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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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ist, eine Zeitung todt zu quälen. Muß es sein, so schlägt er sie todt. -- End¬
lich erschienen noch bei Gelegenheit einiger Zusätze zum Hochverrathsgesetz im
Jahr gewisse Bestimmungen, die jeden Angriff der Presse gegen jede
obrigkeitliche Person ausschließen. Da man aber des Guten nicht zu viel
haben kann, so steht noch das Bundeöpreßgesetz im Laufe dieses Jahres bevor,
an dessen Cautionen jedoch unter unsern Verhältnissen höchstens ein paar lösch-
papierne Localblättchen sterben dürften, während es außerdem schwerlich einen
Einfluß auf die Presse äußern wird. In Schwerin hat man jedoch dasselbe,
wie Eingangs erwähnt, als Märzvervrdnung bereits in Kraft treten lassen.

Daß das Bundeöpreßgesetz noch nicht so weit ist, liegt eigentlich nicht etwa
in einer principiellen Differenz über dessen Charakter zwischen Regierung und
Ständen , sondern daran, daß die Regierungen sich das Recht der Concessions-
ertheilung resp. Entziehung vorbehalten hatten, während die Stände beide Be¬
fugnisse vindicirten (13. Decbr. v. I.). Darin haben die Stände von ihrem
Standpunkt aus ganz Recht; denn nur auf diese Weise ist das Preßgesetz
erecutirbar. Alle landschaftlichen Städte d. h. solche, die den Landtag beschicken,
haben "erbvertragsmäßig" eine Menge von Privilegien, welche sie vor der
gänzlichen Abhängigkeit von der Staatsverwaltung schützen. Würde nun ein
Gesetz nach dem Negicrungsvorschlage gemacht, so würde ganz natürlich die
Opposttionslust der Obrigkeiten geweckt, welche sicherlich gar nicht zum Ent¬
stehen kommt, wenn dieselbe -- ob auch auf Antrag und Wunsch der Ne¬
gierung -- selbstständig und freiwillig gegen die ihnen unterstehenden Blätter
vorzuschreiten scheinen.

Dies vorausgeschickt, wird man den damaligen Protest des Syndicus
Meyer aus Rostock richtiger würdigen, welcher in manchen Organen der nicht¬
mecklenburgischen Presse wie eine liberale Wallung beurtheilt wurde. Rostock
ist unter den landschaftlichen Städten die privilegirteste und Herr Syndicus
Meyer ihr Vertreter aus dem Landtage. Die Stadt besitzt nicht nur die voll¬
ständigste Unabhängigkeit der Verwaltung und des Nechtsprechens, die Wahl
sämmtlicher Behörden ohne landesherrliches BestätigungSrecht, sondern inner¬
halb gewisser Grenzen ihre eigne Gesetzgebung für Civil- und Criminalsachen,
überdies eigne Verwaltung und Justiz. Ja für Rostock gilt kein Landesgesetz
früher, als bis der rostocker Rath es für die Stadt publicirr hat; und er
braucht kein ganzes Gesetz oder auch einzelne Bestimmungen desselben zu publi-
ciren, sofern jenes oder diese nicht mit den "vertragsmäßigen" Rechten Rostocks
übereinstimmen. Hätten also auch die Stände der Regierung in Bezug auf das
Bundespreßgesetz die verlangten Befugnisse eingeräumt, so wäre doch dies alles
für Rostock ohne Giltigkeit geblieben, weil diese beiden Rechte Acte der Ver¬
waltung in sich schließen. Was der rvstocker Syndicus that, verstand sich also ganz
von selbst und leistete blos der althergebrachten Gewohnheit Genüge. Zufäl-


ist, eine Zeitung todt zu quälen. Muß es sein, so schlägt er sie todt. — End¬
lich erschienen noch bei Gelegenheit einiger Zusätze zum Hochverrathsgesetz im
Jahr gewisse Bestimmungen, die jeden Angriff der Presse gegen jede
obrigkeitliche Person ausschließen. Da man aber des Guten nicht zu viel
haben kann, so steht noch das Bundeöpreßgesetz im Laufe dieses Jahres bevor,
an dessen Cautionen jedoch unter unsern Verhältnissen höchstens ein paar lösch-
papierne Localblättchen sterben dürften, während es außerdem schwerlich einen
Einfluß auf die Presse äußern wird. In Schwerin hat man jedoch dasselbe,
wie Eingangs erwähnt, als Märzvervrdnung bereits in Kraft treten lassen.

Daß das Bundeöpreßgesetz noch nicht so weit ist, liegt eigentlich nicht etwa
in einer principiellen Differenz über dessen Charakter zwischen Regierung und
Ständen , sondern daran, daß die Regierungen sich das Recht der Concessions-
ertheilung resp. Entziehung vorbehalten hatten, während die Stände beide Be¬
fugnisse vindicirten (13. Decbr. v. I.). Darin haben die Stände von ihrem
Standpunkt aus ganz Recht; denn nur auf diese Weise ist das Preßgesetz
erecutirbar. Alle landschaftlichen Städte d. h. solche, die den Landtag beschicken,
haben „erbvertragsmäßig" eine Menge von Privilegien, welche sie vor der
gänzlichen Abhängigkeit von der Staatsverwaltung schützen. Würde nun ein
Gesetz nach dem Negicrungsvorschlage gemacht, so würde ganz natürlich die
Opposttionslust der Obrigkeiten geweckt, welche sicherlich gar nicht zum Ent¬
stehen kommt, wenn dieselbe — ob auch auf Antrag und Wunsch der Ne¬
gierung — selbstständig und freiwillig gegen die ihnen unterstehenden Blätter
vorzuschreiten scheinen.

Dies vorausgeschickt, wird man den damaligen Protest des Syndicus
Meyer aus Rostock richtiger würdigen, welcher in manchen Organen der nicht¬
mecklenburgischen Presse wie eine liberale Wallung beurtheilt wurde. Rostock
ist unter den landschaftlichen Städten die privilegirteste und Herr Syndicus
Meyer ihr Vertreter aus dem Landtage. Die Stadt besitzt nicht nur die voll¬
ständigste Unabhängigkeit der Verwaltung und des Nechtsprechens, die Wahl
sämmtlicher Behörden ohne landesherrliches BestätigungSrecht, sondern inner¬
halb gewisser Grenzen ihre eigne Gesetzgebung für Civil- und Criminalsachen,
überdies eigne Verwaltung und Justiz. Ja für Rostock gilt kein Landesgesetz
früher, als bis der rostocker Rath es für die Stadt publicirr hat; und er
braucht kein ganzes Gesetz oder auch einzelne Bestimmungen desselben zu publi-
ciren, sofern jenes oder diese nicht mit den „vertragsmäßigen" Rechten Rostocks
übereinstimmen. Hätten also auch die Stände der Regierung in Bezug auf das
Bundespreßgesetz die verlangten Befugnisse eingeräumt, so wäre doch dies alles
für Rostock ohne Giltigkeit geblieben, weil diese beiden Rechte Acte der Ver¬
waltung in sich schließen. Was der rvstocker Syndicus that, verstand sich also ganz
von selbst und leistete blos der althergebrachten Gewohnheit Genüge. Zufäl-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/90>, abgerufen am 27.06.2024.