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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Ju unsern Tagen wird niemand den Freund in das Schlafzimmer seiner Frau
führen, und im Orient gibt es keinen Katechismus der Moralität, mit dem man
ein empfindsames Spiel treiben könnte. Hebbel entwickelt aus seinem Psycho¬
logischen Raffinement keineswegs eine veränderte Stimmung des einen gegen
den andern, wie es bei jeder wahrhaften Seelenbewcgung der Fall ist, sondern
nur eine veränderte moralische Ansicht über das, was nun zu thun sei. Seine
Geschichte ist also für Beichtväter, aber nicht für das Theater.

Daß Hebbel aus der Fabel auch die Geschichte mit dem Ring genommen
hat, wäre an und für sich nicht zu tadeln, wenn er es blos als decoratives
Motiv benutzt hätte, denn an sich verändert der Umstand, daß der unbemerkte
Eintritt durch einen Talisman bewirkt wird, die Natur der Sache nicht im
mindesten. So scheint es auch nach dem Motto:


Einen Regenbogen, der, minder grell als die Sonne,
Strahlt in gedämpftem Licht, spannte ich über das Bild,
Aber er sollte nnr funkeln und nimmer als Brücke dem Schicksal
Dienen, deun dieses entsteigt einzig der menschlichen Brust.

Beiläufig, was sind das für polizeiwidrige Herameter! Hebbel thut sich doch
sonst etwas darauf zu gut, es mit seinem Handwerkszeug genau zu nehmen.
-- Aber die Hauptsache ist, Hebbel hält sein Versprechen nicht. Das Motiv
des Ringes wird doch über Gebühr ausgebeutet und hier gewinnt einmal
wieder seine Virtuosität Macht über ihn. Als Gyges zuerst bemerkt, daß der
Ring unsichtbar macht, hat er eine Empfindung, wie der Jüngling im
"Rubin".


Mein Blick umflorte sich und schweifend fiel
Er auf den Stein deö Ringes, der mir roth
Und grell von meiner Hand entgegen sprühte
Und rastlos, quellend, wallend, Perlen treibend
Und sie.zerblasend, einem Auge glich.
Das ewig bricht in Blut, das ewig raucht.
Ich drehte ihn, aus Nothwehr möchj ich sagen,
Aus Angst, denn alle diese Perlen blitzten.
Als warens Sterne, und mir ward zu Muth,
> Als schaut ich in den cwgeu Born des Lichts
Unmittelbar hinein, und wurde blind
Vom Uebermaß, wie von der Harmonie
Der Sphären, wie es heißt, ein Jeder taub.

Aehnliche Empfindungen hat die Königin:


Man sagt bei uns, daß Dinge, die die Welt
Zertrümmern können, hie und da ans Erden
Verborgen find. Sie stammen aus der Zeit,
Wo Gott und Mensch noch miteinander gingen

Ju unsern Tagen wird niemand den Freund in das Schlafzimmer seiner Frau
führen, und im Orient gibt es keinen Katechismus der Moralität, mit dem man
ein empfindsames Spiel treiben könnte. Hebbel entwickelt aus seinem Psycho¬
logischen Raffinement keineswegs eine veränderte Stimmung des einen gegen
den andern, wie es bei jeder wahrhaften Seelenbewcgung der Fall ist, sondern
nur eine veränderte moralische Ansicht über das, was nun zu thun sei. Seine
Geschichte ist also für Beichtväter, aber nicht für das Theater.

Daß Hebbel aus der Fabel auch die Geschichte mit dem Ring genommen
hat, wäre an und für sich nicht zu tadeln, wenn er es blos als decoratives
Motiv benutzt hätte, denn an sich verändert der Umstand, daß der unbemerkte
Eintritt durch einen Talisman bewirkt wird, die Natur der Sache nicht im
mindesten. So scheint es auch nach dem Motto:


Einen Regenbogen, der, minder grell als die Sonne,
Strahlt in gedämpftem Licht, spannte ich über das Bild,
Aber er sollte nnr funkeln und nimmer als Brücke dem Schicksal
Dienen, deun dieses entsteigt einzig der menschlichen Brust.

