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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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halten wäre) und entsetzte diejenigen, welche städtische Aemter bekleideten, na¬
mentlich die Rechnungsführer der milden Stiftungen, ihrer Stellen.

Ein Jahr" später, im Juli 18S3, wurden noch nachträglich einige Bürger,
welche die Petition unterzeichnet hatten, lauter Handwerker und sogenannte
kleine Leute, aufs Rathhaus geladen und gefragt, wer sie zur Unterschrift ver¬
leitet hätte. Man hoffte wol, daß sie einen oder den andern der angesehenen
Bürger angeben würden, um von Strafe befreit zu werden, und alsdann hätte
man triumphirend berichten können, es sei die ganze Bewegung gegen die
dänische Schul- und Kirchensprache nur ein Machwerk der aufrührerischen Sld-
vocaten und einzelner andern Insurgenten, die das Volk verführten (wie man
ja von der ganzen Erhebung zu sagen pflegte), der Plan scheiterte aber an dem
wackern Sinne dieser Bürger gänzlich. Sie erklärten alle, sie hätten aus
freien Stücken und mit völliger Ueberzeugung unterschrieben. Sie wurden auch
mit einem Thaler Geldstrafe belegt.

Es haben sich überhaupt alle Schritte gegen das Dänische vergeblich er¬
wiesen und die Beamten ihr Danisirungswerk in Tondern weiter geführt. Von
den Elementarschulen ist es in die höheren Classen übergegangen; namentlich
hat man sich beeilt, den dänischen Religionsunterricht einzuführen, natürlich,
die Prediger können ja kein Deutsch. Der Kirchenpropst und deutsche Haupt-
Prediger in Tondern, Odin Wolf Tiedcmand, macht auf der Kanzel und außer
der Kirche die seltsamsten Sprachschnitzer. So z. B. hat er einmal , von "ge¬
blendeten" Districten gesprochen und damit die gemischten, wo abwechselnd
deutsch und dänisch gepredigt wird, gemeint. Gemische heißt auf Dänisch
bläut et. Als er im ersten Jahre die Kinder confirmirte, hatte er sich nicht
einmal die Mühe gegeben, den Spruch, welchen er seiner Rede zum Grunde
legte, in der deutschen Bibel nachzulesen und sich einzuprägen und sagte nun
murer: "Wer nicht für mich ist, der ist mir zuwider." Bei einer Grabrede,
der die angesehenern Bürger beiwohnten, sagte er wiederholt "unsre Gefühlen
(Nominativ oder Accusativ), erwähnte dann, daß die Verstorbne "Schlächter"
(er sprach aber Slächter) habe gehen und kommen sehen (man mußte an die
verschiedenen Metzger denken, die ihr Fleisch ins Haus gebracht hatten, wäh¬
rend der Herr Propst Geschlechter meinte), verwechselte unaufhörlich den Plural
mit dem Singular, und setzte, nachdem er eine Viertelstunde lang über die
Todte, als eine hochbejahrte Frau gesprochen, der Lächerlichkeit dadurch die
Krone auf, daß er wiederholt sagte, sie sei 3i Jahre alt geworden, während
die Frau 8i Jahre alt starb. Man kann sich vorstellen, was aus der An¬
dacht der aus fast lauter gebildeten Leuten bestehenden Versammlung wurde.
So steht es um den Mann, der am 3. Juli 1833 als deutscher Hauptprediger
der Stadt Tondern und Kirchenpropst der tondersche'n Propstei, wozu bekannt¬
lich auch die friesischen Districte und die Inseln Sitt und Föhr gehöre,", intro-


halten wäre) und entsetzte diejenigen, welche städtische Aemter bekleideten, na¬
mentlich die Rechnungsführer der milden Stiftungen, ihrer Stellen.

Ein Jahr" später, im Juli 18S3, wurden noch nachträglich einige Bürger,
welche die Petition unterzeichnet hatten, lauter Handwerker und sogenannte
kleine Leute, aufs Rathhaus geladen und gefragt, wer sie zur Unterschrift ver¬
leitet hätte. Man hoffte wol, daß sie einen oder den andern der angesehenen
Bürger angeben würden, um von Strafe befreit zu werden, und alsdann hätte
man triumphirend berichten können, es sei die ganze Bewegung gegen die
dänische Schul- und Kirchensprache nur ein Machwerk der aufrührerischen Sld-
vocaten und einzelner andern Insurgenten, die das Volk verführten (wie man
ja von der ganzen Erhebung zu sagen pflegte), der Plan scheiterte aber an dem
wackern Sinne dieser Bürger gänzlich. Sie erklärten alle, sie hätten aus
freien Stücken und mit völliger Ueberzeugung unterschrieben. Sie wurden auch
mit einem Thaler Geldstrafe belegt.

