt machte, und wol auch hier,
an der Wiege der neuen deutschen Bühne, dieselbe kennen lernte. In Kopen¬
hagen arbeitete er nun zwei kleine historische Schriften über einen Theil der
dänischen Geschichte aus, und wurde infolge^ derselben vom König zum außer¬
ordentlichen Professor an der Universität zu Kopenhagen ernannt, mit der
Bewilligung eines Stipendiums von hundert Thalern jährlich zu Reisen auf
lutherische Hochschulen auf vier Jahre.

Lutherische Hochschulen waren es nun grade nicht, die er aufsuchte; denn
von Holland, wohin er gegangen, reiste er bald weiter nach Paris, meistens
zu Fuß gehend und in dieser Hauptstadt verweilte er anderthalb Jahre. .Hier
lernte er Mvliöre und das französische Theater kennen, das wir so oft in
seinen Lustspielen anklingen hören, ohne es jedoch seiner besondern Aufmerk¬
samkeit zu würdigen, denn noch war er nur Gelehrter, und kein Dichter. Nach
diesem langen Aufenthalt in Paris trieb es ihn noch weiter über die Alpen
in das gelobte Land Italien. Spuren hoher Begeisterung über dieses herrliche
Land, über die Neste verkluugner Herrlichkeit finden sich in seinen Briefen
nicht, und muß ihm der Sinn dafür gemangelt haben, denn wenn er auch mit
Eifer seine Römer kannte, auch mehre Griechen gelesen hatte, so scheint dem
derben praktischen Nordländer doch eine jede Ahnung höheren Verständnisses
abgegangen zu sein, wie ihm denn anch Homer in seiner naiven, einfachen
Schönheit mißfiel.

Nach Ablauf seiner Stipendienbewilligung kehrte er nach Kopenhagen
zurück, wo er sich sehr kümmerlich und meist durch juristische Schriftstellerei
behelfen mußte, bis endlich nach, zwei Jahren sein Gehalt erhöht ward und
er nicht lange darauf in das königliche Konsistorium eintrat. Es begann nun
für ihn die Zeit sorgenfreier Muße, die er zuerst durch die Herausgabe, eines
komischen Heldengedichtes und mehrer Satiren bezeichnete, die bei ihrem Er¬
scheinen bedeutendes Aufsehen in Kopenhagen machten, obwol sie nie Ein¬
zelne, sonder" stets ganze Stände oder allgemeine Fehler geißelten. Durch est


Die Mittel zu seiner Subsistenz erhielt er dadurch, daß er sich als Lehrer der
Musik und der ausländischen Sprachen niederließ, obwol er nicht allzuviel
davon gewußt zu haben gesteht. Nachdem er in Oxford seinen Wissensdurst
in etwas gestillt, fuhr er zurück nach Kopenhagen und versuchte dort Collegia
zu lesen. Wirklich bekam er auch Zuhörer genug, nur verschwanden sie alle,
alö es ans Bezahlen ging, und so sah sich der unglückliche Docent abermals
genöthigt, eine Stelle anzunehmen. Doch war sie dies Mal angenehmer, denn
sie führte ihn mit dem Sohn eines Staatsraths durch Deutschland nach Dresden,
bei welcher Gelegenheit er sich in seinen Briefen über die deutschen Postwagen
und Postanstalten sehr ergötzlich ausspricht. In Dresden ließ er seinen Zög¬
ling, und reiste nach Haus über Leipzig und Halle, in welchen Städten er
sich mit den hervorragendsten Gelehrten bekannt machte, und wol auch hier,
an der Wiege der neuen deutschen Bühne, dieselbe kennen lernte. In Kopen¬
hagen arbeitete er nun zwei kleine historische Schriften über einen Theil der
dänischen Geschichte aus, und wurde infolge^ derselben vom König zum außer¬
ordentlichen Professor an der Universität zu Kopenhagen ernannt, mit der
Bewilligung eines Stipendiums von hundert Thalern jährlich zu Reisen auf
lutherische Hochschulen auf vier Jahre.

Lutherische Hochschulen waren es nun grade nicht, die er aufsuchte; denn
von Holland, wohin er gegangen, reiste er bald weiter nach Paris, meistens
zu Fuß gehend und in dieser Hauptstadt verweilte er anderthalb Jahre. .Hier
lernte er Mvliöre und das französische Theater kennen, das wir so oft in
seinen Lustspielen anklingen hören, ohne es jedoch seiner besondern Aufmerk¬
samkeit zu würdigen, denn noch war er nur Gelehrter, und kein Dichter. Nach
diesem langen Aufenthalt in Paris trieb es ihn noch weiter über die Alpen
in das gelobte Land Italien. Spuren hoher Begeisterung über dieses herrliche
Land, über die Neste verkluugner Herrlichkeit finden sich in seinen Briefen
nicht, und muß ihm der Sinn dafür gemangelt haben, denn wenn er auch mit
Eifer seine Römer kannte, auch mehre Griechen gelesen hatte, so scheint dem
derben praktischen Nordländer doch eine jede Ahnung höheren Verständnisses
abgegangen zu sein, wie ihm denn anch Homer in seiner naiven, einfachen
Schönheit mißfiel.

