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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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baten für gutes Geld nach Holland lieferte, und welche Rolle die Schweizer-
regimenter bei den französischen Königen spielten, haben wir wol nicht nöthig,
hier des Weitern/ auseinanderzusetzen, -- sie ist ebenso bekannt und sogar
weltgeschichtlich. Diese Wirthschaft und Seelenverkäuferei nach jenen Ländern
hat nun allerdings aufgehört, aber darum noch nicht das ganze Werbgcwerk
in der Schweiz. Es gilt immer noch das alte Sprichwort: "Der Schweizer
muß ein Loch haben, wo er hinaus kann." Das macht die alte Gewohnheit.
Der Weg nach Holland und Frankreich ist nun zwar abgeschnitten; damit ist
aber noch nicht das Loch verstopft, durch das der Schweizer, mit oder ohne
Gewalt, hinaus zu kommen sucht; es hat sich nur nach Süden, nach
Rom und Neapel gewandt. Dort suchen nun die armen Geldgierigen,
oder auch Verzweifelten und Uebermüthigen, oder wie sie alle genannt werden
mögen, was sie in der Heimath nicht zu finden glauben: sie lassen sich
durch das trügerische Geld blenden und noch immer zu fremdem Kriegsdienst
anwerben, und gehen' dadurch einem erbärmlichen Leben, einem förmlichen
Sklavenleben entgegen, das man ihnen allerdings nicht vorher offenbart, im
Gegentheil im rosigsten Lichte darstellt, das aber hinlänglich bekannt ist; um
jeden vor einem solchen Schritt zu warnen.

Es ist zwar von Bundeswegen verboten, in der Schweiz für fremden
Kriegsdienst zu werben; dessenungeachtet haben wir aber gesehen, wie es bei
Bildung der französischen und englischen Schweizerlegion für die Krim zuging:
die Schweizeroffiziere gingen voraus und die Soldaten folgten ihnen, ja
ganze Wachtposten suchten in ihrem Kriegermuth mit' Hinterlassung ihrer
Waffen, das Weite. Und was vermochte die Leute zu solchem Schritt? das
Geld! -- Auch bot sich rund um die Schweiz herum Gelegenheit genug dar,
die wanderlustigen Vögel hinauszutreiben und sie gefahrlos zu entführen.
Waren sie einmal in den Händen der Werber, dann konnte weder der Bund,
noch irgend jemand ihrem Weitertransport ein Hinderniß entgegensetzen, ge¬
schah es ja doch mit Bewilligung der Betreffenden!

Dieses Werbwesen oder vielmehr Unwesen wird nun noch jeden Tag
und mitten in der Schweiz betrieben, und mit einer solchen Keckheit, daß es
in Erstaunen setzen muß, wie unter den Augen der Behörden so etwas ge-
schehen^-kann, namentlich da das Werben sür fremden Kriegsdienst, wie gesagt,
von Bundes wegen gesetzlich verboten ist. Und-auf welche Weise verfährt
man bei diesem Werben? Es ist unerhört für unsre Zeit! Gelegentlich sieht
man sich die Burschen an, kundschaftet sie aus, lockt sie baun ins Wirthshaus,
wo es nicht an Wein und sonstigem Geiste dieser Art fehlt, uno benebelt port
ihre fünf Sinne. So weit gebracht, sucht man ihnen das Soldatenleben in
Neapel oder Rom so herrlich und in Freuden vorzumalen, daß die armen
Tröpfe in ihrem Taumel darüber in Enthusiasmus gerathen und auf den


baten für gutes Geld nach Holland lieferte, und welche Rolle die Schweizer-
regimenter bei den französischen Königen spielten, haben wir wol nicht nöthig,
hier des Weitern/ auseinanderzusetzen, — sie ist ebenso bekannt und sogar
weltgeschichtlich. Diese Wirthschaft und Seelenverkäuferei nach jenen Ländern
hat nun allerdings aufgehört, aber darum noch nicht das ganze Werbgcwerk
in der Schweiz. Es gilt immer noch das alte Sprichwort: „Der Schweizer
muß ein Loch haben, wo er hinaus kann." Das macht die alte Gewohnheit.
Der Weg nach Holland und Frankreich ist nun zwar abgeschnitten; damit ist
aber noch nicht das Loch verstopft, durch das der Schweizer, mit oder ohne
Gewalt, hinaus zu kommen sucht; es hat sich nur nach Süden, nach
Rom und Neapel gewandt. Dort suchen nun die armen Geldgierigen,
oder auch Verzweifelten und Uebermüthigen, oder wie sie alle genannt werden
mögen, was sie in der Heimath nicht zu finden glauben: sie lassen sich
durch das trügerische Geld blenden und noch immer zu fremdem Kriegsdienst
anwerben, und gehen' dadurch einem erbärmlichen Leben, einem förmlichen
Sklavenleben entgegen, das man ihnen allerdings nicht vorher offenbart, im
Gegentheil im rosigsten Lichte darstellt, das aber hinlänglich bekannt ist; um
jeden vor einem solchen Schritt zu warnen.

Es ist zwar von Bundeswegen verboten, in der Schweiz für fremden
Kriegsdienst zu werben; dessenungeachtet haben wir aber gesehen, wie es bei
Bildung der französischen und englischen Schweizerlegion für die Krim zuging:
die Schweizeroffiziere gingen voraus und die Soldaten folgten ihnen, ja
ganze Wachtposten suchten in ihrem Kriegermuth mit' Hinterlassung ihrer
Waffen, das Weite. Und was vermochte die Leute zu solchem Schritt? das
Geld! — Auch bot sich rund um die Schweiz herum Gelegenheit genug dar,
die wanderlustigen Vögel hinauszutreiben und sie gefahrlos zu entführen.
Waren sie einmal in den Händen der Werber, dann konnte weder der Bund,
noch irgend jemand ihrem Weitertransport ein Hinderniß entgegensetzen, ge¬
schah es ja doch mit Bewilligung der Betreffenden!

Dieses Werbwesen oder vielmehr Unwesen wird nun noch jeden Tag
und mitten in der Schweiz betrieben, und mit einer solchen Keckheit, daß es
in Erstaunen setzen muß, wie unter den Augen der Behörden so etwas ge-
schehen^-kann, namentlich da das Werben sür fremden Kriegsdienst, wie gesagt,
von Bundes wegen gesetzlich verboten ist. Und-auf welche Weise verfährt
man bei diesem Werben? Es ist unerhört für unsre Zeit! Gelegentlich sieht
man sich die Burschen an, kundschaftet sie aus, lockt sie baun ins Wirthshaus,
wo es nicht an Wein und sonstigem Geiste dieser Art fehlt, uno benebelt port
ihre fünf Sinne. So weit gebracht, sucht man ihnen das Soldatenleben in
Neapel oder Rom so herrlich und in Freuden vorzumalen, daß die armen
Tröpfe in ihrem Taumel darüber in Enthusiasmus gerathen und auf den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/508>, abgerufen am 23.06.2024.