Beiläufig, was sind das für polizeiwidrige Herameter! Hebbel thut sich doch
sonst etwas darauf zu gut, es mit seinem Handwerkszeug genau zu nehmen.
— Aber die Hauptsache ist, Hebbel hält sein Versprechen nicht. Das Motiv
des Ringes wird doch über Gebühr ausgebeutet und hier gewinnt einmal
wieder seine Virtuosität Macht über ihn. Als Gyges zuerst bemerkt, daß der
Ring unsichtbar macht, hat er eine Empfindung, wie der Jüngling im
„Rubin".


Mein Blick umflorte sich und schweifend fiel
Er auf den Stein deö Ringes, der mir roth
Und grell von meiner Hand entgegen sprühte
Und rastlos, quellend, wallend, Perlen treibend
Und sie.zerblasend, einem Auge glich.
Das ewig bricht in Blut, das ewig raucht.
Ich drehte ihn, aus Nothwehr möchj ich sagen,
Aus Angst, denn alle diese Perlen blitzten.
Als warens Sterne, und mir ward zu Muth,
> Als schaut ich in den cwgeu Born des Lichts
Unmittelbar hinein, und wurde blind
Vom Uebermaß, wie von der Harmonie
Der Sphären, wie es heißt, ein Jeder taub.

Aehnliche Empfindungen hat die Königin:


Man sagt bei uns, daß Dinge, die die Welt
Zertrümmern können, hie und da ans Erden
Verborgen find. Sie stammen aus der Zeit,
Wo Gott und Mensch noch miteinander gingen

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[0460] Ju unsern Tagen wird niemand den Freund in das Schlafzimmer seiner Frau führen, und im Orient gibt es keinen Katechismus der Moralität, mit dem man ein empfindsames Spiel treiben könnte. Hebbel entwickelt aus seinem Psycho¬ logischen Raffinement keineswegs eine veränderte Stimmung des einen gegen den andern, wie es bei jeder wahrhaften Seelenbewcgung der Fall ist, sondern nur eine veränderte moralische Ansicht über das, was nun zu thun sei. Seine Geschichte ist also für Beichtväter, aber nicht für das Theater. Daß Hebbel aus der Fabel auch die Geschichte mit dem Ring genommen hat, wäre an und für sich nicht zu tadeln, wenn er es blos als decoratives Motiv benutzt hätte, denn an sich verändert der Umstand, daß der unbemerkte Eintritt durch einen Talisman bewirkt wird, die Natur der Sache nicht im mindesten. So scheint es auch nach dem Motto: Einen Regenbogen, der, minder grell als die Sonne, Strahlt in gedämpftem Licht, spannte ich über das Bild, Aber er sollte nnr funkeln und nimmer als Brücke dem Schicksal Dienen, deun dieses entsteigt einzig der menschlichen Brust. Beiläufig, was sind das für polizeiwidrige Herameter! Hebbel thut sich doch sonst etwas darauf zu gut, es mit seinem Handwerkszeug genau zu nehmen. — Aber die Hauptsache ist, Hebbel hält sein Versprechen nicht. Das Motiv des Ringes wird doch über Gebühr ausgebeutet und hier gewinnt einmal wieder seine Virtuosität Macht über ihn. Als Gyges zuerst bemerkt, daß der Ring unsichtbar macht, hat er eine Empfindung, wie der Jüngling im „Rubin". Mein Blick umflorte sich und schweifend fiel Er auf den Stein deö Ringes, der mir roth Und grell von meiner Hand entgegen sprühte Und rastlos, quellend, wallend, Perlen treibend Und sie.zerblasend, einem Auge glich. Das ewig bricht in Blut, das ewig raucht. Ich drehte ihn, aus Nothwehr möchj ich sagen, Aus Angst, denn alle diese Perlen blitzten. Als warens Sterne, und mir ward zu Muth, > Als schaut ich in den cwgeu Born des Lichts Unmittelbar hinein, und wurde blind Vom Uebermaß, wie von der Harmonie Der Sphären, wie es heißt, ein Jeder taub. Aehnliche Empfindungen hat die Königin: Man sagt bei uns, daß Dinge, die die Welt Zertrümmern können, hie und da ans Erden Verborgen find. Sie stammen aus der Zeit, Wo Gott und Mensch noch miteinander gingen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/460>, abgerufen am 23.07.2024.