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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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den Heerstraßenräubern zu rechnen, welche Kutschen aus Blackheath anhielten.
Sein unaemessener Geburtsstolz und seine Verachtung für Arbeit und Gewerbe
waren zwei große Schwächen, und haben weit mehr, als die Rauheit der Luft
und die Unfruchtbarkeit des Bodens, dazu beigetragen, sein Vaterland arm
und roh zu erhalten. Doch selbst hier gab es einige Entschädigung. Es muß
der Billigkeit gemäß anerkannt werden, daß die patricischen Tugenden nicht
weniger weit unter der Bevölkerung der Hochlande verbreitet waren, als die
patricischen Laster. Wie es keinen andern Theil der Insel gab, wo Leute mit
elender Kleidung, Wohnung und Kost sich in einem solchen Grade in den
müssigen, schleudernden Gewohnheiten einer Aristokratie gefielen, so gab es
auch keinen andern Theil der Insel, wo solche Männer in einem solchen Grade
die bessern Eigenschaften einer Aristokratie besaßen, Anmuth und Würde des
Benehmens, Selbstachtung und jenes edle Feingefühl, welches Schande furcht¬
barer macht, als den Tod. Ein Gentlemen dieser Art, dessen Kleider mit dem
gehäuften Schmuze von Jahren besudelt waren, und dessen Hütte schlimmer
roch, als ein englischer Schweinestall, machte oft die Honneurs dieser Hütte
mit einer stolzen Artigkeit, des glänzenden Cirkels von Versailles würdig. Obschon
er so.wenig Büchcrwissen besaß, als die dümmsten Ackerjungen von England,
so würde es doch ein großer Irrthum gewesen sein, ihn mit solchen Ackerjungen
in dieselbe geistige Rangordnung zu stellen. Zwar können die Menschen nur
durch Lesen mit irgendeiner Wissenschaft tief vertraut werden, aber die Künste
der Poesie und Beredtsamkeit können in einem Zeitalter, in welchem Bücher
ganz oder fast ganz unbekannt sind, nahe an absolute Vollkommenheit gebracht
werden, und einen mächtigen Einfluß auf den Volksgeist ausüben. Der erste
große Maler des Lebens und der Sitten hat mit einer Lebendigkeit, die es
unmöglich macht, zu zweifeln, daß er nach der Natur malte, die Wirkung ge¬
schildert, welche Beredsamkeit und Gesang auf des Alphabetes unkundige Zu¬
hörerschaften hervorbrachten. Es ist wahrscheinlich, daß in den hochländischen
Nathsversammlungen Männer, die nicht zu der Aufgabe von Kirchspielschreibern
befähigt gewesen wären, zuweilen Fragen von Frieden und Krieg, Von Tribut
und Huldigung, mit einer Halifax und Caermarthcn würdigen Geschicklichkeit
erörterten, und daß auf den hochländischen Bänketen Minstrels, die die Buch¬
staben nicht kannten, sich zuweilen in Rhapsodien ergossen, in denen ein sich¬
tender Kritiker Stellen gefunden haben könnte, die ihn an die Zartheit des
Otway oder an die Kraft des Dryden erinnert haben würden. -- ---

Wir fügen noch die Darstellung von der veränderten Stimmung hinzu,
mit welcher seit 17is die Hochländer von ihren Mitbürgern aufgefaßt wurden-

Jene barbarischen Einrichtungen und Gebräuche, die, so lange sie in voller
Kraft waren, kein Sachse ernsthafter Untersuchung werth gehalten, oder anders
als mit Verachtung erwähnt hatte, hatten kaum aufgehört zu bestehen, als sie


den Heerstraßenräubern zu rechnen, welche Kutschen aus Blackheath anhielten.
Sein unaemessener Geburtsstolz und seine Verachtung für Arbeit und Gewerbe
waren zwei große Schwächen, und haben weit mehr, als die Rauheit der Luft
und die Unfruchtbarkeit des Bodens, dazu beigetragen, sein Vaterland arm
und roh zu erhalten. Doch selbst hier gab es einige Entschädigung. Es muß
der Billigkeit gemäß anerkannt werden, daß die patricischen Tugenden nicht
weniger weit unter der Bevölkerung der Hochlande verbreitet waren, als die
patricischen Laster. Wie es keinen andern Theil der Insel gab, wo Leute mit
elender Kleidung, Wohnung und Kost sich in einem solchen Grade in den
müssigen, schleudernden Gewohnheiten einer Aristokratie gefielen, so gab es
auch keinen andern Theil der Insel, wo solche Männer in einem solchen Grade
die bessern Eigenschaften einer Aristokratie besaßen, Anmuth und Würde des
Benehmens, Selbstachtung und jenes edle Feingefühl, welches Schande furcht¬
barer macht, als den Tod. Ein Gentlemen dieser Art, dessen Kleider mit dem
gehäuften Schmuze von Jahren besudelt waren, und dessen Hütte schlimmer
roch, als ein englischer Schweinestall, machte oft die Honneurs dieser Hütte
mit einer stolzen Artigkeit, des glänzenden Cirkels von Versailles würdig. Obschon
er so.wenig Büchcrwissen besaß, als die dümmsten Ackerjungen von England,
so würde es doch ein großer Irrthum gewesen sein, ihn mit solchen Ackerjungen
in dieselbe geistige Rangordnung zu stellen. Zwar können die Menschen nur
durch Lesen mit irgendeiner Wissenschaft tief vertraut werden, aber die Künste
der Poesie und Beredtsamkeit können in einem Zeitalter, in welchem Bücher
ganz oder fast ganz unbekannt sind, nahe an absolute Vollkommenheit gebracht
werden, und einen mächtigen Einfluß auf den Volksgeist ausüben. Der erste
große Maler des Lebens und der Sitten hat mit einer Lebendigkeit, die es
unmöglich macht, zu zweifeln, daß er nach der Natur malte, die Wirkung ge¬
schildert, welche Beredsamkeit und Gesang auf des Alphabetes unkundige Zu¬
hörerschaften hervorbrachten. Es ist wahrscheinlich, daß in den hochländischen
Nathsversammlungen Männer, die nicht zu der Aufgabe von Kirchspielschreibern
befähigt gewesen wären, zuweilen Fragen von Frieden und Krieg, Von Tribut
und Huldigung, mit einer Halifax und Caermarthcn würdigen Geschicklichkeit
erörterten, und daß auf den hochländischen Bänketen Minstrels, die die Buch¬
staben nicht kannten, sich zuweilen in Rhapsodien ergossen, in denen ein sich¬
tender Kritiker Stellen gefunden haben könnte, die ihn an die Zartheit des
Otway oder an die Kraft des Dryden erinnert haben würden. — -—

