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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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gemachten Blattes scheint auch das "kölnische Journal" zu sein, welches an die
Stelle der unterdrückten (ultramontanen) "deutschen Volkshalle" zu treten be¬
stimmt ist. Grund dafür mag die Erkenntniß der Partei sein, daß jenes
"Deutschland", welches man in Frankfurt sofort nach dem Untergänge der
Volkshalle etablirte, keinen günstigen Wurzelboden zu finden vermag.

Verhältnißmäßig zahlreicher sind die neu entstandenen politischen Wochen-
und Sonntagsblätter. So erscheint, um den bairischen Preßzuständen auszu¬
weichen, in Mannheim ein "Pfcilzer Wochenblatt" mit der ausgesprochenen
Tendenz, die Interessen der bairischen Rheinpfalz zu vertreten. specifisch
bairische Angelegenheiten, vom constitutionellen Standpunkt behandelt, füllen
also größrenthcils seine Spalten. Aber auch die weitern nationalen Interessen
finden ihre kritische Vertretung aus diesem Gesichtspunkt. Und auch in Baiern
selbst entstand mit Beginn des zweiten Quartals eine "politische Wochenschrift",
redigirt von Dr. E. Faust, dem ehemaligen Redacteur des todtgemaßregeltcn
"nürnberger Couriers". Noch liegt blos die Probenummer vor. Das Vor¬
wort beruft sich riuf die frühere Thätigkeit des Redacteurs und sagt über die
Absicht der Wochenschrift: "Wir werden nicht jede Wahrheit sagen können,
aber wir werden nur sagen, was wir für Wahrheit halten. Ein Neuigkeits¬
blatt soll die Wochenschrift nicht sein. Aber sie soll immer die Erscheinungen
des letzten Zeitabschnittes im Zusammenhange fassen, möglichst als ein Ganzes
darstellen und den tiefern Sinn derselben nach den Lehren der Geschichte prü¬
fen. Sie soll das durch Wichtigkeit oder Interesse hervorragende Einzelne
erörtern und seinem Verhältnisse zu dem Ganzen nachforschen." Allerdings
fehlt es in Süd- und Südwestdeutschland noch sehr an solchen politischen
Blättern, welche sich die Erörterung einzelner Vorgänge und die Ausdeutung
ihrer symptomischen oder pragmatischen Bedeutung im Gange der Zeitgeschichte
zur Aufgabe setzen. Ob jedoch eine materielle Zukunft und ein weitergreifender
Einfluß eines solchen Blattes zu erwarten steht, bleibt nach den verbreiteteren
Neigungen des süddeutschen Publicums eine Zweifelsfrage. Denn selbst die
gewohnten und weit verbreiteten Tageszeitungen dieser Gegenden haben es
nach oft erneuten Versuchen immer wieder aufgeben müssen, den Leitartikel als
integrirenden Bestandtheil jeder Nummer aufzunehmen. Er tritt überall blos
bei besondern Veranlassungen hervor und ist meistens nicht sowol principiell
erörternden, als factisch resümirenden Charakters. Die einzige Ausnahme bildet
in dieser Beziehung die Augsb. "Allgem. Ztg." Allein abgesehen davon, daß
sie viel weniger auf einem süddeutschen Verbreitungsrayon als auf einem
östreichischen und außerdeutschen basirt, bedingen auch keineswegs politische und
socialpolitische, sondern vielmehr allgemein culturhistorische Arbeiten ihren journa¬
listischen Charakter.

Die erörternde Publicistik findet im Allgemeinen in Nvrddeutschlaiid einen


gemachten Blattes scheint auch das „kölnische Journal" zu sein, welches an die
Stelle der unterdrückten (ultramontanen) „deutschen Volkshalle" zu treten be¬
stimmt ist. Grund dafür mag die Erkenntniß der Partei sein, daß jenes
„Deutschland", welches man in Frankfurt sofort nach dem Untergänge der
Volkshalle etablirte, keinen günstigen Wurzelboden zu finden vermag.

Verhältnißmäßig zahlreicher sind die neu entstandenen politischen Wochen-
und Sonntagsblätter. So erscheint, um den bairischen Preßzuständen auszu¬
weichen, in Mannheim ein „Pfcilzer Wochenblatt" mit der ausgesprochenen
Tendenz, die Interessen der bairischen Rheinpfalz zu vertreten. specifisch
bairische Angelegenheiten, vom constitutionellen Standpunkt behandelt, füllen
also größrenthcils seine Spalten. Aber auch die weitern nationalen Interessen
finden ihre kritische Vertretung aus diesem Gesichtspunkt. Und auch in Baiern
selbst entstand mit Beginn des zweiten Quartals eine „politische Wochenschrift",
redigirt von Dr. E. Faust, dem ehemaligen Redacteur des todtgemaßregeltcn
„nürnberger Couriers". Noch liegt blos die Probenummer vor. Das Vor¬
wort beruft sich riuf die frühere Thätigkeit des Redacteurs und sagt über die
Absicht der Wochenschrift: „Wir werden nicht jede Wahrheit sagen können,
aber wir werden nur sagen, was wir für Wahrheit halten. Ein Neuigkeits¬
blatt soll die Wochenschrift nicht sein. Aber sie soll immer die Erscheinungen
des letzten Zeitabschnittes im Zusammenhange fassen, möglichst als ein Ganzes
darstellen und den tiefern Sinn derselben nach den Lehren der Geschichte prü¬
fen. Sie soll das durch Wichtigkeit oder Interesse hervorragende Einzelne
erörtern und seinem Verhältnisse zu dem Ganzen nachforschen." Allerdings
fehlt es in Süd- und Südwestdeutschland noch sehr an solchen politischen
Blättern, welche sich die Erörterung einzelner Vorgänge und die Ausdeutung
ihrer symptomischen oder pragmatischen Bedeutung im Gange der Zeitgeschichte
zur Aufgabe setzen. Ob jedoch eine materielle Zukunft und ein weitergreifender
Einfluß eines solchen Blattes zu erwarten steht, bleibt nach den verbreiteteren
Neigungen des süddeutschen Publicums eine Zweifelsfrage. Denn selbst die
gewohnten und weit verbreiteten Tageszeitungen dieser Gegenden haben es
nach oft erneuten Versuchen immer wieder aufgeben müssen, den Leitartikel als
integrirenden Bestandtheil jeder Nummer aufzunehmen. Er tritt überall blos
bei besondern Veranlassungen hervor und ist meistens nicht sowol principiell
erörternden, als factisch resümirenden Charakters. Die einzige Ausnahme bildet
in dieser Beziehung die Augsb. „Allgem. Ztg." Allein abgesehen davon, daß
sie viel weniger auf einem süddeutschen Verbreitungsrayon als auf einem
östreichischen und außerdeutschen basirt, bedingen auch keineswegs politische und
socialpolitische, sondern vielmehr allgemein culturhistorische Arbeiten ihren journa¬
listischen Charakter.

Die erörternde Publicistik findet im Allgemeinen in Nvrddeutschlaiid einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/318>, abgerufen am 21.06.2024.