Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bis Mitte Mai zur Fettgräsung bringt und von Mitte Juli an bis Anfang
October fettstrotzend nach dem Hafen treibt, wo sie zu Hunderten nach Hull
verschifft werden.

Von dem Lurus, dem man in Angeln begegnet, sieht man hier wenig.
Der Stolz des Ciderstedters äußert sich nur in blankem Geschirr und hübschem
Fuhrwerk. Doch sollen hin und wieder Silbergeschirr und selbst Punschbowlen
von diesem Metall vorkommen. Die eigenthümliche Gemeindeverfassung der
Landschaft Eiderstedt, in welcher manche gute Reste altdeutschen Rechtes erhal¬
ten sind, hat die Bewohner von jeher an die willige Uebernahme von Ge¬
meindeämtern gewöhnt, ihnen einen gewissen Stolz auf ihr Ländchen eingeflößt
und sie bei der Kenntniß deS Rechtes und der Geschichte desselben erhalten,
vor allem aber sie zu guten Patrioten und ausdauernden Gegnern der Re¬
volution gemacht, die im Gefolge des Siegs der Dänen unter dem Schein
der Gesetzlichkeit über das Herzogthum gekommen ist. Im nächsten Briefe
denke ich eine Probe der Art, wie sie sich dieser Neuerung und ihrer Werkzeuge
zu erwehret! streben, nach den Acten mitzutheilen. Für heute begnüge ich
mich mit dem Wunsche, daß sich bei diesem Kampf mit dem Unrecht den
Eiderstedtern ihr Sprichwort erfüllen möge: "Anhalten thut kriegen."

Zum Schusse lassen Sie mich Ihnen die Geschichte eines ScheunenthorS
erzählen, welches zwischen Witzworth und Garding, links neben der husumer
Straße zu sehen ist. Auf diesem Thore sind zwei Drescher abgebildet, ein
kleiner in einem schwarzen Rocke und ein großer breitschultriger. Unter diesem
liest man:


"Ich bin der Mann
Der dreschen kann,"

unter dem kleinen aber steht: "Ich kann auch dreschen, wenn es nur Arbeit
lohnen soll." Die Geschichte aber ist folgende:

In Witzworth war einst ein Mann, der so stark war, daß er alle, die
mit ihm draschen, zu Schanden machte. Er hatte schon manchen todt neben sich
hinstürzen sehen, und so gerieth er in einen solchen Ruf, daß er endlich keinen
Gesellen zur Arbeit zu finden vermochte. "Mit dem mag der Teufel dreschen"
hieß es allgemein, und siehe da, der Wunsch ging in Erfüllung. Als er sich
wieder einmal vergeblich auf dem Markte nach einem Makler (Helfer beim
Dreschen) umgesehen hatte und eben heimgehen wollte, stand plötzlich ein klei¬
nes Männchen in schwarzem Rock vor ihm und fragte, ob er der Mann se>,
der so gewaltig dreschen könne. "Ja wohl," sagte der Große, "ich bin der
Mann der dreschen kann." -- "Gut," sprach der Kleine, "ich kann auch dre¬
schen, wenn es nur Arbeit lohnen soll. Willst du mich zum Makler anneh¬
men?" -- "Dich?" sagte der Riese und lachte. "Da hab ich schon andre
Kerle todtgedroschen. Aber komm nur mit und Versuchs."


bis Mitte Mai zur Fettgräsung bringt und von Mitte Juli an bis Anfang
October fettstrotzend nach dem Hafen treibt, wo sie zu Hunderten nach Hull
verschifft werden.

Von dem Lurus, dem man in Angeln begegnet, sieht man hier wenig.
Der Stolz des Ciderstedters äußert sich nur in blankem Geschirr und hübschem
Fuhrwerk. Doch sollen hin und wieder Silbergeschirr und selbst Punschbowlen
von diesem Metall vorkommen. Die eigenthümliche Gemeindeverfassung der
Landschaft Eiderstedt, in welcher manche gute Reste altdeutschen Rechtes erhal¬
ten sind, hat die Bewohner von jeher an die willige Uebernahme von Ge¬
meindeämtern gewöhnt, ihnen einen gewissen Stolz auf ihr Ländchen eingeflößt
und sie bei der Kenntniß deS Rechtes und der Geschichte desselben erhalten,
vor allem aber sie zu guten Patrioten und ausdauernden Gegnern der Re¬
volution gemacht, die im Gefolge des Siegs der Dänen unter dem Schein
der Gesetzlichkeit über das Herzogthum gekommen ist. Im nächsten Briefe
denke ich eine Probe der Art, wie sie sich dieser Neuerung und ihrer Werkzeuge
zu erwehret! streben, nach den Acten mitzutheilen. Für heute begnüge ich
mich mit dem Wunsche, daß sich bei diesem Kampf mit dem Unrecht den
Eiderstedtern ihr Sprichwort erfüllen möge: „Anhalten thut kriegen."

