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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Hauptsache, die Daiüstrung der Gesümung nicht gelingen will. Es wäre gut,
wenn man sich mit diesem Vergnügen begnügt hätte. Man ist aber weiter
gegangen und hat vor allem die Kirche und Schule ins Auge gefaßt, dadurch
aber eine Erbitterung hervorgerufen, wie sie nur in Angeln ihres Gleichen findet.

Die Stadt Tondern, an der Grenze Nordfrieslands gelegen, ist von jeher
im Grundstock ihrer Bevölkerung eine echt deutsche Stadt gewesen. Dafür
zeugt schon der Umstand, daß Tondern bereits im Jahre 1243 auf Betrieb
des Minvritenmönchs Reinhard, dessen Bildniß noch jetzt das Sitzungszimmer
des Magistrats schmückt, vom Herzog Abel mit dem indischen Rechte bewidmet
wurde, welches dort noch heutzutage in Geltung ist. Während zu Anfang
dieses Jahrhunderts daS Plattdeutsche die Sprache der eigentlichen Bürger und
ihrer Familien war, wird von diesen jetzt fast nur hochdeutsch geredet. Nur ein
Theil der niedern Classe, Dienstboten und Handwerksgesellen sprechen das
Patois, welches man in Schleswig als Naben- oder Kartoffeldänisch bezeichnen
hört und selbst diese verstehen ohne Ausnahme die deutsche Sprache und brau¬
chen sie sofort, wenn die Rede von den Dingen deS Alltagslebens auf Gegen¬
stünde mehr ideeller Natur übergeht -- Beweis genug, daß die Geistesbildung
durchaus deutsch ist. Die Bildungsanstalten, Kirche und Schule sind bis 1831
stets deutsch gewesen, wie das bei einer wesentlich friesisch-deutschen Bevölkerung
nur natürlich war. Daß in den niedern Ständen eine dänische Beimischung
bewerkstelligt ist, erklärt sich aus der Einwanderung vierter jütischen Dienstboten,
die der bessere Lohn hierher gelockt hat und die später in der Stadt einen
eignen Herd gegründet haben. Allein das deutsche Element ist in Tondern
immer so vorwaltend' gewesen, daß es dieses natürliche Eindringen fast
völlig absorbirt hat, wenigstens so weit, daß diese Einwanderer sich das Deut¬
sche nach Kräften angeeignet haben und zum größten Theile gute Schlcswig-
Holsteiner geworden sind. Die Wahrheit und die Natur haben hier gesiegt
uno ich kenne in Tondern mehre geborne Dänen, welche entschieden auf der
Seite der Schleswig-Holsteiner stehen. Abgesehen von den neuen dänischen
Beamten, äußerte ein gründlicher Kenner der Verhältnisse, gibt es in Tondern,
einer Stadt von etwa dreitausend Seelen, kaum 20--30 dänisch gesinnte Familien
und diese finden sich keineswegs unter den Gebildeten. Man müßte denn die
beiden neuen Rathsherrn, Färber Diemer und Buchbinder Jacobsen dazu zäh¬
len, die weder recht deutsch noch recht dänisch können. Vor und in den Kriegs¬
jahren gab es unter den Kaufleuten keinen dänisch gesinnten; nach 18S0 aber
haben sich drei Dänen angesiedelt, der Kvrnhändler Jens N. Umdrehen, früher
Dienstknecht und aus den dänischen Enclaven stammend, der Manufacturist
Mathem aus Mögeltondern und der Colonialwaarenhändler Peter Olufsen,
ebenfalls aus den Enclaven. -- Unter den wenigen Familien in Tondern,
welche dänisch sind oder dänische Sympathien haben, gibt es aber mehre, die


Hauptsache, die Daiüstrung der Gesümung nicht gelingen will. Es wäre gut,
wenn man sich mit diesem Vergnügen begnügt hätte. Man ist aber weiter
gegangen und hat vor allem die Kirche und Schule ins Auge gefaßt, dadurch
aber eine Erbitterung hervorgerufen, wie sie nur in Angeln ihres Gleichen findet.

