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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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ausführen können. Um nur ein Beispiel zu nennen, so ist das Hallelujah
aus dem Messias, mit welchem das vorige Musikfest so schön schloß, von
der Art, daß man sich immer wieder von neuem freuen würde, es in gran¬
dioser Weise aufgeführt zu hören; und sicherlich gibt es auch noch andere
Chöre, welche sich dazu eignen. Es würde dann immer für die eigentlichen
Solovorträge noch Raum genug bleiben, ja sie würden dadurch gewinnen,
weil eine Abwechselung solcher Art die Aufmerksamkeit frischer erhallen würde,
die durch die Monotonie der jetzt üblichen Programme bald abgespannt wird. Die
Solovorträge müßten aber auch mit Sorgfalt gewählt werden, daß nicht allein
das Nichtige und Unkünstlerische schlechthin ausgeschlossen bliebe, sondern, nicht
minder als die Individualität der Künstler, auch die Eigenthümlichkeit eines großen
Festes ins Auge gefaßt würde. Vor allen Dingen müßte auch hier das Zu¬
sammenwirken so bedeutender Kräfte, wie sie selten vereint sind, und so viel wie
irgend möglich die Aufführung größerer Ensemblesätze erstrebt werden, welche
schon an sich meistens von bedeutenderem Kunstwerth, eine um so schönere
Zierde dieser Musikfeste ausmachen würden, je seltener eine von allen Seiten
gelungene Ausführung mehrstimmiger Solosätze zu erreichen ist. Hier ist noch
ein weites Feld geöffnet und ein würdiges Ziel aufgesteckt für diejenigen, welche
sich um die Weiterbildung der Musikfeste ein wahres Verdienst erwerben wollen.

Was die Wahl der Solovorträge anlangt, so gaben dieselben, was ihren
künstlerischen Werth an sich anlangt, keinen Grund zu Ausstellungen. Nur
dagegen muß ich meine Bedenken aussprechen, daß der Vortrag von Liedern
selbst auf den Musikfesten überhandnehme, wohin sie doch entschieden nicht
gehören. Dies Mal sang Herr Schneider den Liederkranz von Beethoven,
Herr Dumont-Fineö zwei, Herr Stockhausen drei Lieder. Die erste Be¬
dingung jeder künstlerischen Wirkung ist jedoch, daß zwischen Zweck und Mittel
ein richtiges Verhältniß obwalte, und Liever mit Klavierbegleitung sind gewiß
nicht ein Maßstab eines großen Musikfestes. Die Lieder von Stockhausen waren
in ihrer Art einzig und enlhusiaömirten das Publieum mit vollem Recht. Den¬
noch möchte ich um des Ganzen willen wünschen, er hätte dort keine gesungen^
denn ein einzelner großer Genuß kann den Nachtheil nicht ersetzen, welchen
die unvermeidliche Nachfolge derer verursacht, welche nicht pures geniale Lei¬
stungen berufen sind, eine Ausnahme von der Regel zu machen. Frl. Tiel-
jenö allein war der alten Sitte treu geblieben und hatte zlvei große Arien,
aus der Entführung ("Martern aller Arten") und aus Fidelio ("Ab¬
scheulicher!") gewählt, eine Wahl, die man nur loben konnte.

Die Herren Tausch, Laub und Grützmacher hatten sich vereinigt zu
Beethovens Eoncert für Pianoforte, Violine und Violoncello. Die Wahl
eines natürlich nur selten gehörten Werks, das für viele neu und interessant
sein mußte, ist sehr anerkenne.öwerth, um so mehr, als sie nicht ohne Nesigna-


ausführen können. Um nur ein Beispiel zu nennen, so ist das Hallelujah
aus dem Messias, mit welchem das vorige Musikfest so schön schloß, von
der Art, daß man sich immer wieder von neuem freuen würde, es in gran¬
dioser Weise aufgeführt zu hören; und sicherlich gibt es auch noch andere
Chöre, welche sich dazu eignen. Es würde dann immer für die eigentlichen
Solovorträge noch Raum genug bleiben, ja sie würden dadurch gewinnen,
weil eine Abwechselung solcher Art die Aufmerksamkeit frischer erhallen würde,
die durch die Monotonie der jetzt üblichen Programme bald abgespannt wird. Die
Solovorträge müßten aber auch mit Sorgfalt gewählt werden, daß nicht allein
das Nichtige und Unkünstlerische schlechthin ausgeschlossen bliebe, sondern, nicht
minder als die Individualität der Künstler, auch die Eigenthümlichkeit eines großen
Festes ins Auge gefaßt würde. Vor allen Dingen müßte auch hier das Zu¬
sammenwirken so bedeutender Kräfte, wie sie selten vereint sind, und so viel wie
irgend möglich die Aufführung größerer Ensemblesätze erstrebt werden, welche
schon an sich meistens von bedeutenderem Kunstwerth, eine um so schönere
Zierde dieser Musikfeste ausmachen würden, je seltener eine von allen Seiten
gelungene Ausführung mehrstimmiger Solosätze zu erreichen ist. Hier ist noch
ein weites Feld geöffnet und ein würdiges Ziel aufgesteckt für diejenigen, welche
sich um die Weiterbildung der Musikfeste ein wahres Verdienst erwerben wollen.

