Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ländern. Der Tabak bringe nicht ganz 12 Millionen Franken, das Salz
nicht ganz i0, die Patente gäben noch nicht 16 Millionen, alle diese Materien
könnten stärker besteuert werden. Nun ist aber der Tabak bei weitem weniger
in Rußland verbreitet, als in Deutschland, Frankreich und Spanien und der
Consum desselben würde reißend abnehmen, wenn der Preis durch eine Steuer¬
erhöhung vermehrt würde. Namentlich würden die ohnehin schon schwer be¬
steuerten reicheren Classen weit weniger Havannahcigarren verbrauchen, welche
am meisten Steuern abwerfen. Das Salz dagegen wird hauptsächlich von
dem armen Bauer verbraucht, der den Preis desselben schon jetzt zu hoch findet.
Eine noch größere Erhöhung dieses Preises durch eine vermehrte Salzsteuer
würde also eine höchst unpopuläre und unkluge Maßregel sein. Was die
Patente oder die Gewerbesteuern betrifft, so lasten sie hauptsächlich auf den Ban¬
kiers , den Manufacturisten und Kaufleuten. Obgleich diese Steuer" sehr hoch
sind, so bringen sie doch nur einen Serhältnißmäßig geringen Ertrag wegen
der geringen Anzahl der Besteuerten. Sollen sie mehr einbringen, so müßten
sie auf die mittleren und niedrigsten Classen der Arbeiter ausgedehnt werden.
Diese Maßregel ist aber um so schwieriger auszuführen, als jene Arbeiter schon
jetzt in einer sehr traurigen Lage sich befinden. Nimmt man aber auch an,
daß die Steuern vom Tabak, vom Salz und von den Patenten um i0 Mil¬
lionen Franken erhöht würden, so würde dieses Plus kaum das Deficit in den
Zolleinnahmen decken, welches schon 18si auf 2i Millionen Franken veran¬
schlagt wurde und welches 185!; ganz erheblich gestiegen sein muß. Die
Hauptquelle der Steuereinnahme ist freilich in Nußland die Steuer auf den
Bran ntweinverkaus. Diese Steuer liefert den dritten Theil der Gesammt-
einnahme. Sie ist aber bereits von 1839 bis 1853 fortdauernd erhöht worden
und betrug während dieser Periode jährlich im Durchschnitt 328 Millionen
Franken, während sie vor 1838 nur 200 Millionen ergab. Wollte man diese
Steuer noch mehr erhöhen, so würde der Consum des Branntweins geringer
werden und die Regierung würde dadurch mehr verlieren als gewinnen. Es
würden außerdem die großen Branntweindestillationen zu Grunde gehen, bei
denen eine große Anzahl von Edelleuten betheiligt ist.

Somit sind die Steuerquellen Rußlands in eben dem Maße erschöpft'als
die Hilfsmittel der Anleihe und der schwebenden Schuld. Nur in einem
Punkte ist Nußland europäischen Ländern überlegen, in der Getreide-
production. Rußland ist das einzige Land in Europa, wo die Getreide-
production rascher zunimmt als die Masse der Bevölkerung. Namentlich in
Polen übersteigt das gewonnene Getreide den einheimischen Bedarf uno kann
von dort in großen Massen dem Auslande zugeführt werden. Alles Getreide,
welches aus Odessa und Riga verführt wird, ist bekanntlich polnisches Ge¬
treide. Auch das russische Getreide, welches aus dem asowschen und weißen


Ländern. Der Tabak bringe nicht ganz 12 Millionen Franken, das Salz
nicht ganz i0, die Patente gäben noch nicht 16 Millionen, alle diese Materien
könnten stärker besteuert werden. Nun ist aber der Tabak bei weitem weniger
in Rußland verbreitet, als in Deutschland, Frankreich und Spanien und der
Consum desselben würde reißend abnehmen, wenn der Preis durch eine Steuer¬
erhöhung vermehrt würde. Namentlich würden die ohnehin schon schwer be¬
steuerten reicheren Classen weit weniger Havannahcigarren verbrauchen, welche
am meisten Steuern abwerfen. Das Salz dagegen wird hauptsächlich von
dem armen Bauer verbraucht, der den Preis desselben schon jetzt zu hoch findet.
Eine noch größere Erhöhung dieses Preises durch eine vermehrte Salzsteuer
würde also eine höchst unpopuläre und unkluge Maßregel sein. Was die
Patente oder die Gewerbesteuern betrifft, so lasten sie hauptsächlich auf den Ban¬
kiers , den Manufacturisten und Kaufleuten. Obgleich diese Steuer» sehr hoch
sind, so bringen sie doch nur einen Serhältnißmäßig geringen Ertrag wegen
der geringen Anzahl der Besteuerten. Sollen sie mehr einbringen, so müßten
sie auf die mittleren und niedrigsten Classen der Arbeiter ausgedehnt werden.