Wir fügen noch die Darstellung von der veränderten Stimmung hinzu,
mit welcher seit 17is die Hochländer von ihren Mitbürgern aufgefaßt wurden-

Jene barbarischen Einrichtungen und Gebräuche, die, so lange sie in voller
Kraft waren, kein Sachse ernsthafter Untersuchung werth gehalten, oder anders
als mit Verachtung erwähnt hatte, hatten kaum aufgehört zu bestehen, als sie


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[0396] den Heerstraßenräubern zu rechnen, welche Kutschen aus Blackheath anhielten. Sein unaemessener Geburtsstolz und seine Verachtung für Arbeit und Gewerbe waren zwei große Schwächen, und haben weit mehr, als die Rauheit der Luft und die Unfruchtbarkeit des Bodens, dazu beigetragen, sein Vaterland arm und roh zu erhalten. Doch selbst hier gab es einige Entschädigung. Es muß der Billigkeit gemäß anerkannt werden, daß die patricischen Tugenden nicht weniger weit unter der Bevölkerung der Hochlande verbreitet waren, als die patricischen Laster. Wie es keinen andern Theil der Insel gab, wo Leute mit elender Kleidung, Wohnung und Kost sich in einem solchen Grade in den müssigen, schleudernden Gewohnheiten einer Aristokratie gefielen, so gab es auch keinen andern Theil der Insel, wo solche Männer in einem solchen Grade die bessern Eigenschaften einer Aristokratie besaßen, Anmuth und Würde des Benehmens, Selbstachtung und jenes edle Feingefühl, welches Schande furcht¬ barer macht, als den Tod. Ein Gentlemen dieser Art, dessen Kleider mit dem gehäuften Schmuze von Jahren besudelt waren, und dessen Hütte schlimmer roch, als ein englischer Schweinestall, machte oft die Honneurs dieser Hütte mit einer stolzen Artigkeit, des glänzenden Cirkels von Versailles würdig. Obschon er so.wenig Büchcrwissen besaß, als die dümmsten Ackerjungen von England, so würde es doch ein großer Irrthum gewesen sein, ihn mit solchen Ackerjungen in dieselbe geistige Rangordnung zu stellen. Zwar können die Menschen nur durch Lesen mit irgendeiner Wissenschaft tief vertraut werden, aber die Künste der Poesie und Beredtsamkeit können in einem Zeitalter, in welchem Bücher ganz oder fast ganz unbekannt sind, nahe an absolute Vollkommenheit gebracht werden, und einen mächtigen Einfluß auf den Volksgeist ausüben. Der erste große Maler des Lebens und der Sitten hat mit einer Lebendigkeit, die es unmöglich macht, zu zweifeln, daß er nach der Natur malte, die Wirkung ge¬ schildert, welche Beredsamkeit und Gesang auf des Alphabetes unkundige Zu¬ hörerschaften hervorbrachten. Es ist wahrscheinlich, daß in den hochländischen Nathsversammlungen Männer, die nicht zu der Aufgabe von Kirchspielschreibern befähigt gewesen wären, zuweilen Fragen von Frieden und Krieg, Von Tribut und Huldigung, mit einer Halifax und Caermarthcn würdigen Geschicklichkeit erörterten, und daß auf den hochländischen Bänketen Minstrels, die die Buch¬ staben nicht kannten, sich zuweilen in Rhapsodien ergossen, in denen ein sich¬ tender Kritiker Stellen gefunden haben könnte, die ihn an die Zartheit des Otway oder an die Kraft des Dryden erinnert haben würden. — -— Wir fügen noch die Darstellung von der veränderten Stimmung hinzu, mit welcher seit 17is die Hochländer von ihren Mitbürgern aufgefaßt wurden- Jene barbarischen Einrichtungen und Gebräuche, die, so lange sie in voller Kraft waren, kein Sachse ernsthafter Untersuchung werth gehalten, oder anders als mit Verachtung erwähnt hatte, hatten kaum aufgehört zu bestehen, als sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/396>, abgerufen am 23.07.2024.