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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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als bisher. Dieses war aber keineswegs der Fall. Zwar richteten sich die
Beschwerden dies Mal namentlich gegen den englischen Gesandten, Mr. Cramp-
ton, so wie gegen die englischen Konsuln in Cincinnati, Philadelphia und
Neuyork, aber die Vorkommnisse, über die man Beschwerde führte, waren von
Älteren Datum als die Depesche, in welcher die amerikanische Regierung erklärt
hatte, sich mit einem Tadel gegen die britischen Agenten als Genugthuung
befriedigen zu wollen. Jetzt aber verlangte sie die Abberufung dieser Herren. ES
waren nämlich in den Städten Philadelphia und Neuyork Personen gerichtlich
zur Verantwortung gezogen worden, welche sür die englische Fremdenlegion ge¬
worben, hatten. Sie hatten ausgesagt, sie handelten im Auftrag des englischen
Gesandten oder der obengenannten englischen Consuln. Merkwürdigerweise
aber hatte man keinem dieser Herren Gelegenheit gegeben, sich wegen der gegen
sie vorgebrachten Beschuldigungen zu verantworten und die Wahrheitsliebe der
sie anklagenden Zeugen einer Prüfung zu unterziehen, trotzdem, daß der
Charakter der Zeugen von vornherein ihre Aussagen verdächtig machte. Leider
waren es Deutsche, die sich zu diesem schmuzigen Geschäft hergaben. Die Be¬
schuldigungen gegen den Gesandten, Mr. Crampton, beruhten hauptsächlich auf
den Aussagen von Hertz und Strobel, zweier Personen vom schlechtesten
Leumunde. Hertz hatte sich nach eidlich beglaubigten Aussagen mehrfach
Schwindeleien zu Schulden kommen lassen, und nur Mitleid hatte ihn vor
gerichtlicher Untersuchung und Strafe gerettet. Strobel hatte früher in
Diensten des Statthalters von Neuschottland in Halifar gestanden, war von
diesem wegen schlechter Aufführung entlassen und dann nach Washington
verschlagen worden, wo er vergeblich versucht hatte, von Mr. Crampton
Geld zu erpressen. Das Motiv zu seinem Auftreten vor Gericht liegt demnach
nahe genug. In den Vereinigten Staaten gab er sich sür einen politischen
Flüchtling aus, was er vielleicht war, und für einen ehemaligen bairischen
Offizier, der er nachgewiesenermaßen nicht gewesen war. Beide sehr ehren¬
werthe Herren galten der öffentlichen Meinung als russische Spione. Behaup¬
tungen solcher Persönlichkeiten muthete die amerikanische Regierung der eng-
, lischen zu, als glaubwürdiger zu betrachten, als die bestimmten Verneinungen
eines ihrer angesehensten Beamten, des Gesandten in Washington, und auf
solche Gründe gestützt, stellte sie eine Forderung, deren Gewährung für Eng¬
land eine ewige Schmach gewesen wäre, und deren Versagung zu einem Bruch
zwischen zwei durch ihre Verwandtschaft und ihre Interessen auf ein enges
Bündnis angewiesenen Staaten .führen konnte. Die Beschwerde gegen den
englischen Consul in Cincinnati war gar noch vor Gericht schwebend, und die
amerikanische Regierung verlangte von der englischen die Bestrafung desselben,
ehe seine Schuld festgestellt war. So stand es mit der Motivirung der Be¬
schwerden. M. Marco hatte jedoch, um das fehlende Gewicht der Gründe mit


als bisher. Dieses war aber keineswegs der Fall. Zwar richteten sich die
Beschwerden dies Mal namentlich gegen den englischen Gesandten, Mr. Cramp-
ton, so wie gegen die englischen Konsuln in Cincinnati, Philadelphia und
Neuyork, aber die Vorkommnisse, über die man Beschwerde führte, waren von
Älteren Datum als die Depesche, in welcher die amerikanische Regierung erklärt
hatte, sich mit einem Tadel gegen die britischen Agenten als Genugthuung
befriedigen zu wollen. Jetzt aber verlangte sie die Abberufung dieser Herren. ES
waren nämlich in den Städten Philadelphia und Neuyork Personen gerichtlich
zur Verantwortung gezogen worden, welche sür die englische Fremdenlegion ge¬
worben, hatten. Sie hatten ausgesagt, sie handelten im Auftrag des englischen
Gesandten oder der obengenannten englischen Consuln. Merkwürdigerweise
aber hatte man keinem dieser Herren Gelegenheit gegeben, sich wegen der gegen
sie vorgebrachten Beschuldigungen zu verantworten und die Wahrheitsliebe der
sie anklagenden Zeugen einer Prüfung zu unterziehen, trotzdem, daß der
Charakter der Zeugen von vornherein ihre Aussagen verdächtig machte. Leider
waren es Deutsche, die sich zu diesem schmuzigen Geschäft hergaben. Die Be¬
schuldigungen gegen den Gesandten, Mr. Crampton, beruhten hauptsächlich auf
den Aussagen von Hertz und Strobel, zweier Personen vom schlechtesten
Leumunde. Hertz hatte sich nach eidlich beglaubigten Aussagen mehrfach
Schwindeleien zu Schulden kommen lassen, und nur Mitleid hatte ihn vor
gerichtlicher Untersuchung und Strafe gerettet. Strobel hatte früher in
Diensten des Statthalters von Neuschottland in Halifar gestanden, war von
diesem wegen schlechter Aufführung entlassen und dann nach Washington
verschlagen worden, wo er vergeblich versucht hatte, von Mr. Crampton
Geld zu erpressen. Das Motiv zu seinem Auftreten vor Gericht liegt demnach
nahe genug. In den Vereinigten Staaten gab er sich sür einen politischen
Flüchtling aus, was er vielleicht war, und für einen ehemaligen bairischen
Offizier, der er nachgewiesenermaßen nicht gewesen war. Beide sehr ehren¬
werthe Herren galten der öffentlichen Meinung als russische Spione. Behaup¬
tungen solcher Persönlichkeiten muthete die amerikanische Regierung der eng-
, lischen zu, als glaubwürdiger zu betrachten, als die bestimmten Verneinungen
eines ihrer angesehensten Beamten, des Gesandten in Washington, und auf
solche Gründe gestützt, stellte sie eine Forderung, deren Gewährung für Eng¬
land eine ewige Schmach gewesen wäre, und deren Versagung zu einem Bruch
zwischen zwei durch ihre Verwandtschaft und ihre Interessen auf ein enges
Bündnis angewiesenen Staaten .führen konnte. Die Beschwerde gegen den
englischen Consul in Cincinnati war gar noch vor Gericht schwebend, und die
amerikanische Regierung verlangte von der englischen die Bestrafung desselben,
ehe seine Schuld festgestellt war. So stand es mit der Motivirung der Be¬
schwerden. M. Marco hatte jedoch, um das fehlende Gewicht der Gründe mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/414>, abgerufen am 27.06.2024.