Diese Maßregel ist aber um so schwieriger auszuführen, als jene Arbeiter schon
jetzt in einer sehr traurigen Lage sich befinden. Nimmt man aber auch an,
daß die Steuern vom Tabak, vom Salz und von den Patenten um i0 Mil¬
lionen Franken erhöht würden, so würde dieses Plus kaum das Deficit in den
Zolleinnahmen decken, welches schon 18si auf 2i Millionen Franken veran¬
schlagt wurde und welches 185!; ganz erheblich gestiegen sein muß. Die
Hauptquelle der Steuereinnahme ist freilich in Nußland die Steuer auf den
Bran ntweinverkaus. Diese Steuer liefert den dritten Theil der Gesammt-
einnahme. Sie ist aber bereits von 1839 bis 1853 fortdauernd erhöht worden
und betrug während dieser Periode jährlich im Durchschnitt 328 Millionen
Franken, während sie vor 1838 nur 200 Millionen ergab. Wollte man diese
Steuer noch mehr erhöhen, so würde der Consum des Branntweins geringer
werden und die Regierung würde dadurch mehr verlieren als gewinnen. Es
würden außerdem die großen Branntweindestillationen zu Grunde gehen, bei
denen eine große Anzahl von Edelleuten betheiligt ist.

Somit sind die Steuerquellen Rußlands in eben dem Maße erschöpft'als
die Hilfsmittel der Anleihe und der schwebenden Schuld. Nur in einem
Punkte ist Nußland europäischen Ländern überlegen, in der Getreide-
production. Rußland ist das einzige Land in Europa, wo die Getreide-
production rascher zunimmt als die Masse der Bevölkerung. Namentlich in
Polen übersteigt das gewonnene Getreide den einheimischen Bedarf uno kann
von dort in großen Massen dem Auslande zugeführt werden. Alles Getreide,
welches aus Odessa und Riga verführt wird, ist bekanntlich polnisches Ge¬
treide. Auch das russische Getreide, welches aus dem asowschen und weißen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101056"/>
          <p xml:id="ID_192" prev="#ID_191"> Ländern. Der Tabak bringe nicht ganz 12 Millionen Franken, das Salz<lb/>
nicht ganz i0, die Patente gäben noch nicht 16 Millionen, alle diese Materien<lb/>
könnten stärker besteuert werden. Nun ist aber der Tabak bei weitem weniger<lb/>
in Rußland verbreitet, als in Deutschland, Frankreich und Spanien und der<lb/>
Consum desselben würde reißend abnehmen, wenn der Preis durch eine Steuer¬<lb/>
erhöhung vermehrt würde. Namentlich würden die ohnehin schon schwer be¬<lb/>
steuerten reicheren Classen weit weniger Havannahcigarren verbrauchen, welche<lb/>
am meisten Steuern abwerfen. Das Salz dagegen wird hauptsächlich von<lb/>
dem armen Bauer verbraucht, der den Preis desselben schon jetzt zu hoch findet.<lb/>
Eine noch größere Erhöhung dieses Preises durch eine vermehrte Salzsteuer<lb/>
würde also eine höchst unpopuläre und unkluge Maßregel sein. Was die<lb/>
Patente oder die Gewerbesteuern betrifft, so lasten sie hauptsächlich auf den Ban¬<lb/>
kiers , den Manufacturisten und Kaufleuten. Obgleich diese Steuer» sehr hoch<lb/>
sind, so bringen sie doch nur einen Serhältnißmäßig geringen Ertrag wegen<lb/>
der geringen Anzahl der Besteuerten. Sollen sie mehr einbringen, so müßten<lb/>
sie auf die mittleren und niedrigsten Classen der Arbeiter ausgedehnt werden.<lb/>
Diese Maßregel ist aber um so schwieriger auszuführen, als jene Arbeiter schon<lb/>
jetzt in einer sehr traurigen Lage sich befinden. Nimmt man aber auch an,<lb/>
daß die Steuern vom Tabak, vom Salz und von den Patenten um i0 Mil¬<lb/>
lionen Franken erhöht würden, so würde dieses Plus kaum das Deficit in den<lb/>
Zolleinnahmen decken, welches schon 18si auf 2i Millionen Franken veran¬<lb/>
schlagt wurde und welches 185!; ganz erheblich gestiegen sein muß. Die<lb/>
Hauptquelle der Steuereinnahme ist freilich in Nußland die Steuer auf den<lb/>
Bran ntweinverkaus. Diese Steuer liefert den dritten Theil der Gesammt-<lb/>
einnahme. Sie ist aber bereits von 1839 bis 1853 fortdauernd erhöht worden<lb/>
und betrug während dieser Periode jährlich im Durchschnitt 328 Millionen<lb/>
Franken, während sie vor 1838 nur 200 Millionen ergab. Wollte man diese<lb/>
Steuer noch mehr erhöhen, so würde der Consum des Branntweins geringer<lb/>