Es haben sich überhaupt alle Schritte gegen das Dänische vergeblich er¬
wiesen und die Beamten ihr Danisirungswerk in Tondern weiter geführt. Von
den Elementarschulen ist es in die höheren Classen übergegangen; namentlich
hat man sich beeilt, den dänischen Religionsunterricht einzuführen, natürlich,
die Prediger können ja kein Deutsch. Der Kirchenpropst und deutsche Haupt-
Prediger in Tondern, Odin Wolf Tiedcmand, macht auf der Kanzel und außer
der Kirche die seltsamsten Sprachschnitzer. So z. B. hat er einmal , von „ge¬
blendeten" Districten gesprochen und damit die gemischten, wo abwechselnd
deutsch und dänisch gepredigt wird, gemeint. Gemische heißt auf Dänisch
bläut et. Als er im ersten Jahre die Kinder confirmirte, hatte er sich nicht
einmal die Mühe gegeben, den Spruch, welchen er seiner Rede zum Grunde
legte, in der deutschen Bibel nachzulesen und sich einzuprägen und sagte nun
murer: „Wer nicht für mich ist, der ist mir zuwider." Bei einer Grabrede,
der die angesehenern Bürger beiwohnten, sagte er wiederholt „unsre Gefühlen
(Nominativ oder Accusativ), erwähnte dann, daß die Verstorbne „Schlächter"
(er sprach aber Slächter) habe gehen und kommen sehen (man mußte an die
verschiedenen Metzger denken, die ihr Fleisch ins Haus gebracht hatten, wäh¬
rend der Herr Propst Geschlechter meinte), verwechselte unaufhörlich den Plural
mit dem Singular, und setzte, nachdem er eine Viertelstunde lang über die
Todte, als eine hochbejahrte Frau gesprochen, der Lächerlichkeit dadurch die
Krone auf, daß er wiederholt sagte, sie sei 3i Jahre alt geworden, während
die Frau 8i Jahre alt starb. Man kann sich vorstellen, was aus der An¬
dacht der aus fast lauter gebildeten Leuten bestehenden Versammlung wurde.
So steht es um den Mann, der am 3. Juli 1833 als deutscher Hauptprediger
der Stadt Tondern und Kirchenpropst der tondersche'n Propstei, wozu bekannt¬
lich auch die friesischen Districte und die Inseln Sitt und Föhr gehöre,«, intro-


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[0477] halten wäre) und entsetzte diejenigen, welche städtische Aemter bekleideten, na¬ mentlich die Rechnungsführer der milden Stiftungen, ihrer Stellen. Ein Jahr" später, im Juli 18S3, wurden noch nachträglich einige Bürger, welche die Petition unterzeichnet hatten, lauter Handwerker und sogenannte kleine Leute, aufs Rathhaus geladen und gefragt, wer sie zur Unterschrift ver¬ leitet hätte. Man hoffte wol, daß sie einen oder den andern der angesehenen Bürger angeben würden, um von Strafe befreit zu werden, und alsdann hätte man triumphirend berichten können, es sei die ganze Bewegung gegen die dänische Schul- und Kirchensprache nur ein Machwerk der aufrührerischen Sld- vocaten und einzelner andern Insurgenten, die das Volk verführten (wie man ja von der ganzen Erhebung zu sagen pflegte), der Plan scheiterte aber an dem wackern Sinne dieser Bürger gänzlich. Sie erklärten alle, sie hätten aus freien Stücken und mit völliger Ueberzeugung unterschrieben. Sie wurden auch mit einem Thaler Geldstrafe belegt. Es haben sich überhaupt alle Schritte gegen das Dänische vergeblich er¬ wiesen und die Beamten ihr Danisirungswerk in Tondern weiter geführt. Von den Elementarschulen ist es in die höheren Classen übergegangen; namentlich hat man sich beeilt, den dänischen Religionsunterricht einzuführen, natürlich, die Prediger können ja kein Deutsch. Der Kirchenpropst und deutsche Haupt- Prediger in Tondern, Odin Wolf Tiedcmand, macht auf der Kanzel und außer der Kirche die seltsamsten Sprachschnitzer. So z. B. hat er einmal , von „ge¬ blendeten" Districten gesprochen und damit die gemischten, wo abwechselnd deutsch und dänisch gepredigt wird, gemeint. Gemische heißt auf Dänisch bläut et. Als er im ersten Jahre die Kinder confirmirte, hatte er sich nicht einmal die Mühe gegeben, den Spruch, welchen er seiner Rede zum Grunde legte, in der deutschen Bibel nachzulesen und sich einzuprägen und sagte nun murer: „Wer nicht für mich ist, der ist mir zuwider." Bei einer Grabrede, der die angesehenern Bürger beiwohnten, sagte er wiederholt „unsre Gefühlen (Nominativ oder Accusativ), erwähnte dann, daß die Verstorbne „Schlächter" (er sprach aber Slächter) habe gehen und kommen sehen (man mußte an die verschiedenen Metzger denken, die ihr Fleisch ins Haus gebracht hatten, wäh¬ rend der Herr Propst Geschlechter meinte), verwechselte unaufhörlich den Plural mit dem Singular, und setzte, nachdem er eine Viertelstunde lang über die Todte, als eine hochbejahrte Frau gesprochen, der Lächerlichkeit dadurch die Krone auf, daß er wiederholt sagte, sie sei 3i Jahre alt geworden, während die Frau 8i Jahre alt starb. Man kann sich vorstellen, was aus der An¬ dacht der aus fast lauter gebildeten Leuten bestehenden Versammlung wurde. So steht es um den Mann, der am 3. Juli 1833 als deutscher Hauptprediger der Stadt Tondern und Kirchenpropst der tondersche'n Propstei, wozu bekannt¬ lich auch die friesischen Districte und die Inseln Sitt und Föhr gehöre,«, intro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/477>, abgerufen am 23.07.2024.