Zum Schusse lassen Sie mich Ihnen die Geschichte eines ScheunenthorS
erzählen, welches zwischen Witzworth und Garding, links neben der husumer
Straße zu sehen ist. Auf diesem Thore sind zwei Drescher abgebildet, ein
kleiner in einem schwarzen Rocke und ein großer breitschultriger. Unter diesem
liest man:


„Ich bin der Mann
Der dreschen kann,"

unter dem kleinen aber steht: „Ich kann auch dreschen, wenn es nur Arbeit
lohnen soll." Die Geschichte aber ist folgende:

In Witzworth war einst ein Mann, der so stark war, daß er alle, die
mit ihm draschen, zu Schanden machte. Er hatte schon manchen todt neben sich
hinstürzen sehen, und so gerieth er in einen solchen Ruf, daß er endlich keinen
Gesellen zur Arbeit zu finden vermochte. „Mit dem mag der Teufel dreschen"
hieß es allgemein, und siehe da, der Wunsch ging in Erfüllung. Als er sich
wieder einmal vergeblich auf dem Markte nach einem Makler (Helfer beim
Dreschen) umgesehen hatte und eben heimgehen wollte, stand plötzlich ein klei¬
nes Männchen in schwarzem Rock vor ihm und fragte, ob er der Mann se>,
der so gewaltig dreschen könne. „Ja wohl," sagte der Große, „ich bin der
Mann der dreschen kann." — „Gut," sprach der Kleine, „ich kann auch dre¬
schen, wenn es nur Arbeit lohnen soll. Willst du mich zum Makler anneh¬
men?" — „Dich?" sagte der Riese und lachte. „Da hab ich schon andre
Kerle todtgedroschen. Aber komm nur mit und Versuchs."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101497"/>
            <p xml:id="ID_1496" prev="#ID_1495"> bis Mitte Mai zur Fettgräsung bringt und von Mitte Juli an bis Anfang<lb/>
October fettstrotzend nach dem Hafen treibt, wo sie zu Hunderten nach Hull<lb/>
verschifft werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1497"> Von dem Lurus, dem man in Angeln begegnet, sieht man hier wenig.<lb/>
Der Stolz des Ciderstedters äußert sich nur in blankem Geschirr und hübschem<lb/>
Fuhrwerk. Doch sollen hin und wieder Silbergeschirr und selbst Punschbowlen<lb/>
von diesem Metall vorkommen. Die eigenthümliche Gemeindeverfassung der<lb/>
Landschaft Eiderstedt, in welcher manche gute Reste altdeutschen Rechtes erhal¬<lb/>
ten sind, hat die Bewohner von jeher an die willige Uebernahme von Ge¬<lb/>
meindeämtern gewöhnt, ihnen einen gewissen Stolz auf ihr Ländchen eingeflößt<lb/>
und sie bei der Kenntniß deS Rechtes und der Geschichte desselben erhalten,<lb/>
vor allem aber sie zu guten Patrioten und ausdauernden Gegnern der Re¬<lb/>
volution gemacht, die im Gefolge des Siegs der Dänen unter dem Schein<lb/>
der Gesetzlichkeit über das Herzogthum gekommen ist. Im nächsten Briefe<lb/>
denke ich eine Probe der Art, wie sie sich dieser Neuerung und ihrer Werkzeuge<lb/>
zu erwehret! streben, nach den Acten mitzutheilen. Für heute begnüge ich<lb/>
mich mit dem Wunsche, daß sich bei diesem Kampf mit dem Unrecht den<lb/>
Eiderstedtern ihr Sprichwort erfüllen möge: &#x201E;Anhalten thut kriegen."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1498" next="#ID_1499"> Zum Schusse lassen Sie mich Ihnen die Geschichte eines ScheunenthorS<lb/>
erzählen, welches zwischen Witzworth und Garding, links neben der husumer<lb/>
Straße zu sehen ist. Auf diesem Thore sind zwei Drescher abgebildet, ein<lb/>
kleiner in einem schwarzen Rocke und ein großer breitschultriger. Unter diesem<lb/>
liest man:</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Ich bin der Mann<lb/>
Der dreschen kann,"</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1499" prev="#ID_1498"> unter dem kleinen aber steht: &#x201E;Ich kann auch dreschen, wenn es nur Arbeit<lb/>
lohnen soll."  Die Geschichte aber ist folgende:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1500"> In Witzworth war einst ein Mann, der so stark war, daß er alle, die<lb/>
mit ihm draschen, zu Schanden machte. Er hatte schon manchen todt neben sich<lb/>