Nach Ablauf seiner Stipendienbewilligung kehrte er nach Kopenhagen
zurück, wo er sich sehr kümmerlich und meist durch juristische Schriftstellerei
behelfen mußte, bis endlich nach, zwei Jahren sein Gehalt erhöht ward und
er nicht lange darauf in das königliche Konsistorium eintrat. Es begann nun
für ihn die Zeit sorgenfreier Muße, die er zuerst durch die Herausgabe, eines
komischen Heldengedichtes und mehrer Satiren bezeichnete, die bei ihrem Er¬
scheinen bedeutendes Aufsehen in Kopenhagen machten, obwol sie nie Ein¬
zelne, sonder» stets ganze Stände oder allgemeine Fehler geißelten. Durch est


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[0186] Die Mittel zu seiner Subsistenz erhielt er dadurch, daß er sich als Lehrer der Musik und der ausländischen Sprachen niederließ, obwol er nicht allzuviel davon gewußt zu haben gesteht. Nachdem er in Oxford seinen Wissensdurst in etwas gestillt, fuhr er zurück nach Kopenhagen und versuchte dort Collegia zu lesen. Wirklich bekam er auch Zuhörer genug, nur verschwanden sie alle, alö es ans Bezahlen ging, und so sah sich der unglückliche Docent abermals genöthigt, eine Stelle anzunehmen. Doch war sie dies Mal angenehmer, denn sie führte ihn mit dem Sohn eines Staatsraths durch Deutschland nach Dresden, bei welcher Gelegenheit er sich in seinen Briefen über die deutschen Postwagen und Postanstalten sehr ergötzlich ausspricht. In Dresden ließ er seinen Zög¬ ling, und reiste nach Haus über Leipzig und Halle, in welchen Städten er sich mit den hervorragendsten Gelehrten bekannt machte, und wol auch hier, an der Wiege der neuen deutschen Bühne, dieselbe kennen lernte. In Kopen¬ hagen arbeitete er nun zwei kleine historische Schriften über einen Theil der dänischen Geschichte aus, und wurde infolge^ derselben vom König zum außer¬ ordentlichen Professor an der Universität zu Kopenhagen ernannt, mit der Bewilligung eines Stipendiums von hundert Thalern jährlich zu Reisen auf lutherische Hochschulen auf vier Jahre. Lutherische Hochschulen waren es nun grade nicht, die er aufsuchte; denn von Holland, wohin er gegangen, reiste er bald weiter nach Paris, meistens zu Fuß gehend und in dieser Hauptstadt verweilte er anderthalb Jahre. .Hier lernte er Mvliöre und das französische Theater kennen, das wir so oft in seinen Lustspielen anklingen hören, ohne es jedoch seiner besondern Aufmerk¬ samkeit zu würdigen, denn noch war er nur Gelehrter, und kein Dichter. Nach diesem langen Aufenthalt in Paris trieb es ihn noch weiter über die Alpen in das gelobte Land Italien. Spuren hoher Begeisterung über dieses herrliche Land, über die Neste verkluugner Herrlichkeit finden sich in seinen Briefen nicht, und muß ihm der Sinn dafür gemangelt haben, denn wenn er auch mit Eifer seine Römer kannte, auch mehre Griechen gelesen hatte, so scheint dem derben praktischen Nordländer doch eine jede Ahnung höheren Verständnisses abgegangen zu sein, wie ihm denn anch Homer in seiner naiven, einfachen Schönheit mißfiel. Nach Ablauf seiner Stipendienbewilligung kehrte er nach Kopenhagen zurück, wo er sich sehr kümmerlich und meist durch juristische Schriftstellerei behelfen mußte, bis endlich nach, zwei Jahren sein Gehalt erhöht ward und er nicht lange darauf in das königliche Konsistorium eintrat. Es begann nun für ihn die Zeit sorgenfreier Muße, die er zuerst durch die Herausgabe, eines komischen Heldengedichtes und mehrer Satiren bezeichnete, die bei ihrem Er¬ scheinen bedeutendes Aufsehen in Kopenhagen machten, obwol sie nie Ein¬ zelne, sonder» stets ganze Stände oder allgemeine Fehler geißelten. Durch est

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/186>, abgerufen am 23.07.2024.