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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Englische Zeitungsannoncen von 1W bis 1853.

Das Junifest der quartöil^ roviov^von 1833 enthält eine interessante Aus¬
wahl von Anzeigen in londoner Zeitungen, von der Mitte des 17. Jahrhun¬
derts bis auf die heutige Zeit. In der That werfen diese Annoncen so zahl¬
reiche Schlaglichter auf die Zustände der betreffenden Perioden, charakterisiren
die Bedürfnisse, die Vergnügungen, die Betriebsamkeit der verschiedenen Zeit¬
alter so deutlich, daß sie einen unverächtlichen Beitrag zu einer Cultur¬
geschichte dieser beiden Jahrhunderte liefern: wir wollen daher aus dieser
Sammlung die charakteristischsten und interessantesten Exemplare mittheilen.

Die erste Zeitung, die diesen Namen verdient, erschien in London 1622,
unter dem Namen "Wöchentliche Neuigkeiten" (wecket^ ne^of); sie enthielt
jedoch nur wenige Brocken von fremden Nachrichten und gar keine Anzeigen.
Die Periode der politischen Kämpfe und bürgerlichen Unruhen zeitigte die Ent¬
wicklung der Tagespresse, aber um so weniger war sie der Benutzung derselben
Zu Anzeigen günstig. Die erste eigentliche Anzeige findet sich im Jahr 1632
in dem Parlamentsblatt ^erouiius poMicm8: eS ist die Anzeige eines pane¬
gyrischen Heldengedichtes, verfaßt bei Cromwells Rückkehr aus Irland, unter
dein Titel: Irenocria Kriitrrlatoria. Von nun ab bis zur Restauration ist der
Merkur voll von Bücheranzcigen mit den seltsamsten Titeln, als: "Bibelmark",
"Einige Seufzer aus der Hölle oder das Geächz einer verdammten Seele",
"Erzengel Michael gegen den Drachen oder ein feuriges Geschoß geschleudert
durch das Reich der Schlange". Dann aber zeigen zahlreiche Beschreibungen
enUausener Lehrlinge und Dienstboten, oft mit Angabe sonderbarer Diebstähle,
die sie, vor ihrer Entweichung verübt haben, daß diese Classe vor 200 Jahren
mindestens nicht besser war, als jetzt. Kaum eine Woche vergeht ohne solche
Steckbriefe. Ein ganz unverhältnißmäßig großer Theil der beschriebenen Individuen
>>" siebzehnten und im ersten Theil des achtzehnten Jahrhunderts ist pocken¬
narbig. Im Jahr 1639 enthielt der Merkur die erste Anzeige von einem ent-
laufener Negerknaben, welche damals vermuthlich von Portugiesen importirt
wurden; denn der directe Negerhandel begann in England erst 1680. Die
folgenden Jahrgänge der Zeitschriften zeigen, wie reich das fashionable England
an solchen schwarzen Pagen gewesen ist. Um diese Zeit wurden zahlreiche


Greuzbolc". II. >>866. 16
Englische Zeitungsannoncen von 1W bis 1853.

Das Junifest der quartöil^ roviov^von 1833 enthält eine interessante Aus¬
wahl von Anzeigen in londoner Zeitungen, von der Mitte des 17. Jahrhun¬
derts bis auf die heutige Zeit. In der That werfen diese Annoncen so zahl¬
reiche Schlaglichter auf die Zustände der betreffenden Perioden, charakterisiren
die Bedürfnisse, die Vergnügungen, die Betriebsamkeit der verschiedenen Zeit¬
alter so deutlich, daß sie einen unverächtlichen Beitrag zu einer Cultur¬
geschichte dieser beiden Jahrhunderte liefern: wir wollen daher aus dieser
Sammlung die charakteristischsten und interessantesten Exemplare mittheilen.