Die Stadt Tondern, an der Grenze Nordfrieslands gelegen, ist von jeher
im Grundstock ihrer Bevölkerung eine echt deutsche Stadt gewesen. Dafür
zeugt schon der Umstand, daß Tondern bereits im Jahre 1243 auf Betrieb
des Minvritenmönchs Reinhard, dessen Bildniß noch jetzt das Sitzungszimmer
des Magistrats schmückt, vom Herzog Abel mit dem indischen Rechte bewidmet
wurde, welches dort noch heutzutage in Geltung ist. Während zu Anfang
dieses Jahrhunderts daS Plattdeutsche die Sprache der eigentlichen Bürger und
ihrer Familien war, wird von diesen jetzt fast nur hochdeutsch geredet. Nur ein
Theil der niedern Classe, Dienstboten und Handwerksgesellen sprechen das
Patois, welches man in Schleswig als Naben- oder Kartoffeldänisch bezeichnen
hört und selbst diese verstehen ohne Ausnahme die deutsche Sprache und brau¬
chen sie sofort, wenn die Rede von den Dingen deS Alltagslebens auf Gegen¬
stünde mehr ideeller Natur übergeht — Beweis genug, daß die Geistesbildung
durchaus deutsch ist. Die Bildungsanstalten, Kirche und Schule sind bis 1831
stets deutsch gewesen, wie das bei einer wesentlich friesisch-deutschen Bevölkerung
nur natürlich war. Daß in den niedern Ständen eine dänische Beimischung
bewerkstelligt ist, erklärt sich aus der Einwanderung vierter jütischen Dienstboten,
die der bessere Lohn hierher gelockt hat und die später in der Stadt einen
eignen Herd gegründet haben. Allein das deutsche Element ist in Tondern
immer so vorwaltend' gewesen, daß es dieses natürliche Eindringen fast
völlig absorbirt hat, wenigstens so weit, daß diese Einwanderer sich das Deut¬
sche nach Kräften angeeignet haben und zum größten Theile gute Schlcswig-
Holsteiner geworden sind. Die Wahrheit und die Natur haben hier gesiegt
uno ich kenne in Tondern mehre geborne Dänen, welche entschieden auf der
Seite der Schleswig-Holsteiner stehen. Abgesehen von den neuen dänischen
Beamten, äußerte ein gründlicher Kenner der Verhältnisse, gibt es in Tondern,
einer Stadt von etwa dreitausend Seelen, kaum 20—30 dänisch gesinnte Familien
und diese finden sich keineswegs unter den Gebildeten. Man müßte denn die
beiden neuen Rathsherrn, Färber Diemer und Buchbinder Jacobsen dazu zäh¬
len, die weder recht deutsch noch recht dänisch können. Vor und in den Kriegs¬
jahren gab es unter den Kaufleuten keinen dänisch gesinnten; nach 18S0 aber
haben sich drei Dänen angesiedelt, der Kvrnhändler Jens N. Umdrehen, früher
Dienstknecht und aus den dänischen Enclaven stammend, der Manufacturist
Mathem aus Mögeltondern und der Colonialwaarenhändler Peter Olufsen,
ebenfalls aus den Enclaven. — Unter den wenigen Familien in Tondern,
welche dänisch sind oder dänische Sympathien haben, gibt es aber mehre, die


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[0471] Hauptsache, die Daiüstrung der Gesümung nicht gelingen will. Es wäre gut, wenn man sich mit diesem Vergnügen begnügt hätte. Man ist aber weiter gegangen und hat vor allem die Kirche und Schule ins Auge gefaßt, dadurch aber eine Erbitterung hervorgerufen, wie sie nur in Angeln ihres Gleichen findet. Die Stadt Tondern, an der Grenze Nordfrieslands gelegen, ist von jeher im Grundstock ihrer Bevölkerung eine echt deutsche Stadt gewesen. Dafür zeugt schon der Umstand, daß Tondern bereits im Jahre 1243 auf Betrieb des Minvritenmönchs Reinhard, dessen Bildniß noch jetzt das Sitzungszimmer des Magistrats schmückt, vom Herzog Abel mit dem indischen Rechte bewidmet wurde, welches dort noch heutzutage in Geltung ist. Während zu Anfang dieses Jahrhunderts daS Plattdeutsche die Sprache der eigentlichen Bürger und ihrer Familien war, wird von diesen jetzt fast nur hochdeutsch geredet. Nur ein Theil der niedern Classe, Dienstboten und Handwerksgesellen sprechen das Patois, welches man in Schleswig als Naben- oder Kartoffeldänisch bezeichnen hört und selbst diese verstehen ohne Ausnahme die deutsche Sprache und brau¬ chen sie sofort, wenn die Rede von den Dingen deS Alltagslebens auf Gegen¬ stünde mehr ideeller Natur übergeht — Beweis genug, daß die Geistesbildung durchaus deutsch ist. Die Bildungsanstalten, Kirche und Schule sind bis 1831 stets deutsch gewesen, wie das bei einer wesentlich friesisch-deutschen Bevölkerung nur natürlich war. Daß in den niedern Ständen eine dänische Beimischung bewerkstelligt ist, erklärt sich aus der Einwanderung vierter jütischen Dienstboten, die der bessere Lohn hierher gelockt hat und die später in der Stadt einen eignen Herd gegründet haben. Allein das deutsche Element ist in Tondern immer so vorwaltend' gewesen, daß es dieses natürliche Eindringen fast völlig absorbirt hat, wenigstens so weit, daß diese Einwanderer sich das Deut¬ sche nach Kräften angeeignet haben und zum größten Theile gute Schlcswig- Holsteiner geworden sind. Die Wahrheit und die Natur haben hier gesiegt uno ich kenne in Tondern mehre geborne Dänen, welche entschieden auf der Seite der Schleswig-Holsteiner stehen. Abgesehen von den neuen dänischen Beamten, äußerte ein gründlicher Kenner der Verhältnisse, gibt es in Tondern, einer Stadt von etwa dreitausend Seelen, kaum 20—30 dänisch gesinnte Familien und diese finden sich keineswegs unter den Gebildeten. Man müßte denn die beiden neuen Rathsherrn, Färber Diemer und Buchbinder Jacobsen dazu zäh¬ len, die weder recht deutsch noch recht dänisch können. Vor und in den Kriegs¬ jahren gab es unter den Kaufleuten keinen dänisch gesinnten; nach 18S0 aber haben sich drei Dänen angesiedelt, der Kvrnhändler Jens N. Umdrehen, früher Dienstknecht und aus den dänischen Enclaven stammend, der Manufacturist Mathem aus Mögeltondern und der Colonialwaarenhändler Peter Olufsen, ebenfalls aus den Enclaven. — Unter den wenigen Familien in Tondern, welche dänisch sind oder dänische Sympathien haben, gibt es aber mehre, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/471>, abgerufen am 23.07.2024.