Was die Wahl der Solovorträge anlangt, so gaben dieselben, was ihren
künstlerischen Werth an sich anlangt, keinen Grund zu Ausstellungen. Nur
dagegen muß ich meine Bedenken aussprechen, daß der Vortrag von Liedern
selbst auf den Musikfesten überhandnehme, wohin sie doch entschieden nicht
gehören. Dies Mal sang Herr Schneider den Liederkranz von Beethoven,
Herr Dumont-Fineö zwei, Herr Stockhausen drei Lieder. Die erste Be¬
dingung jeder künstlerischen Wirkung ist jedoch, daß zwischen Zweck und Mittel
ein richtiges Verhältniß obwalte, und Liever mit Klavierbegleitung sind gewiß
nicht ein Maßstab eines großen Musikfestes. Die Lieder von Stockhausen waren
in ihrer Art einzig und enlhusiaömirten das Publieum mit vollem Recht. Den¬
noch möchte ich um des Ganzen willen wünschen, er hätte dort keine gesungen^
denn ein einzelner großer Genuß kann den Nachtheil nicht ersetzen, welchen
die unvermeidliche Nachfolge derer verursacht, welche nicht pures geniale Lei¬
stungen berufen sind, eine Ausnahme von der Regel zu machen. Frl. Tiel-
jenö allein war der alten Sitte treu geblieben und hatte zlvei große Arien,
aus der Entführung („Martern aller Arten") und aus Fidelio („Ab¬
scheulicher!") gewählt, eine Wahl, die man nur loben konnte.

Die Herren Tausch, Laub und Grützmacher hatten sich vereinigt zu
Beethovens Eoncert für Pianoforte, Violine und Violoncello. Die Wahl
eines natürlich nur selten gehörten Werks, das für viele neu und interessant
sein mußte, ist sehr anerkenne.öwerth, um so mehr, als sie nicht ohne Nesigna-


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[0506] ausführen können. Um nur ein Beispiel zu nennen, so ist das Hallelujah aus dem Messias, mit welchem das vorige Musikfest so schön schloß, von der Art, daß man sich immer wieder von neuem freuen würde, es in gran¬ dioser Weise aufgeführt zu hören; und sicherlich gibt es auch noch andere Chöre, welche sich dazu eignen. Es würde dann immer für die eigentlichen Solovorträge noch Raum genug bleiben, ja sie würden dadurch gewinnen, weil eine Abwechselung solcher Art die Aufmerksamkeit frischer erhallen würde, die durch die Monotonie der jetzt üblichen Programme bald abgespannt wird. Die Solovorträge müßten aber auch mit Sorgfalt gewählt werden, daß nicht allein das Nichtige und Unkünstlerische schlechthin ausgeschlossen bliebe, sondern, nicht minder als die Individualität der Künstler, auch die Eigenthümlichkeit eines großen Festes ins Auge gefaßt würde. Vor allen Dingen müßte auch hier das Zu¬ sammenwirken so bedeutender Kräfte, wie sie selten vereint sind, und so viel wie irgend möglich die Aufführung größerer Ensemblesätze erstrebt werden, welche schon an sich meistens von bedeutenderem Kunstwerth, eine um so schönere Zierde dieser Musikfeste ausmachen würden, je seltener eine von allen Seiten gelungene Ausführung mehrstimmiger Solosätze zu erreichen ist. Hier ist noch ein weites Feld geöffnet und ein würdiges Ziel aufgesteckt für diejenigen, welche sich um die Weiterbildung der Musikfeste ein wahres Verdienst erwerben wollen. Was die Wahl der Solovorträge anlangt, so gaben dieselben, was ihren künstlerischen Werth an sich anlangt, keinen Grund zu Ausstellungen. Nur dagegen muß ich meine Bedenken aussprechen, daß der Vortrag von Liedern selbst auf den Musikfesten überhandnehme, wohin sie doch entschieden nicht gehören. Dies Mal sang Herr Schneider den Liederkranz von Beethoven, Herr Dumont-Fineö zwei, Herr Stockhausen drei Lieder. Die erste Be¬ dingung jeder künstlerischen Wirkung ist jedoch, daß zwischen Zweck und Mittel ein richtiges Verhältniß obwalte, und Liever mit Klavierbegleitung sind gewiß nicht ein Maßstab eines großen Musikfestes. Die Lieder von Stockhausen waren in ihrer Art einzig und enlhusiaömirten das Publieum mit vollem Recht. Den¬ noch möchte ich um des Ganzen willen wünschen, er hätte dort keine gesungen^ denn ein einzelner großer Genuß kann den Nachtheil nicht ersetzen, welchen die unvermeidliche Nachfolge derer verursacht, welche nicht pures geniale Lei¬ stungen berufen sind, eine Ausnahme von der Regel zu machen. Frl. Tiel- jenö allein war der alten Sitte treu geblieben und hatte zlvei große Arien, aus der Entführung („Martern aller Arten") und aus Fidelio („Ab¬ scheulicher!") gewählt, eine Wahl, die man nur loben konnte. Die Herren Tausch, Laub und Grützmacher hatten sich vereinigt zu Beethovens Eoncert für Pianoforte, Violine und Violoncello. Die Wahl eines natürlich nur selten gehörten Werks, das für viele neu und interessant sein mußte, ist sehr anerkenne.öwerth, um so mehr, als sie nicht ohne Nesigna-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/506>, abgerufen am 20.06.2024.