Die erste Zeitung, die diesen Namen verdient, erschien in London 1622,
unter dem Namen „Wöchentliche Neuigkeiten" (wecket^ ne^of); sie enthielt
jedoch nur wenige Brocken von fremden Nachrichten und gar keine Anzeigen.
Die Periode der politischen Kämpfe und bürgerlichen Unruhen zeitigte die Ent¬
wicklung der Tagespresse, aber um so weniger war sie der Benutzung derselben
Zu Anzeigen günstig. Die erste eigentliche Anzeige findet sich im Jahr 1632
in dem Parlamentsblatt ^erouiius poMicm8: eS ist die Anzeige eines pane¬
gyrischen Heldengedichtes, verfaßt bei Cromwells Rückkehr aus Irland, unter
dein Titel: Irenocria Kriitrrlatoria. Von nun ab bis zur Restauration ist der
Merkur voll von Bücheranzcigen mit den seltsamsten Titeln, als: „Bibelmark",
„Einige Seufzer aus der Hölle oder das Geächz einer verdammten Seele",
„Erzengel Michael gegen den Drachen oder ein feuriges Geschoß geschleudert
durch das Reich der Schlange". Dann aber zeigen zahlreiche Beschreibungen
enUausener Lehrlinge und Dienstboten, oft mit Angabe sonderbarer Diebstähle,
die sie, vor ihrer Entweichung verübt haben, daß diese Classe vor 200 Jahren
mindestens nicht besser war, als jetzt. Kaum eine Woche vergeht ohne solche
Steckbriefe. Ein ganz unverhältnißmäßig großer Theil der beschriebenen Individuen
>>» siebzehnten und im ersten Theil des achtzehnten Jahrhunderts ist pocken¬
narbig. Im Jahr 1639 enthielt der Merkur die erste Anzeige von einem ent-
laufener Negerknaben, welche damals vermuthlich von Portugiesen importirt
wurden; denn der directe Negerhandel begann in England erst 1680. Die
folgenden Jahrgänge der Zeitschriften zeigen, wie reich das fashionable England
an solchen schwarzen Pagen gewesen ist. Um diese Zeit wurden zahlreiche


Greuzbolc». II. >>866. 16
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[0129] Englische Zeitungsannoncen von 1W bis 1853. Das Junifest der quartöil^ roviov^von 1833 enthält eine interessante Aus¬ wahl von Anzeigen in londoner Zeitungen, von der Mitte des 17. Jahrhun¬ derts bis auf die heutige Zeit. In der That werfen diese Annoncen so zahl¬ reiche Schlaglichter auf die Zustände der betreffenden Perioden, charakterisiren die Bedürfnisse, die Vergnügungen, die Betriebsamkeit der verschiedenen Zeit¬ alter so deutlich, daß sie einen unverächtlichen Beitrag zu einer Cultur¬ geschichte dieser beiden Jahrhunderte liefern: wir wollen daher aus dieser Sammlung die charakteristischsten und interessantesten Exemplare mittheilen. Die erste Zeitung, die diesen Namen verdient, erschien in London 1622, unter dem Namen „Wöchentliche Neuigkeiten" (wecket^ ne^of); sie enthielt jedoch nur wenige Brocken von fremden Nachrichten und gar keine Anzeigen. Die Periode der politischen Kämpfe und bürgerlichen Unruhen zeitigte die Ent¬ wicklung der Tagespresse, aber um so weniger war sie der Benutzung derselben Zu Anzeigen günstig. Die erste eigentliche Anzeige findet sich im Jahr 1632 in dem Parlamentsblatt ^erouiius poMicm8: eS ist die Anzeige eines pane¬ gyrischen Heldengedichtes, verfaßt bei Cromwells Rückkehr aus Irland, unter dein Titel: Irenocria Kriitrrlatoria. Von nun ab bis zur Restauration ist der Merkur voll von Bücheranzcigen mit den seltsamsten Titeln, als: „Bibelmark", „Einige Seufzer aus der Hölle oder das Geächz einer verdammten Seele", „Erzengel Michael gegen den Drachen oder ein feuriges Geschoß geschleudert durch das Reich der Schlange". Dann aber zeigen zahlreiche Beschreibungen enUausener Lehrlinge und Dienstboten, oft mit Angabe sonderbarer Diebstähle, die sie, vor ihrer Entweichung verübt haben, daß diese Classe vor 200 Jahren mindestens nicht besser war, als jetzt. Kaum eine Woche vergeht ohne solche Steckbriefe. Ein ganz unverhältnißmäßig großer Theil der beschriebenen Individuen >>» siebzehnten und im ersten Theil des achtzehnten Jahrhunderts ist pocken¬ narbig. Im Jahr 1639 enthielt der Merkur die erste Anzeige von einem ent- laufener Negerknaben, welche damals vermuthlich von Portugiesen importirt wurden; denn der directe Negerhandel begann in England erst 1680. Die folgenden Jahrgänge der Zeitschriften zeigen, wie reich das fashionable England an solchen schwarzen Pagen gewesen ist. Um diese Zeit wurden zahlreiche Greuzbolc». II. >>866. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/129>, abgerufen am 21.06.2024.