hinstürzen sehen, und so gerieth er in einen solchen Ruf, daß er endlich keinen<lb/>
Gesellen zur Arbeit zu finden vermochte. &#x201E;Mit dem mag der Teufel dreschen"<lb/>
hieß es allgemein, und siehe da, der Wunsch ging in Erfüllung. Als er sich<lb/>
wieder einmal vergeblich auf dem Markte nach einem Makler (Helfer beim<lb/>
Dreschen) umgesehen hatte und eben heimgehen wollte, stand plötzlich ein klei¬<lb/>
nes Männchen in schwarzem Rock vor ihm und fragte, ob er der Mann se&gt;,<lb/>
der so gewaltig dreschen könne. &#x201E;Ja wohl," sagte der Große, &#x201E;ich bin der<lb/>
Mann der dreschen kann." &#x2014; &#x201E;Gut," sprach der Kleine, &#x201E;ich kann auch dre¬<lb/>
schen, wenn es nur Arbeit lohnen soll. Willst du mich zum Makler anneh¬<lb/>
men?" &#x2014; &#x201E;Dich?" sagte der Riese und lachte. &#x201E;Da hab ich schon andre<lb/>
Kerle todtgedroschen.  Aber komm nur mit und Versuchs."</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0504] bis Mitte Mai zur Fettgräsung bringt und von Mitte Juli an bis Anfang October fettstrotzend nach dem Hafen treibt, wo sie zu Hunderten nach Hull verschifft werden. Von dem Lurus, dem man in Angeln begegnet, sieht man hier wenig. Der Stolz des Ciderstedters äußert sich nur in blankem Geschirr und hübschem Fuhrwerk. Doch sollen hin und wieder Silbergeschirr und selbst Punschbowlen von diesem Metall vorkommen. Die eigenthümliche Gemeindeverfassung der Landschaft Eiderstedt, in welcher manche gute Reste altdeutschen Rechtes erhal¬ ten sind, hat die Bewohner von jeher an die willige Uebernahme von Ge¬ meindeämtern gewöhnt, ihnen einen gewissen Stolz auf ihr Ländchen eingeflößt und sie bei der Kenntniß deS Rechtes und der Geschichte desselben erhalten, vor allem aber sie zu guten Patrioten und ausdauernden Gegnern der Re¬ volution gemacht, die im Gefolge des Siegs der Dänen unter dem Schein der Gesetzlichkeit über das Herzogthum gekommen ist. Im nächsten Briefe denke ich eine Probe der Art, wie sie sich dieser Neuerung und ihrer Werkzeuge zu erwehret! streben, nach den Acten mitzutheilen. Für heute begnüge ich mich mit dem Wunsche, daß sich bei diesem Kampf mit dem Unrecht den Eiderstedtern ihr Sprichwort erfüllen möge: „Anhalten thut kriegen." Zum Schusse lassen Sie mich Ihnen die Geschichte eines ScheunenthorS erzählen, welches zwischen Witzworth und Garding, links neben der husumer Straße zu sehen ist. Auf diesem Thore sind zwei Drescher abgebildet, ein kleiner in einem schwarzen Rocke und ein großer breitschultriger. Unter diesem liest man: „Ich bin der Mann Der dreschen kann," unter dem kleinen aber steht: „Ich kann auch dreschen, wenn es nur Arbeit lohnen soll." Die Geschichte aber ist folgende: In Witzworth war einst ein Mann, der so stark war, daß er alle, die mit ihm draschen, zu Schanden machte. Er hatte schon manchen todt neben sich hinstürzen sehen, und so gerieth er in einen solchen Ruf, daß er endlich keinen Gesellen zur Arbeit zu finden vermochte. „Mit dem mag der Teufel dreschen" hieß es allgemein, und siehe da, der Wunsch ging in Erfüllung. Als er sich wieder einmal vergeblich auf dem Markte nach einem Makler (Helfer beim Dreschen) umgesehen hatte und eben heimgehen wollte, stand plötzlich ein klei¬ nes Männchen in schwarzem Rock vor ihm und fragte, ob er der Mann se>, der so gewaltig dreschen könne. „Ja wohl," sagte der Große, „ich bin der Mann der dreschen kann." — „Gut," sprach der Kleine, „ich kann auch dre¬ schen, wenn es nur Arbeit lohnen soll. Willst du mich zum Makler anneh¬ men?" — „Dich?" sagte der Riese und lachte. „Da hab ich schon andre Kerle todtgedroschen. Aber komm nur mit und Versuchs."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/504
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/504>, abgerufen am 25.08.2024.