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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Weigerung deS Planet schon im 16. und 17. Jahrhundert und hielten die Juris-
diction der weltlichen Gerichte in rein bürgerlichen so wie in gemischten Sachen
der Kirche mit Strenge" aufrecht. Keine päpstlichen. Bullen oder Breven, sie
mochten von Rom aus oder durch die päpstlichen Nuntien übersandt werden,
dursten ohne Vorwissen und Willen seiner Majestät kund gemacht werden, ge¬
mäß den Verordnungen Ferdinands III. von 1641 und Leopolds I. von 1681,
die streng, auch 1767 von Maria Theresia verschärft, gehandhabt wurden. Die
bischöflichen Leichen-, Begräbnißcxequien, und Stolordnung bedurften der landes¬
herrlichen Bestätigung. Rücksichtlich der Wahl und der Installation der Prä¬
laten ist im passauer Vertrag von -Is92 festgesetzt, daß der landesfürstliche
Conseils vor der Bestätigung des Ordinarii einzuholen und allenfalls bei lan-
desfürstlichen erheblichen Bedenken die Wahl zu casstren sei. Ohne landesherr¬
lichen Konsens konnten Kirchen, geistliche Korporationen oder Stiftungen kein
Landeigenthum erwerben; gegen das an sie veräußerliche hat ein "ewiges"
Einlösungsrecht statt, nach Verordnungen von 1318, 1S2i, 1669, 1716, 1720,
17SS, 1736. Ebenso konnten ohne landesherrlichen Conseils keine Liegenschaften
der Kirchen, Stiftungen und geistlichen Corporationen veräußert, keine Capi¬
talien aufgenommen und keine namhafte neue Gebäude errichtet werden. Ueber¬
haupt stand die Verwaltung ihres Vermögens unter Staatsaufsicht und war
durch landesherrliche Verordnungen regulirt u. s. w.

Vergleicht man die kirchlichen Reformen Josephs II. mit den von seiner
Mutter unternommenen, so überzeugt man sich leicht, daß dieselben einen andern
Charakter haben. Er ging nicht von dem durch diese eingehaltenen streng
katholischen Standpunkt aus, sondern von einem in zweifacher Beziehung ver¬
schiedenen. Einmal faßte er das Verhältniß der Staatsgewalt zur Kirche als
ein anderes (für jene durchaus selbstständiges) auf, und anders die Stellung
des Papstes in der Kirche selbst. Er glaubte, ohne dadurch unberechtigte Ein¬
griffe in die katholische Kirchenverfassung zu thun, die Kirchenfreiheit beschrän¬
ken und verschiedene, bisher ausschließlich vom Papst ausgeübte Befugnisse
des Kirchenregiments für seine Staaten ihm entziehen und deir^ Episcopat über¬
tragen zu müssen. Er hielt sich für berechtigt, die Ausübung der nicht zum
Seelenheil nothwendigen Acte deS Cultus von seiner Amorisation abhängig
zu machen und alle ihm schädlich erscheinenden kirchlichen Anstalten aufzuheben
oder zu reformiren. Manches, was bisher für kirchlich galt, erklärte er für etwas
Weltliches, wie einen Theil des Eherechts. Zu seinen Reformen gehörten die
Toleranzgesetze, durch welche, die öffentliche Ausübung des Gottesdienstes ab¬
gerechnet, die Akatholischen den Katholischen gleichgestellt wurden; die 1781
decretirte Aufhebung der Klöster und Brüderschaften, die nicht dem Unterricht,
der Krankenpflege, der Seelsorge oder der Wissenschaft gewidmet waren; die
Stellung sämmtlicher Klöster unter die Aufsicht der Landesbischöfe und die Auf-


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Weigerung deS Planet schon im 16. und 17. Jahrhundert und hielten die Juris-
diction der weltlichen Gerichte in rein bürgerlichen so wie in gemischten Sachen
der Kirche mit Strenge» aufrecht. Keine päpstlichen. Bullen oder Breven, sie
mochten von Rom aus oder durch die päpstlichen Nuntien übersandt werden,
dursten ohne Vorwissen und Willen seiner Majestät kund gemacht werden, ge¬
mäß den Verordnungen Ferdinands III. von 1641 und Leopolds I. von 1681,
die streng, auch 1767 von Maria Theresia verschärft, gehandhabt wurden. Die
bischöflichen Leichen-, Begräbnißcxequien, und Stolordnung bedurften der landes¬
herrlichen Bestätigung. Rücksichtlich der Wahl und der Installation der Prä¬
laten ist im passauer Vertrag von -Is92 festgesetzt, daß der landesfürstliche
Conseils vor der Bestätigung des Ordinarii einzuholen und allenfalls bei lan-
desfürstlichen erheblichen Bedenken die Wahl zu casstren sei. Ohne landesherr¬
lichen Konsens konnten Kirchen, geistliche Korporationen oder Stiftungen kein
Landeigenthum erwerben; gegen das an sie veräußerliche hat ein „ewiges"
Einlösungsrecht statt, nach Verordnungen von 1318, 1S2i, 1669, 1716, 1720,
17SS, 1736. Ebenso konnten ohne landesherrlichen Conseils keine Liegenschaften
der Kirchen, Stiftungen und geistlichen Corporationen veräußert, keine Capi¬
talien aufgenommen und keine namhafte neue Gebäude errichtet werden. Ueber¬
haupt stand die Verwaltung ihres Vermögens unter Staatsaufsicht und war
durch landesherrliche Verordnungen regulirt u. s. w.

Vergleicht man die kirchlichen Reformen Josephs II. mit den von seiner
Mutter unternommenen, so überzeugt man sich leicht, daß dieselben einen andern
Charakter haben. Er ging nicht von dem durch diese eingehaltenen streng
katholischen Standpunkt aus, sondern von einem in zweifacher Beziehung ver¬
schiedenen. Einmal faßte er das Verhältniß der Staatsgewalt zur Kirche als
ein anderes (für jene durchaus selbstständiges) auf, und anders die Stellung
des Papstes in der Kirche selbst. Er glaubte, ohne dadurch unberechtigte Ein¬
griffe in die katholische Kirchenverfassung zu thun, die Kirchenfreiheit beschrän¬
ken und verschiedene, bisher ausschließlich vom Papst ausgeübte Befugnisse
des Kirchenregiments für seine Staaten ihm entziehen und deir^ Episcopat über¬
tragen zu müssen. Er hielt sich für berechtigt, die Ausübung der nicht zum
Seelenheil nothwendigen Acte deS Cultus von seiner Amorisation abhängig
zu machen und alle ihm schädlich erscheinenden kirchlichen Anstalten aufzuheben
oder zu reformiren. Manches, was bisher für kirchlich galt, erklärte er für etwas
Weltliches, wie einen Theil des Eherechts. Zu seinen Reformen gehörten die
Toleranzgesetze, durch welche, die öffentliche Ausübung des Gottesdienstes ab¬
gerechnet, die Akatholischen den Katholischen gleichgestellt wurden; die 1781
decretirte Aufhebung der Klöster und Brüderschaften, die nicht dem Unterricht,
der Krankenpflege, der Seelsorge oder der Wissenschaft gewidmet waren; die
Stellung sämmtlicher Klöster unter die Aufsicht der Landesbischöfe und die Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/507>, abgerufen am 23.07.2024.