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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Gedanken des Kaisers errieth. Bonaparte hatte seine liberalen Velleitäten
und als Fouche Collin d'Harleville die Bewilligung verweigerte, eines seiner
Stücke zu drucken, erhielt der Minister einen Verweis durch den Moniteur,
der da sagte: "wo wären wir, wenn es in Frankreich erst eines
Censors bedürfte, um seine Gedanken drucken zu lassen!" Fouchv
wußte, was das zu bedeuten hatte' und regelte den Dienst der Censoren.
Frankreich versöhnte sich indessen mit Napoleon und nach der glänzenden
Campagne von Austerlitz und nach dem Frieden von Preßburg war die
öffentliche Meinung ganz auf der Seite Napoleons. Fouchv ermangelte nicht,
Nachdruck auf diese so sehnsüchtig vom Kaiser erstrebte Veränderung zu legen.
"Sire," sagte er ihm, "Austerlitz hat die alte Aristokratie erschüttert, das
Faubourg Se. Germain conspirirt nicht mehr!" Napoleon war entzückt über
diese Nachricht und gestand seinem Minister, daß er in allen Schlach¬
ten und in allen Gefahren stets die Meinung von Paris und des
Faubourg Se. Germain vovAugen habe. Der alte Adel war auch in
der That nicht minder zahlreich in den Tuilerien vertreten als jetzt. Fouchv
widersprach dem Kaiser oft. Nach der Schlacht von Eylau drang er auf Herbei¬
führung des Friedens, wie er spater gegen die Erpedition nach Spanien rieth,
aber jedes Mal, wenn die Machtherrlichkeit des Kaisers in Frage kam, war er dessen
Ansicht. Als Napoleon von Valladolid aus eine Note gegen den gesetzgebenden
Körper in den Moniteur einrücken ließ und denselben blos eilten Rath nannte,
glaubte Napoleon gegen Fouches Gedanken zu handeln. Später befrug er ihn
hierüber: "So oft ein Körper sich das Recht anmaßt, allein den Souverän
vorzustellen, muß man ihn auflösen und hätte Ludwig XVl. so gehandelt, dieser
unglückliche Fürst lebte und herrschte heute noch." "Was, Herzog von Otranto
und mir däucht doch, daß Sie einer von denen gewesen, die Ludwig XVI. auss
Schaffst geschickt haben?" "Jawol, Sire, erwiderte Fouah", ohne sich zu besin¬
nen, und das war der erste Dienst, den ich Ihnen geleistet habe." Graner aus
Cassaignac sagte jüngst von der Republik, daß ihr einziges Verdienst um das
Land gewesen, daß sie das Kaiserreich möglich gemacht. Nach der Schlacht
von Wagram, als der Kaiser von Wien kam, hatte er in Fontainebleau mehre
Conferenzen mit seinem Minister, in denen er sich bitter über die Haltung von
Paris beklagte. Fouah" selbst mußte ihm gestehen, daß nach der Schlacht von
^ßling die Emissäre aus dem Faubourg Se. Germain das Gerücht ausge¬
sprengt hätten, Napoleon sei verrückt geworden. Der Kaiser drohte, gegen diese
unverbesserlichen Royalisten mit Strenge zu verfahren, da sie ihn immer
mit einerHand zerrissen, während sie mit der andern verlangten.
(Und heute?) "Hüten Sie sich wohl, antwortete FvuchtZ, das ist so die Tra¬
ktion, das Faubourg intriguirt und verleumdet, und das ist in der Ordnung.
Wer wurde ärger verleumdet, als Cäsar von den Patriciern Roms? Ich bürge


Gedanken des Kaisers errieth. Bonaparte hatte seine liberalen Velleitäten
und als Fouche Collin d'Harleville die Bewilligung verweigerte, eines seiner
Stücke zu drucken, erhielt der Minister einen Verweis durch den Moniteur,
der da sagte: „wo wären wir, wenn es in Frankreich erst eines
Censors bedürfte, um seine Gedanken drucken zu lassen!" Fouchv
wußte, was das zu bedeuten hatte' und regelte den Dienst der Censoren.
Frankreich versöhnte sich indessen mit Napoleon und nach der glänzenden
Campagne von Austerlitz und nach dem Frieden von Preßburg war die
öffentliche Meinung ganz auf der Seite Napoleons. Fouchv ermangelte nicht,
Nachdruck auf diese so sehnsüchtig vom Kaiser erstrebte Veränderung zu legen.
„Sire," sagte er ihm, „Austerlitz hat die alte Aristokratie erschüttert, das
Faubourg Se. Germain conspirirt nicht mehr!" Napoleon war entzückt über
diese Nachricht und gestand seinem Minister, daß er in allen Schlach¬
ten und in allen Gefahren stets die Meinung von Paris und des
Faubourg Se. Germain vovAugen habe. Der alte Adel war auch in
der That nicht minder zahlreich in den Tuilerien vertreten als jetzt. Fouchv
widersprach dem Kaiser oft. Nach der Schlacht von Eylau drang er auf Herbei¬
führung des Friedens, wie er spater gegen die Erpedition nach Spanien rieth,
aber jedes Mal, wenn die Machtherrlichkeit des Kaisers in Frage kam, war er dessen
Ansicht. Als Napoleon von Valladolid aus eine Note gegen den gesetzgebenden
Körper in den Moniteur einrücken ließ und denselben blos eilten Rath nannte,
glaubte Napoleon gegen Fouches Gedanken zu handeln. Später befrug er ihn
hierüber: „So oft ein Körper sich das Recht anmaßt, allein den Souverän
vorzustellen, muß man ihn auflösen und hätte Ludwig XVl. so gehandelt, dieser
unglückliche Fürst lebte und herrschte heute noch." „Was, Herzog von Otranto
und mir däucht doch, daß Sie einer von denen gewesen, die Ludwig XVI. auss
Schaffst geschickt haben?" „Jawol, Sire, erwiderte Fouah«, ohne sich zu besin¬
nen, und das war der erste Dienst, den ich Ihnen geleistet habe." Graner aus
Cassaignac sagte jüngst von der Republik, daß ihr einziges Verdienst um das
Land gewesen, daß sie das Kaiserreich möglich gemacht. Nach der Schlacht
von Wagram, als der Kaiser von Wien kam, hatte er in Fontainebleau mehre
Conferenzen mit seinem Minister, in denen er sich bitter über die Haltung von
Paris beklagte. Fouah« selbst mußte ihm gestehen, daß nach der Schlacht von
^ßling die Emissäre aus dem Faubourg Se. Germain das Gerücht ausge¬
sprengt hätten, Napoleon sei verrückt geworden. Der Kaiser drohte, gegen diese
unverbesserlichen Royalisten mit Strenge zu verfahren, da sie ihn immer
mit einerHand zerrissen, während sie mit der andern verlangten.
(Und heute?) „Hüten Sie sich wohl, antwortete FvuchtZ, das ist so die Tra¬
ktion, das Faubourg intriguirt und verleumdet, und das ist in der Ordnung.
Wer wurde ärger verleumdet, als Cäsar von den Patriciern Roms? Ich bürge


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/221>, abgerufen am 27.07.2024.