werden und die Regierung würde dadurch mehr verlieren als gewinnen. Es<lb/>
würden außerdem die großen Branntweindestillationen zu Grunde gehen, bei<lb/>
denen eine große Anzahl von Edelleuten betheiligt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_193" next="#ID_194"> Somit sind die Steuerquellen Rußlands in eben dem Maße erschöpft'als<lb/>
die Hilfsmittel der Anleihe und der schwebenden Schuld. Nur in einem<lb/>
Punkte ist Nußland europäischen Ländern überlegen, in der Getreide-<lb/>
production. Rußland ist das einzige Land in Europa, wo die Getreide-<lb/>
production rascher zunimmt als die Masse der Bevölkerung. Namentlich in<lb/>
Polen übersteigt das gewonnene Getreide den einheimischen Bedarf uno kann<lb/>
von dort in großen Massen dem Auslande zugeführt werden. Alles Getreide,<lb/>
welches aus Odessa und Riga verführt wird, ist bekanntlich polnisches Ge¬<lb/>
treide.  Auch das russische Getreide, welches aus dem asowschen und weißen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] Ländern. Der Tabak bringe nicht ganz 12 Millionen Franken, das Salz nicht ganz i0, die Patente gäben noch nicht 16 Millionen, alle diese Materien könnten stärker besteuert werden. Nun ist aber der Tabak bei weitem weniger in Rußland verbreitet, als in Deutschland, Frankreich und Spanien und der Consum desselben würde reißend abnehmen, wenn der Preis durch eine Steuer¬ erhöhung vermehrt würde. Namentlich würden die ohnehin schon schwer be¬ steuerten reicheren Classen weit weniger Havannahcigarren verbrauchen, welche am meisten Steuern abwerfen. Das Salz dagegen wird hauptsächlich von dem armen Bauer verbraucht, der den Preis desselben schon jetzt zu hoch findet. Eine noch größere Erhöhung dieses Preises durch eine vermehrte Salzsteuer würde also eine höchst unpopuläre und unkluge Maßregel sein. Was die Patente oder die Gewerbesteuern betrifft, so lasten sie hauptsächlich auf den Ban¬ kiers , den Manufacturisten und Kaufleuten. Obgleich diese Steuer» sehr hoch sind, so bringen sie doch nur einen Serhältnißmäßig geringen Ertrag wegen der geringen Anzahl der Besteuerten. Sollen sie mehr einbringen, so müßten sie auf die mittleren und niedrigsten Classen der Arbeiter ausgedehnt werden. Diese Maßregel ist aber um so schwieriger auszuführen, als jene Arbeiter schon jetzt in einer sehr traurigen Lage sich befinden. Nimmt man aber auch an, daß die Steuern vom Tabak, vom Salz und von den Patenten um i0 Mil¬ lionen Franken erhöht würden, so würde dieses Plus kaum das Deficit in den Zolleinnahmen decken, welches schon 18si auf 2i Millionen Franken veran¬ schlagt wurde und welches 185!; ganz erheblich gestiegen sein muß. Die Hauptquelle der Steuereinnahme ist freilich in Nußland die Steuer auf den Bran ntweinverkaus. Diese Steuer liefert den dritten Theil der Gesammt- einnahme. Sie ist aber bereits von 1839 bis 1853 fortdauernd erhöht worden und betrug während dieser Periode jährlich im Durchschnitt 328 Millionen Franken, während sie vor 1838 nur 200 Millionen ergab. Wollte man diese Steuer noch mehr erhöhen, so würde der Consum des Branntweins geringer werden und die Regierung würde dadurch mehr verlieren als gewinnen. Es würden außerdem die großen Branntweindestillationen zu Grunde gehen, bei denen eine große Anzahl von Edelleuten betheiligt ist. Somit sind die Steuerquellen Rußlands in eben dem Maße erschöpft'als die Hilfsmittel der Anleihe und der schwebenden Schuld. Nur in einem Punkte ist Nußland europäischen Ländern überlegen, in der Getreide- production. Rußland ist das einzige Land in Europa, wo die Getreide- production rascher zunimmt als die Masse der Bevölkerung. Namentlich in Polen übersteigt das gewonnene Getreide den einheimischen Bedarf uno kann von dort in großen Massen dem Auslande zugeführt werden. Alles Getreide, welches aus Odessa und Riga verführt wird, ist bekanntlich polnisches Ge¬ treide. Auch das russische Getreide, welches aus dem asowschen und weißen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/63
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/63>, abgerufen am 25.08.2024.