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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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leicht faßlich; dem Schlußchor möchte man wol mehr Concentration und
Steigerung der Kraft wünschen, allein wenn die Wirkung vefselben auch nicht
mächtig und überwältigend ist, so schließt er doch in würdiger Weise die
Stimmung ab, welche sich dem Ton des Ganzen gemäß auch hier nicht zum
höchsten, Schwunge erheben konnte.

Eingeleitet wurde dieses Concert durch Cherubinis Ouvertüre zu den
Abenceragen. Sie wissen, mit welcher Virtuosität diese Ouvertüre in Leipzig
gespielt wurde und mit wie besonderer Vorliebe Rietz dieselbe, wie überhaup
die cherubinischen Ouvertüren bis zur saubersten Feinheit der Ausführung
einstudirt. Es konnte wol gewagt erscheinen, dasselbe mit einem so massen¬
haften Orchester zu versuchen, allein es gelang vollständig. Im rapidesten
Tempo wurde die Ouvertüre mit ebenso viel Feuer als Feinheit vorgetragen,
und das lang anhaltende Pianisstmo jener wunderbaren Stellen, auf denen
man -wie auf einer spiegelglatten Eisfläche fortgleitet, übte bei der intensiven
Fülle des Tons einen zauberhaften Reiz aus. Es war ein Virtuosenstück
des Orchesters vom ersten Rang und bester Wirkung. Auch die Ouvertüre
zur Zauberflöte im dritten Concerte wurde vortrefflich ausgeführt, nur wäre
für diese ein etwas mäßigeres Tempo erwünscht gewesen. Es kam freilich
alles heraus, auch mit der richtigen Betonung und Nuaucirung und die
Bravour des Orchesters bewährte sich von neuem glänzend; allein der Cha¬
rakter der Würde, den dieses wundervolle Musikstück bei aller heiteren Leben¬
digkeit hat, wird doch durch übergroße Schnelligkeit unfehlbar beeinträchtigt
und namentlich manche Stellen der Blasinstrumente verlieren an feiner und
edler Wirkung.

Gegen die Gewohnheit ließ Rietz gar keine seiner Compositionen auf¬
führen, obgleich man namentlich seine letzte Symphonie, die mit so großem
Beifall aufgenommen ist, gewiß gern gehört hätte. Vermuthlich wollte er
durch sein Beispiel zeigen, daß es nicht als eine unabwendbare Nothwendigkeit
gelten dürfe, bei jedem Musikfeste Compositionen deS Dirigenten aufzuführen,
und dieser ehrenwerthen Gesinnung kann niemand seine Achtung versagen.
Vielleicht wäre es nicht unangemessen gewesen, wenn Herr Musikdirektor
Tausch sich gesägt hätte, daß -noch viel weniger Rücksichten einer localen
Courtoisie auf die Wahl der aufzuführenden Musikstücke Einfluß üben dür¬
fen. Seine Ouvertüre in l.!in<>11, mit welcher das Concert eröffnet wurde,
legt höchstens von einem gewissen Geschick Zeugniß ab, nicht ohne starke Re¬
miniscenzen ein Musikstück zu Stande zu bringen, das durch angemessene Jn¬
strumentation recht gut klingt, aber eine eigenthümliche PcoductionSkrafl ver¬
räth sie so wenig als geistreiche Faclur. Immerhin mag sie ihren Platz neben
anderen Ouvertüren behaupten, allein die Auszeichnung, bei einem Feste der
Art mit solchen Mitteln, vor einem solchen Publicum aufgeführt zu werden,


leicht faßlich; dem Schlußchor möchte man wol mehr Concentration und
Steigerung der Kraft wünschen, allein wenn die Wirkung vefselben auch nicht
mächtig und überwältigend ist, so schließt er doch in würdiger Weise die
Stimmung ab, welche sich dem Ton des Ganzen gemäß auch hier nicht zum
höchsten, Schwunge erheben konnte.

Eingeleitet wurde dieses Concert durch Cherubinis Ouvertüre zu den
Abenceragen. Sie wissen, mit welcher Virtuosität diese Ouvertüre in Leipzig
gespielt wurde und mit wie besonderer Vorliebe Rietz dieselbe, wie überhaup
die cherubinischen Ouvertüren bis zur saubersten Feinheit der Ausführung
einstudirt. Es konnte wol gewagt erscheinen, dasselbe mit einem so massen¬
haften Orchester zu versuchen, allein es gelang vollständig. Im rapidesten
Tempo wurde die Ouvertüre mit ebenso viel Feuer als Feinheit vorgetragen,
und das lang anhaltende Pianisstmo jener wunderbaren Stellen, auf denen
man -wie auf einer spiegelglatten Eisfläche fortgleitet, übte bei der intensiven
Fülle des Tons einen zauberhaften Reiz aus. Es war ein Virtuosenstück
des Orchesters vom ersten Rang und bester Wirkung. Auch die Ouvertüre
zur Zauberflöte im dritten Concerte wurde vortrefflich ausgeführt, nur wäre
für diese ein etwas mäßigeres Tempo erwünscht gewesen. Es kam freilich
alles heraus, auch mit der richtigen Betonung und Nuaucirung und die
Bravour des Orchesters bewährte sich von neuem glänzend; allein der Cha¬
rakter der Würde, den dieses wundervolle Musikstück bei aller heiteren Leben¬
digkeit hat, wird doch durch übergroße Schnelligkeit unfehlbar beeinträchtigt
und namentlich manche Stellen der Blasinstrumente verlieren an feiner und
edler Wirkung.

Gegen die Gewohnheit ließ Rietz gar keine seiner Compositionen auf¬
führen, obgleich man namentlich seine letzte Symphonie, die mit so großem
Beifall aufgenommen ist, gewiß gern gehört hätte. Vermuthlich wollte er
durch sein Beispiel zeigen, daß es nicht als eine unabwendbare Nothwendigkeit
gelten dürfe, bei jedem Musikfeste Compositionen deS Dirigenten aufzuführen,
und dieser ehrenwerthen Gesinnung kann niemand seine Achtung versagen.
Vielleicht wäre es nicht unangemessen gewesen, wenn Herr Musikdirektor
Tausch sich gesägt hätte, daß -noch viel weniger Rücksichten einer localen
Courtoisie auf die Wahl der aufzuführenden Musikstücke Einfluß üben dür¬
fen. Seine Ouvertüre in l.!in<>11, mit welcher das Concert eröffnet wurde,
legt höchstens von einem gewissen Geschick Zeugniß ab, nicht ohne starke Re¬
miniscenzen ein Musikstück zu Stande zu bringen, das durch angemessene Jn¬
strumentation recht gut klingt, aber eine eigenthümliche PcoductionSkrafl ver¬
räth sie so wenig als geistreiche Faclur. Immerhin mag sie ihren Platz neben
anderen Ouvertüren behaupten, allein die Auszeichnung, bei einem Feste der
Art mit solchen Mitteln, vor einem solchen Publicum aufgeführt zu werden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/504>, abgerufen am 20.06.2024.